Festivalbericht: Feuertanz Festival 2014 – Tag 1

20.06.2014 - 21.06.2014 Burg Abenberg

feuertanz_2014Ein flüchtiger Blick auf das Line-Up des FEUERTANZ FESTIVALS 2014 überrascht. Abseits der Headliner-Front finden sich wenig bekannte Namen im Billing, dafür viele Newcomer. So wirkt besonders der Freitag vom Papier her – oberflächlich betrachtet – wenig spektakulär und mehr wie ein folkiges Überraschungsei. Am Ende entdecken etablierte Szeneveteranen an diesem Tag alte Qualitäten, während sich manch unbekannter Name als Rohrkrepierer der Güteklasse A entpuppt.

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Den Ostwestfalen HARPYIE (benannt nach einem griechischen Fabelwesen) eilt im Hinblick auf ihre beiden Studioalben „Blindflug“ und „Willkommen im Licht“ ein zweifelhafter Ruf voraus. Wenn man Unkenrufen glauben darf, sei der Name des Erstlingswerks musikalisch sozusagen Programm. Live strafen Sänger Aello und seine Mitmusiker diese Kritiker nicht unbedingt Lügen, doch besonders beim Gesang besteht noch gewaltig Luft nach oben. Dies ist sowohl bei den schnelleren Nummern wie der inoffiziellen Bandhymne „Sturmvögel“ als auch bei den etwas langsameren Stücken unüberhörbar. Im Hinblick auf Spielfreude, Publikumsinteraktion und teils auch Melodieführungen zeigen HARPYIE allerdings durchaus Ansätze. So könnte aus dem vermeintlichen Tiefflieger mit viel Arbeit, Geduld und Ausdauer zumindest ein solides Folkrock-Projekt werden – mit garantiert einzigartiger Stimme, an der sich die Geister scheiden.

SONY DSCEtwas mehr Erfahrung, genauer gesagt über 20 Jahre, bringen die britischen THE DOLMEN mit nach Abenberg. „Markterprobt“ wäre wohl die kurze Zusammenfassung der Bandvita. Und tatsächlich überrascht es bereits nach wenigen Minuten, dass die Briten den Sprung auf das europäische Festland erst so spät gemeistert haben. Klanglich bewegen sich die sechs Musiker irgendwo zwischen Omnia und Rapalje. Besonders das Organ von Sänger Taloch erinnert an William von Rapalje. Stimmgewaltig führt er sowohl die Menge vor der Bühne als auch seine Band durch die einzelnen Stücke, die sich unter anderem aus der jüngsten Veröffentlichung „The Banquet“ zusammensetzen. Für das (männliche) Auge bietet Bassistin Kayleigh ein zusätzliches Plus, zumal die junge Dame einerseits ihr Instrument beherrscht und andererseits vor Spielfreude sprüht. Damit agiert sie allerdings stellvertretend für den Rest der Combo. Kurzum sind THE DOLMEN mit ihrer Show in erster Linie eines: ansteckend und erfrischend.

SONY DSCGenau dieses Urteil lässt sich über NAM in keinster Weise fällen. Im Gegenteil. Bewaffnet mit Flöten, Blasinstrumenten und ein bisschen Percussion verscheuchen die fünf Musiker mit einschläfernden Melodien und einer völlig statischen „Bühnenshow“ bereits nach wenigen Momenten fast den gesamten Burgplatz. Wahrscheinlich nie zuvor strömten die Massen parallel zu einem Auftritt einer Band in derartigen Wellen auf den kleinen Markt in Abenberg. Was die Händler freut, lässt die Musikinteressierten verwundert zurück: Der Auftritt von NAM wirkt trotz ausgefallenem Instrumentarium zu keiner Sekunde passend für das Festival, sondern vielmehr wie eine belanglose Randnotiz in einer Fußgängerzone oder einem Aufzug. Wer nicht frühzeitig geflohen ist, döst bzw. schläft abseits des Bühnengeschehens oder sucht bei „Drei Tänze“ und dem „Hirtenlied“ einen musikalischen Aufhänger. Scheinbar finden diesen sehr wenige, so dass sich das Quintett nach 75 schier unendlichen Minuten ohne nennenswerte Reaktionen verabschiedet – in Abenberg tendenziell für alle Zeit.

