Review Blut Aus Nord – Memoria Vetusta II (Dialogue With The Stars)

  • Label: Candlelight
  • Veröffentlicht: 2009
  • Spielart: Black Metal

Trotz der stolzen 13 Jahre, die zwischen dem Erscheinen von „Memoria Vetusta“ Teil I und II liegen, handelt es sich hierbei keinesfalls um BLUT AUS NORDs „Chinese Democracy“, denn fleissig war man nach dem ersten Teil ja weiterhin. Und ganz ehrlich: So wirklich erwarten konnte man den Nachfolger jetzt nicht mehr. Dafür war der Fortschritt der Band zu weitreichend und Werke wie „The Work Which Transforms God“ und „MorT“ hatten mit den noch halbwegs orthodoxen beiden Erstlings-Werken nicht mehr allzu viel gemeinsam. Zudem rereleaste Candlelight „Memoria Vetusta I: Fathers Of The Icy Ages“ (so der volle Titel) vor ein paar Jahren schlicht und ergreifend unter dem Titel „Fathers Of The Icy Ages“. Doch mit „Odinist“ war zuletzt eine erste Annäherung an längst vergangene Tage getan und ja, jetzt lässt sich problemlos und beeindruckt feststellen, dass „Memoria Vetusta II“ im Prinzip genau das ist, was man von den Franzosen erwarten konnte: Es ist „Memoria Vetusta“ im 21. Jahrhundert.

Und das drückt sich beileibe nicht bloss durch das unkomplizierte Ambient-Intro „Acceptance (Aske)“ oder das akkustische Zwischenspiel „Translucent Body Of Air (Sutta Anapanasati)“ aus. Der erste richtige Song „Disciple’s Libration (Lost In The Nine Worlds)“ erinnert zwar zunächst noch stark an jüngere Outputs mit seinem schneesturmartigem Schlagzeugspiel, welches vom Sound her immer noch einen gewissen Industrial-Einschlag hat und dementsprechend auch insgesamt im Vergleich zum ersten Teil ein viel moderneres Klanggewand vermittelt, sowie den krächzenden Vocals von Vindsval; doch spätestens wenn die ersten Melodien und sogar Soli einsetzen ist klar, dass dieses Werk dem Titel „Memoria Vetusta II“ gerecht wird.
Doch auch wenn man nur mit dem Erstling „Ultima Thulee“ in Kontakt gekommen ist, dessen Klassikerstatus vielleicht auch ein wenig dafür sorgte, dass „Memoria Vetusta I“ nicht die Aufmerksamkeit erhalten hat, die es verdient, könnten bei diesem Album einige Erinnerungen hochkommen. Es geht zwar wie auch beim ersten „Memoria Vetusta“-Teil wesentlich dynamischer zu als auf dem Debüt von BLUT AUS NORD, aber am stimmungsvollen Einsatz von Synthesizern mangelt es auch hier nicht. Man höre sich alleine nur mal „Antithesis Of The Flesh (…And Then Arises A New Essence)“ an: wenn die Ausserirdischen nicht schon längst auf der Erde gelandet sind, dann würden sie sicherlich mit den unheimlichen Synthie-Klängen der zweiten Hälfte dieses Stückes auf unserem Planeten ankommen. Obwohl man keine komplexen Arrangements in die Stücke einbaut, so sind BLUT AUS NORD doch immer noch Meister der wirkungsvollen Verwendung von Ambient-Passagen. Der fünfte Song auf „Memoria Vetusta II“ besticht zudem durch orientalisch angehauchte Tonfolgen, die die mysteriöse Atmosphäre vervollständigen. Auch die geisterhaften Chöre sind wieder vertreten und sorgen zusammen mit den teils majestätischen Riffs und Soli für die nötige Epik.
Episch ist auch die Albumlänge im Vergleich zu allen andren Werken: Eine gute Stunde dauert es bis die Elevation letztlich abgeschlossen ist und Songlängen von minimal 6 1/2 Minuten bis hin zum 10-minütigen Titeltrack lassen ebenfalls erkennen, dass das hier immer noch keine leichte Kost ist. „…The Meditant (Dialogue With The Stars)“ ertönt in auf die Spieldauer bezogener zentraler Position dann auch erhaben langsam voranschreitend und wird nur zur Mitte hin mal durch einen Akkustik-Teil unterbrochen. Zwar bleibt „Procession Of The Dead Clowns“ mein Lieblingsstück von BLUT AUS NORD, aber das hier steht dem Abschluss von „The Work Witch Transforms God“ kaum in seiner Größe nach.

