Festivalbericht: Eisenwahn Festival 2008

25.08.2008 Obersinn

Hat sich etwas geändert, wenn man im Auto und beim Arbeiten meistens entweder Alternative, Indie und Prog- oder nachts dann vor allem Post-Rock hört, anstatt wie früher nur Metal? Ich denke nicht, denn meine Vorfreude auf das diesjährige Eisenwahn war mindestens genauso groß wie die beiden Jahre zuvor, trotz dieses kleinen musikalischen Sakrilegs. Keine Mitfahrer, Freunde die lieber zum Summer Breeze oder Wacken fahren – mir doch egal! Die 180km Autofahrt fühlen sich auch so wie eine Fahrt in ein zweites Wohnzimmer an. Und so kommt man um kurz nach zwölf Uhr am Campingplatz an und alles scheint noch am richtigen Fleck zu sein, ja sogar Festivalbekannte aus Oberhausen trifft man sofort, ohne vorher etwas ausgemacht zu haben. Ohne große Hektik wird das Zelt aufgebaut um dann das erste Bier zu öffnen. Nachdem dann auch Marius mit zwei Freunden aus München per Bahn angekommen ist, kann es eigentlich schon losgehen.

Alles natürlich ganz gemächlich, weshalb wir den – so wird uns später gesagt – „heimlichen Headliner“ HATEPRISON und vorher SYMBOLIC erstmal verpassen, ehe die Pässe und Bändchen von uns abgeholt werden. Kurz vor SNIPER, die ihren soliden Auftritt ganz in weiß bestreiten werden, ist das Festivalgelände noch einigermaßen verschlafen, aber natürlich vertraut von den Jahren zuvor. Einzig die Abwesenheit des Standes mit Guaranawein bleibt ein Wermutstropfen, der aber durch eine wirklich tolle Strandbar und Shishawiese prima ausgeglichen wird. So kommt es auch, dass ich mir SNIPER und GRAILKNIGHTS erst einmal aus der Horizontalen mit einem Becher Fruchtcocktail gönne. Es wird nicht das letzte Mal bleiben, dass die „Voodoobar“ von mir aufgesucht werden wird. Eine Strandbar mit richtigen Liegen und weißen Sand habe ich so zumindest auf noch keinen Metalfestival gesehen – andere anscheinend auch noch nicht und so wird die Einrichtung ordentlich frequentiert und einstimmig gelobt. Beinahe wird so das musikalische Programm, das sich schon am Nachmittag sehen lassen kann, zur Nebensache. Selbst die GRAILKNIGHTS mit ihrem Battlechoir und bunten Superman-Kostümen können keine Heerscharen vor der Bühne versammeln, obwohl sie musikalisch und bühnenshowtechnisch eine gute Figur abgeben (O-Ton: „Ey Alter, die ham‘ den Grahl!“. Die meisten Leute nutzen aber lieber die wunderbare Hanglage und das perfekte Wetter um sich die Bands sitzend aus ihrem Logenplatz auf der Wiese anzusehen.

Schade eigentlich, denn ONE BULLET LEFT, die danach die Bühne entern, hätten es durchaus verdient gehabt, wenn mehr Menschen der Hitze getrotzt und sich etwas bewegt hätten. Trotzdem legen die Oberhausener, mit Oberhausener Unterstützung vor der Bühne, ordentlich los und präsentieren Deathcore, der ganz nach meinen Geschmack ist. Live kann extreme Musik erst ihre ganze Kraft entfalten, die bei mir zu Hause unter den Kopfhörern zuletzt oft unspektakulär herüber kam. Sehr gefreut habe ich mich darüber, dass (soweit ich mich erinnern kann) alle Songs von der sehr guten „Invisible Fleshwounds“ EP, nämlich „My Predator’s Diary“, „Rise And Shine“, „The Sound Of Love And Death“ und „Dead End Prophecy“ gespielt wurden, sowie einige andere, die ebenfalls gut gezündet haben. Dank der großzügig ausgelegten Running Order, hatte man ganze 45 Minuten Zeit, was auf anderen Festivals keine Selbstverständlichkeit ist. Ebenso kann man auch nur die Herren von der Ton- und Lichttechnik loben, die am ganzen Wochenende einen fast durchgängig brillianten Job abgeliefert haben und somit nicht unwesentlich zum Gelingen des Festivals beigetragen haben.

