Konzertbericht: FolkNoir w/ Sieben

28.03.2013 Spectaculum Mundi, München

Zuhause ist es am schönsten – und manchmal auch am musikalischsten. Während Oliver Sa Tyr mit seinem Hauptprojekt Faun zunehmend in den Fokus der breiten Öffentlichkreit dringt, entstand in seinen eigenen vier Wänden ein neues musikalisches Projekt namens FOLKNOIR. Zusammen mit seiner Lebensgefährtin Kaat Geevers (besser bekannt von ihrem Soloprojekt LEAF) nahm der Harfenvirtuose bereits eine EP auf, die den Titel „Songs From Home“ trägt – passend zum Aufnahmeort. Beim Livedebüt im Münchner Spectaculum Mundi wurden die sehr ruhigen Klänge der CD glücklicherweise um schwungvollere Elemente erweitert. Dazu holten sich Oli und Kaat im Vorprogramm Unterstützung aus Großbritannien.


Diese kam in Form von SIEBEN oder besser gesagt Matt Howden. Die Musik von SIEBEN basierte dabei in erster Linie auf Geigenklängen. Allerdings verwendete Howden die Violine nicht nur als Streichinstrument, sondern zupfte die Saiten häufig oder bearbeitet sie perkussiv. Live ergab dies optisch ein gewöhnungsbedürftiges Bild, doch das Klangerlebnis überzeugte: Vereinzelt ergänzte Howden seinen Sound um das aus Holz gefertigte Cajon. Das live gesamplete Ergebnis klang dabei wie eine mystische Mischung aus Geige, Schlagzeug und Gesang. Sein Loop-Pedal zum Erzeugen von Wiederholungseffekten mutierte im Laufe des Support-Gigs zu Howdens bestem Freund, obwohl sich das Pedal manchmal als widerspenstig erwies und der Inselbewohner korrigierend eingreifen musste.
Stilistisch kombiniert SIEBEN verschiedene Elemente aus klassischer, populärer und folkloristischer Musik. Die Grundstimmung ist dabei eher melancholisch. Vereinzelt spricht Howden auch über die Inhalte der Texte wie z.B. das Leiden der Soldaten im Krieg oder sinnliche Wahrnehmungsformen. So ergaben die Texte und die Musik eine stimmige Einheit. Zum vollumfänglichen Gesamtkunstwerk fehlten lediglich passende Videoillustrationen, die die im wahrsten Sinne des Wortes filmreife Musik passend in Szene setzen. Das Münchner Publikum zeigte sich so aber auch von Howden allein schwer angetan, so dass der Musiker eine spontane Zugabe auf Zuruf spielte.


Nach kurzer Unterbrechung war es dann Zeit für die Live-Premiere von FOLKNOIR. Und besonders in seinen Ansagen merkte man Oli an, dass er sich im Gegensatz zu Faun auf einem noch jungfräulichen Terrain befand. So versuchte er mehrfach, nötige Pausen zum Stimmen der Instrumente mit kurzen Geschichten zu den Songs oder FOLKNOIR selbst zu füllen, doch wirkte dabei ungewohnt wirr und wiederholte sich mehrfach. Dafür überzeugte das Vierergespann umso mehr, wenn nur die live auf Folk gepolte Musik sprach. Mit „You Should Have Seen Me There“ und der Videoauskopplung „Dear Misery“ mutierten eben jene Stücke zu den Highlights des Abends, die basierend auf den CD- bzw. YouTube-Veröffentlichungen dafür prädestiniert waren. Beide Lieder erinnerten dabei – besonders im Livekontext – an die früheren Faun-Zeiten, unter anderem dadurch, dass sie stimmlich von Oli getragen wurden.
Sind es bei den Studioaufnahmen wiederum Klänge von Hackbrett und Marimba die mit wenigen Elektroelementen gepaart, Stücke wie „The Songs In Mariees Hands“ prägen, war die Liveumsetzung etwas erdiger und folkiger. Dafür sorgen besonders Drehleier und Schlagzeug. Die melancholisch-verträumte Grundstimmung der CD wurde dabei einer flotteren, beinahe tanzbaren Liveumsetzung „geopfert“. Eine weise Entscheidung, entstand an diesem Konzertabend somit eine angenehme Dynamik zwischen verschiedenen musikalischen Kontrasten. Neben „Songs über Untergang und Verderben“ (O-Ton Oliver Sa Tyr) enthielt die Setliste auch die beiden Liebesballaden aus dem Irland des frühen 20. Jahrhunderts von „Songs From Home“. Zum einen das traditionelle „She Moves Through The Fair“ und zum anderen die Vertonung von „The Ragged Wood“, geschrieben von William Butler Yeats. Diese wirkten im Livegewand deutlich lebendiger und vielleicht auch irischer als auf Platte.
Und so konnten FOLKNOIR mit einem extrem runden und mutigen Gesamtpaket auch kleinere Schwächen kaschieren: Das gesangliche Zusammenspiel von Kaat und Oli funktionierte nicht immer reibungslos und die Nyckelharpafähigkeiten der Blondine wirkten im Vergleich zu anderen Künstlern eher wenig spektakulär. Auch stimmlich ist Kaat Gevers allein (noch?) nicht in der ersten Liga anzusiedeln. Dies wurde besonders deutlich bei den LEAF-Stücken, die stimmlich von Kaat alleine getragen wurden. Im Vergleich zu „Songs From Home“ war die Dame an der Seite des Faun-Frontmanns deutlich öfter im Gesang zu hören, wenngleich beide zusammen auch live nicht die Qualität eines „Poëtree“-Albums des Omnia-Duos Steve und Jenny erreichten.


Dafür haben sich FOLK NOIR live mit Stephan Groth an der Drehleier und verschiedenen anderen Instrumenten ein Multitalent ins Boot geholt, der auch abseits von Faun bewies, aus welch talentiertem Holz er geschnitzt ist. Fernab des Bühnenlichts hielt er den Auftritt musikalisch zusammen, besonders in jenen Momenten, in denen Kaat Geevers noch ihre Schwächen offenbarte. Insgesamt ist FOLK NOIR live ein Projekt wie gemalt für kleinere Bühnen auf Festivals wie dem WGT oder dem Festival Mediaval. Hier steckt mehr Faun und mehr Folk drin als anderswo.

Publiziert am von und Uschi Joas

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