Review Coldplay – Ghost Stories

  • Label: Parlophone
  • Veröffentlicht: 2014
  • Spielart: Entmetallisiert, Synth-Pop

„Aaaaaaarg! Was ist denn das?“ So ähnlich dürfte die Reaktion der meisten COLDPLAY-Fans ausgefallen sein, nachdem sie die ersten Takte der Singleauskoppelung „Magic“ aus dem neuen Album der Superstars gehört haben. Elektrische Drums? Ernsthaft? Dabei war doch das differenzierte und gefühlvolle Schlagzeugspiel von Will Champion auf den ersten Alben eines der Aushängeschilder der Indie-Pop-Band! Wie ein Ertrinkender klammert man sich beim ersten Hören an Chris Martins vertraute, liebgewonnene Stimme, während man sich angstvoll fragt, ob COLDPLAY nun wirklich in die Mainstream-Pop-Ecke abgedriftet sind. Über zwei Monate später ist nun das Album da – und ich kann Entwarnung geben: Auch wenn die Jungs anno 2014 elektronischer als zu vor klingen, sind sie mehr oder weniger immer noch sie selbst. Aber beginnen wir von vorne.

„Ghost Stories“ wird vom verträumten „Always In My Head“ eröffnet. Der Song ist nicht wirklich schlecht, aber definiert sich leider viel zu stark über das vorwärtsschreitende Schlagzeug, das durch überproduzierten Bass empfindlich an der Atmosphäre nagt. Dieser Mangel kann auch durch die etwas uninspirierte Melodie-Line nicht ausgeglichen werden, und so legt das Album mit dem Opener einen denkbar schlechten Start hin.

Der nächste Track ist das oben erwähnte „Magic“, das geradezu für eine Auskoppelung prädestiniert scheint, obwohl es im Albumkontext wesentlich besser funktioniert als isoliert. Hier zeigen sich COLDPLAY eingängiger und erinnern mit dem Chorus an die Hits aus dem Vorgänger „Mylo Xyloto“. Wenn man mal über den elektronischen Sound hinwegkommt, überzeugt „Magic“ dann doch durch eine gut gelungene Spannungskurve, aber auch hier kann man sich dem Eindruck nicht erwehren, dass COLDPLAY unter ihren Möglichkeiten zurückbleiben.

Mit aufkeimender Enttäuschung hört man also weiter. „Ink“ hatte einige interessante Ansätze, aber leider kommt der Refrain nicht wirklich über die „Hat-was-Schwelle“ hinweg, dafür geht das Konzept der computergenerierten Drums hier optimal auf, der Beat ist angenehm unkonventionell und unterstützt die anderen Instrumente, anstatt sie zu behindern. Beim nächsten Song „True Love“ dagegen wirkt er wieder fast schon unverschämt einfach gehalten. Das stört hier aber irgendwie gar nicht, denn an dieser Stelle erblühen COLDPLAY endlich wieder zu alter Größe: Chris Martin läuft mit seiner tranceartigen, sehnsuchtsvoll seufzenden Stimme zur Bestform auf und bei dem wunderschönen Gitarrensolo gegen Ende, muss sich wohl jeder Fan verstohlen die Tränen wegwischen. Plötzlich sind COLDPLAY wieder die vier Studenten aus London, die zusammen einfach nur bezaubernde Musik über das Leben und die Liebe schreiben wollen. Dieser kurze Moment geht aber leider viel zu schnell vorbei.

Der Rest von „Ghost Stories“ erreicht den Hörer Emotional bei weitem nicht mehr so, wie „True Love“. Mit „Midnight“ versuchen sich COLDPLAY an Deep-House-Einflüssen. Das steht ihnen zwar überraschend gut zu Gesicht, aber ist definitiv nicht das, was das Album noch gebraucht hätte. Ebenso verhält es sich mit dem Ambient-artigen „Oceans“, das mit seiner Monotonie eher langweilt. Fast schon eine Erlösung ist dann die nächste Single aus dem Album, „A Sky Full Of Stars“, die nochmal mit neuer Energie und gut geschriebenen Keys einen Höhepunkt markiert. Nach hinten nerven dann wieder die elektrischen Drums, die den Song mit ihrem 08/15-Vierviertel-Takt zwar zu einem perfekt tanzbaren, aber auch etwas biederen Erlebnis machen. Trotzdem begeistert das Lied mit der tollen Botschaft „You’re a sky full of stars“. Wenn das nicht mal ein Kompliment ist.

Auf „O“ klingt das Album dann mit verträumt-entspannten Tönen aus und hinterlässt einen nicht völlig vergraulten, aber dennoch unbefriedigten COLDPLAY-Fan.

Fazit also? Zunächst sollte man der Band für den Mut Respekt zollen, nicht ein neues „Mylo Xyloto“ geschrieben zu haben. Denn mit solchen eingängigen Hits hätte die Band sicher einen größeren internationalen Erfolg gehabt. Bei ihren Experimenten hat sie sich allerdings meiner Meinung nach ziemlich verzettelt. Am Ende ist es dann sogar weniger der elektronische Sound, der das Werk verdirbt, sondern das häufig zu unsichere und orientierungslose Songwriting. COLDPLAY versuchen sich auf der einen Seite an Ambient und dem Erschaffen von träumerischen Klangwelten, liefern aber gleichzeitig pflichtbewusst noch ein paar Pop-Hits mit. Doch selbst wenn einen dieses ungare „Konzept“ nicht stört, so bietet das Album dennoch viel zu wenige Highlights oder Überraschungen, wie etwa den Gastauftritt der gar nicht so prinzessinenhaften Prinzessin aus China, Rihanna, auf „Mylo Xyloto“. Das Album ist zwar immer noch weit davon entfernt schlecht zu sein, für die derzeit erfolgreichste Band der Welt ist es aber einfach eine schwache Leistung.

Wertung: 6.5 / 10

Publiziert am von Tobias Schultz

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