Trotzdem spielte bei mir danach nicht RETURN TO INNOCENCE oder NACHTBLUT, die mir nicht sonderlich gut gefallen haben und ich nur aus guter Entfernung auf der Wiese sitzend betrachtet habe, sondern zuerst einmal mein Magen die erste Geige. Wenn man beim Eisenwahn ist, kann das allerdings nur eines bedeuten: SPESSARTBROT! Der erste Biss und die Erkenntnis ist da: Immer noch genauso lecker wie gewohnt oder um einen alten Maggi-Werbeslogan auszugraben: Unvergesslich gut. Mhm! Mit vier Bons (= vier Euro) vielleicht nicht so günstig wie Pommes (1 Bon) oder Bratwürste (2 Bon), aber dafür ist man nach Verzehr des mit Gyros und scharfer Soße gut gefüllten Brotlaibs mehr als satt und sogar ein bisschen glücklicher als vorher :-)

So gestärkt kann man sich auf den Nachtisch freuen, der am Freitag von DISBELIEF, HATESPHERE und UNLEASHED angerichtet wurde. Vor allem auf die deutschen Sludge-Deather von DISBELIEF um Karsten „Jagger“ Jäger habe ich mich im Vorfeld richtig gefreut und wurde nicht enttäuscht. Denn während sie in Bamberg 2007 irgendwie einen richtig miesen Sound erwischt hatten, lief beim Eisenwahn alles glatt. Das ist auch bitter notwendig, denn nur so machen die monumentalen Gitarrenwände der Hessen auch richtig Spaß. Dies schlägt sich auch auf die Spielfreude der Band nieder und daher ist es auch kaum verwunderlich, dass das Publikum der Band, sowohl bei Klassiker, als auch neueren Songs wie The Thought Product“, förmlich aus der Hand frisst. Flankiert wird man dabei von zwei Bannern zum aktuellen Album „Navigator“, der hereinbrechenden Dunkelheit und am Ende unermüdlichen „Zugabe“-Rufen der Fans, die leider nicht mehr erhört werden (dürfen?). Nichtsdestotrotz liefern DISBELIEF , als eine der unterbewertesten Bands überhaupt, den Auftritt hin, der mich 2008 beim Eisenwahn am meisten beeindruckt hat.

Das machte es für HATESPHERE natürlich nicht leichter, mich zu überzeugen. Oder etwa doch? Nach DISBELIEF war die Stimmung richtig gut und somit konnte man das ganze auch als Steilvorlage für die Dänen sehen. Hatte man zuletzt mit einigen Besetzungswechseln zu kämpfen, war ich umso mehr auf den Auftritt gespannt, auch weil ich die Band vorher noch nie live gesehen hatte. Nach einem kurzen, bodenständigen (nein, das ist das falsche Wort!) James Bond Intro legen die fünf Jungs auf der Bühne mit ordentlich Dampf los und können sich über ein engagiertes, bewegtes Publikum freuen. Insgesamt eine ganze Stunde lang wird Lied um Lied aus den Boxen geschmettert, wobei man sich vor allem auf die letzten beiden Alben „The Sickness Within“ und „Serpent Smiles and Killer Eyes“ beschränkt und drei wirklich gute neue Songs präsentiert. Insgesamt bin ich mit dem Auftritt rundum zufrieden und freue mich über so viel Dynamik auf und vor der Bühne.

Anders sieht es leider bei den Death Metal Veteranen UNLEASHED aus. Engagiert wie immer, eventuell doch etwas zu sehr abgezockt, spielt man sich durch eine aus sämtlichen Alben bunt zusammengewürfelte Setlist, die vor Hits eigentlich nur so strotzt, ohne wirklich den Kontakt zu den Fans herstellen zu können. Bisweilen konnte da einem Johnny schon leidtun, wenn seine Mitsingspielchen nicht wirklich funktionierten und auf ein „My warriors scream for me…“ anstatt eines „Death Metal Victory!“ nur ein undefinierbarer folgt. Schade, trotzdem lassen es sich UNLEASHED nicht nehmen eine Zugabe zu spielen und verabschieden sich nach fast neunzig Minuten per Handshake von den Fans.

