Konzertbericht: Meshuggah /w The Halo Effect, Mantar

19.03.2024 München, Tonhalle

Es gibt Tour-Packages, die auf den ersten Blick Sinn ergeben – und solche, die es nicht tun. MESHUGGAH, THE HALO EFFECT und MANTAR fallen wohl eher in zweitere Kategorie: Kaum zwei Bands könnten weiter auseinanderliegen als die brachialen Bremer und die verkopften Schweden – dass dazwischen die „Traditionsmannschaft von In Flames“ antritt, macht es stilistisch nur noch verworrener. Aber nicht unbedingt schlechter, wie sich im Verlauf des Abends schnell zeigt.

Obwohl es durch den auf 18:00 Uhr vorgezogenen Einlass erst 19:00 Uhr ist, als MANTAR loslegen, ist die Tonhalle schon von vorne bis hinten und von links bis rechts gefüllt. Dem Duo aus Bremen ist das – völlig zu Recht – erst einmal komplett egal: Seitlich zum Publikum stehend (beziehungsweise sitzend) arbeitet sich das Duo an seiner rohen Musik ab: Wie von Sinnen schleudern Erinc und Hanno sich (und damit dem Publikum) Riffs und Beats um die Ohren. Wirkt so mancher Fan zunächst von der rohen Gewalt der Songs überfordert, sichert sich Erinc spätestens die Sympathien des Publikums, als er von dem offenkundig nahezu traumatischen Nachmittag in der überfüllten Therme Erding („geht gar nicht!“) berichtet. Fakt ist: Nach einem Nachmittag zwischen lärmenden Kindern präsentieren sich MANTAR in Bestform – ob die Show nach einem relaxten Wellness-Tag auch nur ein My besser hätte sein können, darf bezweifelt werden.

  1. Pest Crusade
  2. Spit
  3. Age Of The Absurd
  4. Egoisto
  5. Hang ‚Em Low (So The Rats Can Get ‚Em)
  6. Era Borealis
  7. Oz
  8. Era Borealis
  9. White Nights

Nach diesem Abriss kommt etwas gediegener Melo-Death ganz recht – und damit wären wir bei THE HALO EFFECT. Wusste die Allstar-Band der In-Flames-Vetaranen Niclas Engelin, Mikael Stanne, Peter Iwers, Daniel Svernsson und Jesper Strömblad mit ihrem allzu vorhersehbaren Debüt nicht wirklich zu begeistern, kann die Live-Version der Truppe mit ihrer Performance einiges wettmachen: Dass Jesper nach wie vor nicht mitspielt und sich auch Daniel auf dieser Tour vertreten lässt, ist zwar etwas schade. Gemeinsam mit den beiden Ersatzmännern Patrik Jensen (The Haunted und Witchery) an der Gitarre und Anton Roos am Drumkit liefern THE HALO EFFECT jedoch eine absolut solide Show ab: Perfekter Sound, perfektes Stellungsspiel und der scheinbar ewig gut gelaunte Mikael Stanne lenken geschickt von der Belanglosigkeit ab, die sich bei THE HALO EFFECT leider vom Bandnamen angefangen über sämtliche grafischen Designs bis hin zum Songwriting sehr konsequent durchzieht. Immerhin: Die 45-minütige Performance im heutigen Setting und mit gutem Sound hat weit mehr Unterhaltungswert als auf der Amon-Amarth-/Machine-Head-Tour 2022.

  1. Days Of The Lost
  2. The Needless End
  3. Feel What I Believe
  4. Become Surrender
  5. Conditional
  6. Last Of Our Kind
  7. Gateways
  8. Shadowminds

Um 21:15 Uhr erlischt das Licht erneut und zu den Klängen von George Michaels „Careless Whisper“ nehmen MESHUGGAH ihre Plätze vor Lichtelementen ein, die sie wie eine feurige Aura illuminieren. Optisch passiert sonst erst einmal nicht mehr viel – das ist aber auch völlig in Ordnung, denn was MESHUGGAH musikalisch abliefern, bindet genug Gehirn-Kapazität: 70 Minuten lang bearbeiten die Schweden ihre Fans mit vertrackten Rhythmen aus den letzten 30 Jahren: Das rohe „Future Breed Machine“ von „Destroy. Erase. Improve“ (1995) findet genauso Eingang ins Set wie Songs von sämtlichen anderen seitdem veröffentlichen Alben – mit Ausnahme von „Chaosphere“.

Dass die Leuchtboxen irgendwann abgebaut werden und MESHUGGAH vor nun typischeren futuristischen Biomechanic-Artworks agieren, ist ein netter Szenewechsel – bei dem gebotenen Mathcore-Wahnsinn aber auch völlig nebensächlich: Wer nicht im Pit eskaliert, ist vollauf davon eingenommen, mitzuzählen oder beim Headbangen im Takt zu bleiben. Auf Ansagen verzichtet Fronter Jens Kidman fast komplett, aber auch seine typischen Gesten, verdrehte Augen und verkrampfte Hände, spart sich der bärtige Glatzkopf heute weitestgehend. Völlig egal – wie auch der Umstand, dass die Songs der Schweden bei oberflächlicherer Betrachtung doch alle recht ähnlich sind: Allein die technische Brillanz bei glasklarem Sound reicht aus, um von der ersten bis zur letzten Minute in eine Art Trance zu verfallen. Dass MESHUGGAH ihre Fans nach dem furiosen Schluss aus „Bleed“ und „Demiurge“ ausgerechnet mit Shaggys „Mr. Bombastic“ als Outro aus ebenjener Trance reißen, wirkt zunächst surreal – gerade darum aber auch nicht weiter überraschend.

  1. Broken Cog
  2. Rational Gaze
  3. Perpetual Black Second
  4. Kaleidoscope
  5. God He Sees In Mirrors
  6. Born In Dissonance
  7. Interlude
    (Mind’s Mirrors)
  8. In Death – Is Life
  9. In Death – Is Death
  10. Humiliative
  11. Future Breed Machine
  12. Bleed
  13. Demiurge

MESHUGGAH-Konzerte sind das Äquivalent zu Filmen von Christopher Nolan: So ganz versteht wohl keiner, was er gerade erlebt, und objektiv betrachtet ist das Dargebotene nicht einmal durchweg spannend – der technische Bombast, die Perfektion in jedem Detail und der Knoten, der einem ins Hirn gedreht wird, verhindern jedoch, dass auch nur für eine Sekunde Langeweile aufkommt. Mag das Ganze im Fall von MESHUGGAH auch nur so viel mit einem Metalkonzert im klassischen Sinne zu tun haben wie „Tenet“ mit Indie-Arthouse-Kino – der Faszination dieser Band kann man sich dennoch kaum entziehen. In diesem Kontext ist es vielleicht gerade richtig, dass die Vorbands vergleichsweise simple Kost bieten: „Vorgeschädigt“ durch noch mehr vertrackte Rhythmen wären 70 Minuten MESHUGGAH wohl nur schwer auszuhalten.

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