SONY DSCDen Folkrockern METUSA kommt die einschläfernde Steilvorlage anschließend spürbar zugute: Zwar sind die 75 Minuten für die Newcomer ebenfalls eine (noch) zu lange Spielzeit, doch besonders am Anfang gelingt es dem Folksechser die Menge mitzunehmen. Sänger Domenicus als Energiebündel und Einpeitscher leistet einen guten Job am Mikro und erinnert von seiner Art an die Anfänge von Alea dem Bescheidenen. Mit dabei haben METUSA ihr neues Album „Zahn der Zeit“, dieses mischen sie mit bekannten Klassikern wie „Jacobites“ und „Santyano“ in der bandeigenen Version vom Vorgänger „Piratenseele“. Insgesamt ist dies anfangs gute und später mindestens solide Unterhaltungsmusik mit ordentlich Schwung und auch ruhigeren Momenten. Das Ergebnis ist in seiner Ausprägung einige Schritte weiter als z.B. Harpyie bei ihrem Opener-Spot, bietet aber gleichzeitig immer noch genügend Potential für die Zukunft, da man als geneigter Hörer das Gefühl bekommt, dass METUSA ihre stärksten Nummern direkt am Anfang aneinanderreihen und später damit zu kämpfen haben, ihr Set in entsprechender Qualität zu Ende zu bringen.

SONY DSCVon der Gegenwart bzw. der Zukunft führt die Reise auf dem Feuertanz 2014 in die tiefste Vergangenheit der mittelalterlichen Musik: CORVUS CORAX bestreiten den Semi-Headliner-Spot am Freitag, unterstützt von der Trommlerfraktion WADOKYO. Bereits beim letztjährigen Festival Mediaval hatte sich die Mischung aus Sackpfeifen und Percussion als probate Mischung erwiesen, die besonders live bei einer entsprechenden Soundtechnik eine gewisse melodische Urgewalt zum Ausdruck bringt. So beweisen die Kolkraben auch an diesem Tag, dass die noch nicht zum alten Eisen der Szene gehören. Der Platz vor der Bühne füllt sich beachtlich, während ein sichtlich gealterter Castus als Frontmann agiert und all seine Bühnenerfahrung ausspielt. Zunächst dominiert mit den Titelsongs der letzten beiden Alben „Sverker“ und „Gimlie“ allerdings die Musik, während die Könige der Spielleute in imposanter Bühnenkluft und selbstgebauten Instrumenten das Dudelsack-, Schlagwerk- und Schalmeiengewitter einleiten. Dieses entfaltet auf Burg Abenberg erneut seine volle Pracht, besonders im Rahmen von „Venus Vina Musica“ und „Ragnarök“. Lediglich die Coverversion von Amon Amarths „Twilight Of The Thunder God“ stellt keinen echten Mehrwert für den Auftritt dar. Sonst funktioniert die Kombination aus den Königen der Spielleute mit asiatischen Trommeleinflüssen hervorragend.

SONY DSCOb Wodka, Bier oder Wein – KORPIKLAANI sind wenig wählerisch, was ihre alkoholische Verköstigung betrifft, wenn man den einzelnen Liedtexten Glauben schenken möchte. Dazu passt, dass die Finnen gemäß Ankündigung von Schelmish auf dem Feuertanz vor einigen Jahren einmal 16 Flaschen Wodka in einer Stunde vernichtet haben. Anno 2014 geht es überraschenderweise auf der Bühne und bei der Songauswahl deutlich nüchterner zu: Erst nach über zehn Liedern grölt die Menge gemeinsam nach „Vodka“, ehe noch später „Wooden Pints“ das reguläre Set beendet. Dazwischen erwischt besonders Sänger Jonne einen stimmlich guten Tag. Allerdings sind auch die Songs des neuen Werks „Manala“ nicht darauf gerichtet, den etablierten Stil von KORPIKLAANI zu revolutionieren. Im Klartext bedeutet dies, dass der Klan der Wildnis seine Fans bedient und diese feiern die Show entsprechend. Wer davor kein Anhänger des finnischen Folkmetals ist, dürfte es durch diesen Auftritt ohne nennenswerte Highlights auch nicht werden – ganz gleich ob die Nordeuropäer den Fokus etwas weg vom Alkohol hin zur eigentlichen Musik lenken oder nicht. Der Unterschied ist am Ende zu vernachlässigen, auch auf der letzten Studioproduktion.

Der 20. Juni bietet als Festivalfreitag sowohl Licht als auch Schatten. Die hellen Momente umfassen alte Hasen wie CORVUS CORAX und die zumindest hierzulande jungen Wilden von THE DOLMEN. Als größte Verlierer des Tages müssen NAM gesehen werden, objektiv wie subjektiv. Über Geschmack lässt sich bekanntlich streiten, über einen fast leeren Zuschauerraum nicht. Positiv erwähnen sollte man am Ende noch das Nachtkonzert der fünf (oder mehr…) SCHELMISHe akustisch im Burgsaal. Jenen Programmpunkt hätte der Veranstalter auf die Hauptbühne bringen können, zumal Dextro und Co. bei ihrer Tätigkeit als Moderatoren des Festivaltages einen überaus entspannten und sympathischen Eindruck hinterlassen.

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