Danach ging es relativ schnell ins Bett und Dank Ohrenstöpsel und der Tatsache in diesem Jahr das Zelt nicht direkt im Hang aufgeschlagen zu haben, wurde mein Schlaf erst kurz vor neun Uhr durch die immer stärker werdende Sonne beendet. So langsam krochen auch die meisten aus ihren Zelten um entweder zu sich zu finden, am tollen Frühstücksstand sich etwas zu beißen zu kaufen oder um sich am Wasserplatz etwas zu säubern. Gegen 10 Uhr kamen wir auf die Idee ins Freibad zu gehen um das highlightreiche Wochenende um einen weiteren Höhepunkt zu bereichern. Wir gingen allerdings nicht davon aus, dass derartig erlebnisreich sein sollte. Daher hier einige Metal1.Top-Tipps:
1. Der Zug in Richtung Gemünden am Main fährt um 10:08. Wenn man um 10:15 los läuft ist es zu spät.
2. Man sollte trotzdem das beste daraus machen und sich erst mal ein Eis kaufen. Die kleine Eisdiele an der Obersinner „Hauptstraße“ ist wirklich zu empfehlen.
3. Niemand will vier langhaarige Menschen mitnehmen.
4. Das Burgsinner Freibad ist noch cooler als das in Gemünden am Main.
5. Der Bus um 14:15 von Burgsinn nach Obersinn fährt nicht am Samstag.

Gelohnt hat sich unsere mehr als zweistündige Odyssee für die 10km im Sinntal trotzdem und das nicht nur, weil wir nun so ziemlich jeden der hilfsbereiten Bewohner der Örtchen Mittel-, Ober- und Burgsinn kennen. Ich übertreibe nicht, wenn ich sage, dass wir uns wie nach einer Wüstenexpedition in einer Oase fühlten. Kein Wunder, denn auch wenn unsere Wasserballkünste noch nicht ganz perfekt waren, hatten wir jede Menge Spaß. So viel, um genau zu sein, dass wir erst zu DEMOLITION zurück auf dem Festivalgelände waren. Sorry DAWN OF PERCEPTION, FINSTERFORST und RETALIATION, wir konnten einfach nicht widerstehen.

Dann war A.O.K. an der Reihe, die sich zwar nicht, wie gewohnt, komplett entblößen durften, aber trotzdem Onkel Freud ein grenzdebiles Grinsen ins Gesicht zaubern würden. Die Anale Phase scheinen manche Herren auch mit über 30 Jahren noch nicht überstanden zu haben. Wer darüber hinweg sehen konnte, der hatte Spaß mit Klassikern wie „Brombeerhagel“ (mit Gruß an die später spielenden SODOM), „Butzemann-Slayer“ und „Baguette-Attack“, das allerdings zur „Ciabattabrot-Attack“ umgedichtet wurde. Ohne große kognitive Anstrengungen natürlich. So konnte sich das Publikum zwischen Staub, Salat, Würstchen und allerlei anderen Lebensmittel vergnügen und feierte die Band ordentlich ab.

Deutlich ernster geht es dann bei FLESHLESS zu, die ich im letzten Jahr zum ersten mal beim Up From The Ground (R.I.P.) erleben durfte und mich dort hellauf begeistern konnten. Nach A.O.K. zu spielen war leider etwas ungünstig, da viele, auch angesichts der hohen Temperaturen, eine kleine Verschnaufpause einlegen mussten. Trotz der Hitze gönnten sich die Tschechen eine dreiviertel Stunde lang keine Pause und spielten bzw. grunzten sich durch älteres und neueres Material, so dass ich am Ende zwar zufrieden, aber nicht vollkommen aus dem Häuschen war.

Die Unterfranken VENDETTA waren in diesem Jahr so etwas wie die Local Heroes, konnten aber natürlich nicht an den Zuspruch von Final Breath in den letzten Jahren anknüpfen. Schlecht war’s nicht, konnte allerdings nicht sonderlich viele Menschen vor die Bühne locken. Für mich gab es danach Spessartbrot zum Abendessen, was auch sonst. So geht es danach erst einmal wieder zur Strandbar, wo sich Marius und Konsorten einen Eimer Sangria gegönnt haben. Für mich als Nachtabreiser muss eine Wassermelone herhalten, die bei den Temperaturen aber genau das Richtige war. Während ich noch halb beim abendlichen Imbiss bin, legen DETONATION los, die aber keinen von uns von den Sesseln bzw. Liegen trennen können. Interessanter scheint hier der spontan ausgetragene Limbo-Contest zu sein. Gewinner und Preise unbekannt, lustig war’s allemal.