Zeit für die wenigen Kritikpunkte, die man ansetzen kann: So sehr man hier auch mit ergreifendem Gitarrenspiel überhäuft wird, bei dem sich problemlos auch gerne mal was wiederholen darf, so ist auf Dauer auch festzustellen, dass „Memoria Vetusta II“ nicht allzu viele Überraschungen oder Wendungen in den Stücken aufweist. Im Ansatz gibt es solche zwar, aber es bleibt nunmal auch bei diesem Ansatz, wie z.Bsp. zum Ende von „The Cosmic Echoes Of Non-Matter (Immaterial Voices Of The Fathers)“ hin, wo ein kleines Break mit potenziellem Headbang-Charakter – was hier aber natürlich nicht angebracht ist – schon dazu reicht um erwähnt zu werden, weil es eben einer der wenigen Momente ist wo man die sonst meist recht durchgängige Songstruktur nicht durch Akkustik- oder Ambient-Passagen unterbricht.
Eher schade als direkt störend sind die fehlenden Texte, von denen ich allerdings nicht weiß, ob sie beim finalen Produkt enthalten sind. „Memoria Vetusta I“ war bislang das einzige Album von BLUT AUS NORD von dem man Texte veröffentlicht hat, was bei der Geschichte, die erzählt wird, natürlich auch sinnvoll ist. Im Falle von „Memoria Vetusta II“ wäre es ebenfalls wünschenswert gewesen, wenn man die Möglichkeit hätte den Inhalt zu verfolgen, denn Vindsvals Vocals sind halt auch nicht verständlicher geworden. Und dann wäre da noch das Statement der Band, dass man auf „Memoria Vetusta II“ komplett ohne Industrial Sounds und Disharmoniken auskommen wollte. Nunja, die erste Hälfte davon kann man abgesehen vom Schlagzeugklang, der aber auch nicht ganz so extrem ist wie auf „The Work Witch Transforms God“ oder „MorT“, bestätigen. Bei der zweiten Hälfte ist das jedoch so eine Sache, denn Dissonanzen gibt es hier doch noch einige. Verbildlicht könnte man sich das etwa so vorstellen: War „MorT“ noch ein einziges Wollknäuel, so ist „Memoria Vetusta II“ der aufgerollte Faden, der nur noch ein paar Knoten in seiner geraden Linie enthält. Komplett hat man sich also nicht von seiner jüngeren Vergangenheit verabschiedet, vor allem nicht von der Progressivität.

So oder so kann man aber festhalten, dass die Rückkehr zu alten Wurzeln alles andere als misslungen ist. Schwierig zu beantworten ist bloß die Frage, ob man denn nun eher als Fan der älteren Werke oder als Anhänger der Musik ab „The Work Witch Transforms God“ Gefallen an „Memoria Vetusta II: Dialogue With The Stars“ findet. Persönlich tendiere ich zwar eher zum zweiten Fall, denn das modernere Soundgewand könnte ein Hindernis für diejenigen sein, die nur mit der frühen Phase von BLUT AUS NORD etwas anfangen konnten. Zumindest aber sollte man mit diesem Album wieder eine breitere Hörerschaft ansprechen, als mit den Vorgängern. Wie der weitere musikalische Weg aussehen könnte, das vermag wohl nur die Band selbst zu sagen. Die Sterne hat man ja nun bereits erreicht, gegen „Memoria Vetusta III: A Journey Through The Universe“ hätte ich also bei gleichbleibender Qualität nichts einzuwenden.

Wertung: 9 / 10

Geschrieben am 6. April 2013 von Metal1.info

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