Interview mit Jay Gambit von Crowhurst

Read the English version

Mit einem Katalog aus über 70 Veröffentlichungen in nicht einmal zehn Jahren ist CROWHURST definitiv eines der produktivsten Projekte der amerikanischen Black-Metal- und Noise-Szene. Nachdem die Band ihre Platten zuvor stets in Eigenregie veröffentlicht hatte, erschien ihr aktuelles Album „III“ nun erstmals über Prophecy Productions – ein würdiger Anlass für ein Interview mit Mastermind Jay Gambit, der uns unter anderem erklärte, wie er in derart kurzer Zeit so immens viel Musik kreieren konnte, warum er keine Stilrichtung von vornherein ablehnen würde und welche vermeintlichen Fakten über seine Band man besser hinterfragen sollte.

Von Noise über Black Metal und Sludge bis hin zu Post-Rock hast du in CROWHURST schon die verschiedensten Stilrichtungen miteinander verknüpft. Gibt es überhaupt Genres, die du niemals angreifen würdest?
Genres sind flüssig, also wahrscheinlich nicht. Ich denke, es ist wichtig zu verstehen, dass Musikstile auf einem Spektrum existieren. Es gibt einen Gradienten, und ich habe das Gefühl, dass dieser Gradient das ist, was Musik ausmacht, sodass es wahrscheinlich keine Genres gibt, die wir nicht anfassen würden. Es ist, als gäbe es keine Grenzen zwischen dem Beginn und dem Ende eines Stils, weshalb wir uns nicht wirklich einschränken.

So grundverschieden wie deine Songs sind, lässt sich als Zuhörer kaum feststellen, wie dein Songwriting üblicherweise abläuft. Was zeichnet demnach für dich persönlich ein kohärentes Musikstück aus?
Dass etwas eine emotionale Wirkung hat, ist alles, was mich wirklich interessiert. Eine Komposition zu hören und zu fühlen, ist für mich das Wichtigste. Ich möchte, dass sie eine Reaktion hervorruft, und wenn sie das tut, bin ich glücklich. Unsere Musik sollte sich meiner Meinung nach darum drehen, eine Atmosphäre zu schaffen, die mit Gefühlen einhergeht.

Du hast mit CROWHURST mittlerweile über 70 Veröffentlichungen herausgebracht, gut 30 davon sind Full-Length-Alben. Wie hast du es geschafft, einen solch aberwitzigen Output zustandezubringen?
Arbeitslosigkeit und psychische Erkrankungen sind die beiden Schlüssel zu meinem unerbittlichen Output. Ich hatte keinen Job, weshalb ich viel Freizeit hatte. Ich habe das Gefühl, dass ich damit meine verschiedenen Neurosen ergründen möchte. Ich denke, so ist es mir gelungen, einen so „aberwitzigen Output“ zu schaffen.

Gab es zwischen all diesen Releases auch mal Phasen, in denen deine kreativen Reserven aufgebraucht waren?
Ich bin die ganze Zeit kreativ erschöpft, aber ich bin von meinen Kollegen und Mitwirkenden so inspiriert, dass es sich ausgleicht. Natürlich kann auslaugend sein, ständig an Musik zu arbeiten, aber es gibt genug Leute, von denen ich umgeben bin, sodass ich eigentlich ziemlich durchgehend einen kreativen Funken spüre.

Bist du rückblickend immer noch mit all deinen Releases restlos zufrieden oder würdest du manche davon heute nicht mehr so herausbringen?
Ich höre mir meine alten Veröffentlichungen nicht an, aber ich nehme an, dass meine ersten Releases schlechter waren als die anderen. Ich versuche, es zu vermeiden, mir meine alten Kompositionen anzuhören.

Manche deiner Albumtitel richten sich auf nicht gerade schmeichelhafte Weise an andere Musiker, zum Beispiel „Fuck You Morrissey“ oder „Fuck You Dave Grohl“. Was hat es damit auf sich?
Es ist einfach das, wofür wir uns am meisten begeistern.

Hat auch schon mal einer der angesprochenen Künstler davon erfahren und darauf reagiert?
Ich nehme an, das musst du sie fragen. Ich glaube nicht. Ich habe keinen direkten Kontakt zu Morrissey und kenne Dave Grohl auch nicht persönlich. Ich habe weder Bono noch einen der Beatles jemals getroffen. Nicht einmal Ringo.

In den letzten Jahren hast du dich bezüglich deines Release-Pensums ein wenig gemäßigt und CROWHURST zudem zu einer Band umgeformt. Wie kam es dazu?
Es war schon immer eine komplette Band, auch wenn es nur um mich ging. Die Struktur ist das Einzige, was sich geändert hat. Ich habe das Gefühl, dass die Definition einer „kompletten Band“ individuell ist. Die Art und Weise, wie die Songs arrangiert wurden, hat sich geändert, und ich denke, das macht einen großen Teil der Wahrnehmung der Gruppe im Mainstream aus, aber selbst das geringste Maß an Recherche würde zeigen, dass wir seit 2013 auf die eine oder andere Weise als Einheit auftreten. Ich denke, es ist einfacher für die Leute, das so zu reduzieren, aber ich finde es beleidigend für mich selbst und jeden talentierten Künstler, mit dem ich zusammenarbeiten durfte, die Dinge so einfach zu kategorisieren.

