Review Árstíðir – Hvel (Re-Release)

Season Of Mist wird den meisten wohl in erster Linie als Extreme-Metal-Label bekannt sein, dessen Roster weder zu untergründig verschroben noch zu kommerziell ausgerichtet ist. Mit einer der Gründe dafür, dass die französische Plattenfirma so viel Hörenswertes in ihrem Repertoire hat, ist die große stilistische Bandbreite ihrer Schützlinge. Es verwundert also nicht, dass inzwischen auch die Isländer ÁRSTÍÐIR bei Season Of Mist unter Vertrag stehen, obwohl ihre Musik mit Metal nicht das Geringste zu tun hat. Als „Einweihungsgeschenk“ gibt es nun erst mal einen Re-Release ihres 2015er Albums „Hvel“, das die damals noch als Quartett agierende Band mithilfe einiger Gastmusiker aufgenommen hat.

„Icelandic Independent“, wie ÁRSTÍÐIR ihre Musik nennen, setzt sich im Wesentlichen aus Folk, Singer-Songwriter-Musik sowie unterschwelligen Neoklassik- und Ambient-Elementen zusammen. Das mag auf dem Papier sogar relativ sperrig klingen, ist in der Umsetzung aber überaus leicht zugänglich. Nach dem doch recht bedrückenden, verschlossenen „Himinhvel“, das mit seinen sphärischen Klängen einen gewissen Intro-Charakter hat, hellt sich das Soundgefüge, das ÁRSTÍÐIR eine Dreiviertelstunde lang aufrecht erhalten, merklich auf.

Von da an dreht sich in den Songs alles um leicht melancholischen, aber keineswegs depressiven Gesang, unaufgeregt gezupfte Akustikgitarren und gefühlvolle Streicher, für die ÁRSTÍÐIR einige Gastmusiker zu Rate gezogen haben. Diese Basis erweitern die Isländer dann und wann um ein paar kleine Zusätze wie etwa elegantes Pianospiel, subtile Keyboards oder lässige, durchaus einfallsreiche Perkussion. An Instrumenten und spielerischem Können mangelt es ÁRSTÍÐIR also schon mal nicht. Der Grund, aus dem „Hvel“ dennoch nicht auf ganzer Linie überzeugt, ist die allzu biedere Art und Weise, mit der das Trio zu Werke geht.

Viel zu oft erinnert der kleinlaute Gesang an seichten Pop im Stil von Ed Sheeran und die Akustikgitarren werden derart sanft und unscheinbar gespielt, dass nahezu keine einzige der darauf gespielten Melodien ihren Weg ins Langzeitgedächtnis findet. Lediglich die facettenreichen Streicher entfalten das emotionale Potential, das auf „Hvel“ ansonsten ungenutzt schlummert. Im verträumt schwelgenden „Moonlight“ vertonen ÁRSTÍÐIR damit etwa das Gefühl kindlicher Nostalgie, während die Sehnsucht im instrumentalen „Ró“ durch die Geigen nahezu greifbar wird und in „Cannon“ sogar schwermütig-düstere Töne angeschlagen werden.

Das dritte Album der isländischen Senkrechtstarter hat ohne Zweifel seine schönen Seiten, die in manchen Momenten sogar wirklich das Herz berühren. Dass sich dieses Lob jedoch hauptsächlich auf die Beiträge der Gastmusiker bezieht, stellt die Frage in den Raum, ob ÁRSTÍÐIR auch auf sich gestellt ein packendes Album auf die Beine stellen könnten. Ob man die zukünftigen Werke der Band mit Vorfreude erwarten darf, hängt also davon ab, ob ÁRSTÍÐIR ihre eigene Performance auf Vordermann bringen oder zumindest weiterhin mit Sessionmusikern zusammenarbeiten. Die Zeit wird es zeigen.

Wertung: 6.5 / 10

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