Richtig vom Hocker hauen, und das im wahrsten Sinne des Wortes, können mich dann aber die Ungarn CASKETGARDEN. Holla, das war wirklich vom Allerfeinsten was hier geboten wurde. Auch wenn es der Publikumszuspruch leider nicht widerspiegelt, rechtfertigen die Jungs auf der Bühne ihren späten Slot mit jedem gespielten Lied. Mit der Zeit scheinen dies auch immer mehr Metaller zu bemerken um am Ende mit dem Carcass-Klassiker „Heartwork“ gebührend belohnt und verabschiedet zu werden.

Um ehrlich zu sein: Ich mag ENDSTILLE nicht und dass es bei ihren Auftritt geregnet hatte, konnte mich nicht sonderlich stören, da ich mit Ohrstöpsel tief im Gehörgang hinter der Bühne im Trockenen stand. Da Marius seine vergessen hatte, müsste er eigentlich über den Pandazoo aus Norddeutschland schreiben, allerdings ertrug er so logischer Weise nur zwei Songs. Sei’s drum – Stumpf ist Trumpf, zumindest bei den Fans, die die Band auch mit Nässe von oben auf den Körper und nicht in den Stiefeln, abfeiern.

Pünktlich zu SODOM lässt dann auch der Regen wieder nach und so steht einer atemberaubenden Show der Thrash-Urgesteine auch nichts im Weg. Die liefern sie ohne Zweifel, so dass man das Kunstadjektiv „headlinerwürdig“ durchaus gebrauchen darf. Tom, Bernemann und Bobby zocken sich durch ein Best-Of von neunzig Minuten Dauer, bei dem kein Hit der Gruppe fehlen darf. Am Ende dürften alle Publikumswünsche erfüllt sein. Dabei wirken SODOM nicht nur professionell, sondern im positiven Sinne bodenständig, fannah und überaus sympathisch. So wie das Eisenwahn-Festival selbst, was keineswegs eine Selbstverständlichkeit ist.

Um zwei Uhr endet für mich das diesjährige Eisenwahn-Festival oder sollte ich besser „Urlaub“ schreiben? Abgesehen von einigen wohl nicht so schönen Einzelvorfällen, von denen man im Gästebuch liest, aber wohl die absolute Ausnahme darstellen, gab es nur eine Sache, die mich richtig verärgert hat. Daher an dieser Stelle ein großes „Dankeschön“ an die Besetzung des Münchner-PKWs neben mir für die Ravioli auf dem Auto und eine kleine Delle, die sich weitestgehend nun wieder beseitigen ließ, von eurer Tür. Ansonsten kann man von einem durchwegs friedlichen Festival sprechen, das sich vor allem durch seine familiäre Atmosphäre auszeichnet, die viele andere Festivals proklamieren, aber in dieser Art und Weise nicht besitzen (Hallo Wolfszeit!). Womöglich sollte man im nächsten Jahr trotzdem etwas mehr die Werbetrommel rühren um die Besucherzahl, die meines Erachtens stagniert ist, etwas zu steigern. Einzigartig ist das Eisenwahn sowieso und besitzt fast schon so etwas wie eine „Seele“. Wo sonst gibt es eine Strandbar, Shishawiese, Spessartbrot und so viele nette Helfer, die einem sogar nach zwei Tagen Festivalbetrieb mit einem Lächeln im Gesicht begegnen? Fast ist man dazu geneigt zu sagen, dass so die Bands in den Hintergrund rücken. Doch den fairen Preisen, einem tollen Gelände und perfekter Rundumversorgung kann Bandchef Laudi Jahr für Jahr mit einer begeisternden Auswahl an talentierten, jungen Gruppen und richtigen Szenegrößen Paroli bieten. Weiter So

Geschrieben am 25. August 2008 von Metal1.info

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