Mit deinem aktuellen Album „III“ hast du eine Trilogie abgeschlossen. Wie hat die Trilogie ihren Anfang genommen?
Mit dem Album ‚Crowhurst‘ im Jahr 2015. Wir nannten es auch „I“, weil es das erste in der Trilogie war. Der offizielle Titel ist jedoch ‚Crowhurst‘. Ich habe das Gefühl, dass dies etwas verwirrend sein kann, wenn man es aktiv aus dem Kontext löst. Mir ist das egal, ich bin nicht daran interessiert, die Leute an so etwas heranzuführen, es sei denn, es handelt sich um eine Verpflichtung.

Was verbindet die drei Alben dieser Trilogie miteinander?
Thematisch geht es darum, ausgenutzt, getäuscht und in die Hölle auf Erden geworfen zu werden, in der die Freuden des Alltags mit dem erdrückenden Gewicht der stillen Manipulation und Ausgrenzung verbunden sind.

Zu dem Track „Ghost Tropic“ habt ihr auch ein Musikvideo kreiert. Was hat dich daran gereizt, gerade diesen Song auch visuell umzusetzen?
Wir lieben das Lied und wir lieben Jane, also machte es einfach Sinn. Das war unser Lieblingssong auf dem neuen Album. Andy und ich hatten das Gefühl, dass es der stärkste Track auf der Platte war, und wir wollten durch diesen Song die Welt mit dem Album bekannt machen. Das war das erste, von dem wir wollten, dass es die Leute nach all der Vorfreude auf die Platte zu hören bekommen, und nach zwei Jahren, in denen wir sie ständig mit der klaren und eigenständigen künstlerischen Vision aufgebaut haben, die Leute zu diesem Album zu führen, das uns künstlerisch und persönlich so viel bedeutet, ist es schön, dass es zumindest unsere zweite Single werden konnte.

Soweit ich weiß, sind einige Songs des Albums von „Natural Born Killers“ und „The Twilight Zone“ inspiriert. Inwiefern äußern sich diese Einflüsse im Verlauf der Platte?
Es gibt viele Fehlinformationen darüber, wovon das Album inspiriert ist. Ich bin persönlich als Künstler von NBK inspiriert, aber ich sagte das einmal in einem Interview und ich denke, die Leute haben das einfach aufgegriffen. Der Film hat viele Schnitte und passt in verschiedene Kategorien, schätze ich. Menschen neigen dazu, Ausschnitte aus einem Interview zu lesen und da herauszulesen, was sie wollen. Je mehr du sagst, desto einfacher ist es für jemanden, deine Worte zu verdrehen, damit es ihrer eigenen Erzählung entspricht, deshalb werden solche Dinge oft aufgebauscht. Es ist eine Schande, dass die Leute so faul sein können.

Mit Tony Wakeford, Ethan Lee Mccarthy und Tara Vanflower haben ein paar äußerst renommierte Gastmusiker an „III“ mitgewirkt. Wie hat sich diese Kollaboration ergeben?
Ich schickte ihnen E-Mails und sie antworteten. Da hatte ich wirklich Glück.

Was hast du als Nächstes für CROWHURST geplant?
Ich weiß es nicht. Das ist das Schöne daran. Die Zukunft nicht zu kennen, ist die Essenz dieses Projekts. Das Fehlen von Plänen ist es, was die Dinge wunderbar macht. Wir erlegen uns keine Regeln auf, sodass es keine Grenzen dessen gibt, was wir tun können. Pläne fallen oft in sich zusammen, deshalb machen wir gar keine, sondern nehmen das Unbekannte an.

Zum Abschluss möchte ich mit dir noch ein kurzes Brainstorming machen. Was kommt dir bei den folgenden Begriffen als Erstes in den Sinn?
Musikgenres: fließend
Split-EPs: ignoriert
Kunst: alles
DIY-Kultur: essentiell
CROWHURST in fünf Jahren: ???

An dieser Stelle nochmal vielen Dank dafür, dass du uns deine Zeit geschenkt hast. Gibt es noch ein paar letzte Worte, die du an die Leser richten möchtest?
Weißt du, die Leute sagen immer, dass alle Menschen gleich geschaffen sind, aber dann schaust du mich an und Samoa Joe und du kannst sehen, dass diese Aussage nicht wahr ist. Schau, normalerweise, wenn du mit einem anderen Ringer eins gegen eins gehst, hast du eine 50/50 Chance zu gewinnen. Aber ich bin ein Gen-Freak und ich bin nicht normal! Also hast du BESTENFALLS eine Chance von 25%, mich zu schlagen. Dann fügt man Kurt Angle zum Mix hinzu, die Gewinnchancen sinken. Schau dir den Dreier beim Sacrifice an, da hast du eine 33,33%-Chance, zu gewinnen, aber ich, ich habe eine 66,67%-Chance zu gewinnen, weil Kurt Angle weiß, dass er mich nicht schlagen kann und es nicht einmal versuchen wird!
Also, Samoa Joe, du nimmst deine 33,33%-Chance, minus meine 25%-Chance und du hast eine 8,33%-Chance, beim Sacrifice zu gewinnen. Aber dann nimmst du meine 75%ige Chance, zu gewinnen, wenn wir eins zu eins gehen würden, und dann fügst du 66,67% hinzu, also hab ich eine 141,67%-Chance, beim Sacrifice zu gewinnen. Schau, Joe, die Zahlen lügen nicht, und sie kündigen für dich eine Katastrophe beim Sacrifice an.

Publiziert am von

Dieses Interview wurde per E-Mail geführt.
Zur besseren Lesbarkeit wurden Smilies ersetzt.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert