Konzertbericht: Gogol Bordello w/ Man Man

26.11.2013 Tonhalle, München

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Von der Ukraine nach New York, von dort ab nach Brasilien und jetzt wieder zurück in den Big Apple: Der musikalische Weltenbummler Eugene Hutz ließ sich auf seinen Wegen von verschiedenen Musikrichtungen und -stilen inspirieren. Diese kunterbunten Einflüsse spiegeln sich auch in seiner Formation GOGOL BORDELLO wider. Die Internationalität der Band reicht von Balkanbeats über Klezmerelemente bis hin zu Latin, Punk, Metal und Dub.
Im November gastierte das quirlige Ensemble mit seinem neuesten Werk „Pura Vida Conspiracy“ erneut in der Münchner Tonhalle. Diese inzwischen sechste CD steht ganz im Zeichen des Vorgängers „Trans-Continental Hustle“: Zwar schickte Hutz den renommierten Erfolgsproduzenten Rick Rubin wieder in die Wüste, doch dessen Nachfolger Andrew Scheps setzte den Kurs fort: Die musikalische Fokussierung des wilden Haufens geht weiter und mit „Pura Vida Conspiracy“ steht das ausgereiftere Songwriting mehr im Mittelpunkt. Live ist der bisweilen unübersichtliche Gogol-Mix immer noch ein einziges Partyprogramm mit kleinen Verschnaufpausen.

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Den Auftakt unternehmen die US-Amerikaner mit dem vielsagenden Namen MAN MAN. Dreh- und Angelpunkt der Combo aus Philadelphia ist Honus Honus, seines Zeichens Songschreiber, Pianist und Sänger in Personalunion. Dazu gesellen sich die verschiedensten Blechbläser, Streicher und scheinbar alles, was die Musiker sonst finden können und auf der Bühne für instrumental einsatzfähig halten. Dies verbreitet den Charme von Straßenmusikern, die spontan das spielen, was ihnen in den Sinn kommt – und auch wie sie es gerade für richtig halten. Dass dabei nicht alles glatt laufen kann, ist selbstredend. Doch MAN MAN strotzen vor Energie und erspielen sich das Münchner Publikum durch unermüdlichen Einsatz. Damit erweisen sie sich als geeignete Vorboten für den Headliner.

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GOGOL BORDELLO setzen anschließend auf alles von MAN MAN einfach noch ein Schippchen drauf: Eine echte Struktur oder einen Spannungsbogen sucht man bei der Liveumsetzung des Gypsy Punk erwartungsgemäß vergebens: Binnen weniger Minuten verwandeln Gogol die beinahe ausverkaufte Tonhalle wahlweise in einen tobenden, singenden oder tanzenden Hexenkessel. Aus der musikalischen Vielfalt der Anfangsjahre und des aktuellen Longplayers entsteht ein buntes Potpourri, von dem sich die feierwütige Menge immer wieder aufs Neue antreiben lässt.

Bereits kurz nachdem Hutz als letztes Bandmitglied mit einer halbvollen Flasche Rotwein die Bühne betritt und nach einem kurzen Instrumentalintro die ersten Takte des Openers „We Rise Again“ erklingen, hat er seine Fans spürbar hinter sich. Zurecht, fasst eben jener Song wunderbar die Qualitäten der Truppe mit „a fistful of heart“ zusammen. Dabei umgibt den spindeldürren Gogol-Mastermind eine gewisse Faszination. So richtig sicher kann man sich meistens nicht sein, wer oder was gerade zu ihm spricht. Jedenfalls ist seine Liebe und Hingabe an die eigene Musik spürbar, sobald er mit meist geschlossenen Augen das Mikro ergreift oder auf seiner Gitarre einer inneren Bestimmung zu folgen scheint. Etwas ungelenk und wirsch wirken seine Bewegungen meist, doch genau diese Echtheit und der beinahe greifbare Enthusiasmus dahinter prägen den nachhaltigen Eindruck, den man von diesem Konzert gewinnt.

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Wenn sich der Frontmann selbst im Hintergrund hält und seinem Instrument die wildesten Töne – von laut über leise, von wild über virtuos – entlockt, übernehmen seine Liveverstärkung in Form von MC Pedro Erazo und Elizabeth Chi-Wei Sun das Zepter im größtenteils geld-orange-roten Rampenlicht der Tonhalle. Wie aus dem Nichts stürmen die beiden Sänger regelmäßig an den Bühnenrand und heizen bei erprobten Abgehsongs wie „Immigraniada“ oder „My Companjera“ gut gelaunt die Stimmung weiter an.
Das Konzept aus Folk-Punk bzw. Gypsy-Punk geht erneut voll auf. Mit neuen Songs wie „Malandrino“ knüpfen Gogol an ihren All-Time-Klassiker „Start Wearing Purple“ an. Eine gewisse Melancholie trifft auf Partystimmung, während sich Folkklänge mit Samba-Rhythmen und Punk- sowie Humppa-Elementen zu einem einzigartigen Mix vereinen. In „Lost Innocent World“ stößt man wiederum auf Parallelen zum Klassiker „Don’t Let Me Be Misunderstood“ von Santa Esmeralda, während „The Other Side Of Rainbow“ angenehm den Folk in den Vordergrund rückt.

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Wie es der Name schon nahelegt, ist „Pura Vida Conspiracy“ von der ersten bis zur letzten Sekunde eine Hommage an das Leben. Leichte Einschläge in Richtung Massenkompatibilität stören dabei besonders live in keinster Weise. Zwar könnte manch neues Stück von Gogol Bordello auch als schrulliger ESC-Beitrag durchgehen, doch die Herzen der neun Musiker brennen spürbar für die eigenen Taten.

Es spielt keine Rolle, ob alter oder neuer Song und ob es um Mitsingen, Mittanzen oder einfach nur wilde Party geht, die Menge ist sofort Feuer und Flamme – im wahrsten Sinne des Wortes. Selbst als Gogol gegen Ende ruhigere Töne anschlagen, leidet die Stimmung im Saal keine Sekunde. Bereitwillig hängen die Fans an den Lippen von Hutz und seinen teils bis zu vier Mitsängern, die auch in anspruchsvollen Momenten ein stimmlich überzeugendes Bild abgeben. Gleiches gilt für die übrigen Musiker mit ihren Instrumenten, die allesamt eine Daseinsberechtigung im breiten Soundgewand haben und auf eigene Art zu überzeugen wissen, egal ob größtenteils im oder abseits des Rampenlichts. Besonders erwähnenswert hierbei Altmeister Sergey Ryabtsev an der Geige.

Setliste GOGOL BORDELLO:
Intro
We Rise Again
Wonderlust King
The Other Side Of Rainbow
My Companjera
Dig Deep Enough
Last One Goes The Hope
Trans-Continental Hustle
Immigraniada (We Comin‘ Rougher)
Break The Spell
When Universes Collide
Pala Tute
Malandrino
Sun Is On My Side
Sacred Darling
Start Wearing Purple
Sally
Lost Innocent World
Think Locally, Fuck Globally
Alcohol
Mishto!
Ultimate

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