Konzertbericht: Broken Wrist Battlegrounds XXXVIII

06.11.2015 Hamburg, Marx

Die Hamburger Markthalle hat einen zweiten, kleineren Veranstaltungsraum, das Marx: sehr rot und nicht sehr groß. So überrascht die Schlange vor der Location, bis klar wird, dass die vielen so gar nicht nach Metal aussehenden Menschen in den großen Saal zu einer Parallelveranstaltung wollen und nicht zu den „Broken Wrist Battlegrounds XXXVIII“. Bei diesem Newcomer-Event spielen heute JAW DROP, CLAERVAL, ENEMY I, ARKTIS, LAST SATANIC DIVINE und TASTE OF GREED.

Der zunächst sehr leere Raum füllt sich lose, als JAW DROP zu spielen beginnen. Die Harburger Band kombiniert faszinierendes Gitarrenspiel, einen wunderbar groovenden Bass und ein Schlagzeug, das die Ohren freipustet. Dabei steht jedes der Instrumente – ja, auch der Bass – mal im Vordergrund der Groove- bis Nu-Metal-Crossover-Musik. Vocalist Rigio shoutet dazu mal hardcorig, singt dann wieder solide rockig und rapt dann auch noch – alles auf hohem Niveau. Bei JAW DROP ist der Name Programm, denn hier fallen einige Kinnladen herunter, als dieser Konzertabend mit eher unbekannten Bands einen so überzeugenden Auftakt liefert.

Fotograf: Thomas Sprenger
Fotograf: Thomas Sprenger
Fotograf: Thomas Sprenger
Fotograf: Thomas Sprenger

CLAERVAL bringen dann etwas auf die Bühne, was sie vage „Alternative Metal“ nennen und live nach Metal mit starken Metalcore- und spannend progressiven Post-Rock-Elementen klingt. Ein eindeutiger Höhepunkt des Auftritts ist der jüngst mit Video erschienene Song „Oh The Vanity“, aber bei CLAERVAL reihen sich die hervorragenden Parts nur so aneinander. Glaubt man, man hätte die Hamburger Band erfasst, überrascht sie sogleich mit einem neuen interessanten Element. Im Mittelpunkt steht heute auch der Abschied vom Gitarristen Christoph, der seinen Job – wie die anderen aber auch – wirklich gut macht. Tolle Shouts, guter Klargesang, reinhauende Breakdowns, sympathische Interaktion mit dem Publikum, Vielseitigkeit und am Ende sogar eine kleine Theatereinlage und ein deutschen Song – begeisterter Applaus!

Fotograf: Thomas Sprenger
Fotograf: Thomas Sprenger

Bei ENEMY I ist der Raum im Vergleich zur Vorband relativ leer, was wahrscheinlich am Genrewechsel liegt, denn jetzt gibt es von Industrial Metal angehauchten Dark Rock, der sich im Laufe des Konzerts aber auch in Death-, Thrash- und Heavy-Metal-Richtungen austobt. Prägend für den Sound von ENEMY I sind die drei nicht nur akustisch, sondern auch in der Bühnenpräsenz erstklassig harmonierenden Saitenmusiker. Dazu kommt der vielseitige Gesang von Rob DeVille, der ein unglaubliches stimmliches Repertoire mitbringt: gefühlvoll im Dark Rock, hetfieldmäßig im Thrash, brutal im Death. Die Berliner zaubern wunderbare Songkompositionen voller Schwere, Brutalität und Tiefe. Lediglich die Ansagen zwischen den Songs machen einen gelangweilt bis introvertierten Eindruck, der so gar nicht zur hochwertigen Musik passt.

Fotograf: Thomas Sprenger
Fotograf: Thomas Sprenger

ARKTIS bringen stilvolle Aufsteller mit auf die kleine Bühne. Vor allem aber schleudern sie einen teilweise leicht post-hardcore-inspirierten Metalcore auf die Zuhörer, der viele Genregrößen in den Schatten stellt – nicht zuletzt, weil sie ihren ganz eigenen Stil gefunden haben. Die deutschen Texte sind live leider kaum zu verstehen, aber die Musik ist so voller Energie und Leidenschaft, dass nun auch erstmals am heutigen Abend der wirklich gut gefüllte Raum so richtig ausrastet: Tanzen, Springen, Headbangen, Moshen und sogar ein winziger Circlepit. Die Hannoveraner punkten ganz besonders mit dem gefühlvollen wie gewaltigen Song „Gold“. Voller Dankbarkeit für die überwältigende Musik und in Vorfreude auf das nächste Konzert von ARKTIS passen die Worte von Mark Forster, die sie als Cover spannend adaptieren konnten: „Flash[t] mich nochmal, als wär’s das erste mal!“

Zurück zur dunklen Musik: LAST SATANIC DIVINE spielen einen elektronisch begleiteten Dark Metal, der Gothic, Horror und Neue Deutsche Härte verbaut. Die Band mit der bezeichnenden Abkürzung LSD steht nur zu dritt auf der Bühne: Schlagzeuger, Gitarrist, Sänger. Die restliche Musik kommt vom Band. Mit weißen Gesichtern, überwiegend schwarzen Haaren und bösen Blicken werden von der Bühne aus Ungereimtheiten wie das laut eingespielte Metronom diskutiert. Das übertriebene Gothic-Auftreten, die partiell an „No Limits“ von 2 Unlimited erinnernden Elektro-Klänge, die vergleichsweise schwache Stimme und die unsicheren Ansagen ergeben kein stimmiges Gesamtbild. So ist der Gastauftritt von Rob, dem Sänger von Enemy I, wohl leider der hervorhebenswerteste Moment dieser Performance von LAST SATANIC DIVINE.

Den letzten Auftritt des Abends haben um kurz nach Mitternacht TASTE OF GREED, bei denen sich der Raum wieder mehr füllt. Mit Thrash Metal, der stimmlich aber meist eher schon im Death Metal oder auch bei verschiedenen Core-Spielarten einzuordnen ist, geben die Hamburger zu später Stunde nochmal richtig Gas. Ausgedehnte Instrumentalpassagen, entspannend melodische Parts und dann wieder brutaler Auf-Die-Fresse-Metal: TASTE OF GREED geben alles. So spielt der Bassist später passagenweise nur noch mit der Faust und die Stimme von Sänger Jens wirkt am Ende. Aber die Stimmung ist umwerfend, als eigentlich noch einmal Abschied genommen werden soll von Claerval-Gitarrist Christoph, für den dann Patrick – Sänger von Claerval – zum als Wall of Death getarnten Gruppenknuddeln herhalten muss. Zur Ballade, die gar keine ist, und den geforderten und gespielten Zugaben rasten die verbliebenen Fans noch einmal richtig aus, sodass Jens sogar ein kleiner Stagedive gelingt.

Fotograf: Thomas Sprenger
Fotograf: Thomas Sprenger

Was für ein Abend! Obwohl die „Broken Wrist Battlegrounds XXXVIII“ eine Newcomer-Veranstaltung sind, wurden hier überdurchschnittlich gute Konzerte abgeliefert. JAW DROP groovten die Menge warm, CLAERVAL spielten gekonnt vielseitig. Noch abwechslungsreicher und stimmlich besonders beeindruckend waren ENEMY I, denen die äußerst professionellen und mitreißenden ARKTIS folgten. LAST SATANIC DIVINE machten in ihrem Kampf mit der Technik leider einen etwas verlorenen Eindruck, aber TASTE OF GREED drehten bis kurz vor Eins nochmal richtig auf. So eine kleine Veranstaltung mit so viel großer Musik verdient eine zweifelsfreie Empfehlung: Besucht die Broken Wrist Battlegrounds!

Publiziert am von Jazz Styx (Gastredakteur)

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