Review Deadsoul Tribe – A Lullaby For The Devil

„Nur ein kleines Problemchen sollte der ehemalige Walzertänzer noch in den Griff kriegen: Seine musikalische Ausdrucksweise ist zwar ungemein prägnant und einzigartig, vom Stil und Sound her betrachtet aber auch recht eingeschränkt. Nach 47 Minuten bin ich schon mehr als gesättigt. Und da es noch drei andere Alben mit ähnlicher Musik gibt, rate ich auch hier wieder: Einnahme in geringen Dosen empfohlen. Bei Übersättigung fragen sie ihren zuständigen Plattenladen oder Metal1.Info!“

Dieses Fazit zum letzten DEADSOUL TRIBE-Album „The Dead Word“ muss sich Devon Graves bei der Kreation des neuen Longplayers „A Lullaby For The Devil“ sehr zu Herzen genommen haben: Das neue Werk ist unverkennbar aus der Feder vom Ex-Psychotic Waltz-Sängers, dennoch weht ein frischer Wind und eine Experimentierfreude durch das Material, die es so auf noch keinem DEADSOUL TRIBE-Release gegeben hat. Graves hat sich von dem eigenwilligen, aber mittlerweile recht eintönigen Tribal-Metal der letzten drei Platten gelöst, arbeitet nun wieder wesentlich progressiver und fortschrittlicher. In 53 Minuten und zehn Tracks bringt er von Industrial, über Thrash Metal, Folk, Klassik, Gothic und Prog so ziemlich alles unter, was in seinen geheimnisvollen, düsteren Sound passt.

Nach dem mit toolartigem Bass beginnenden, leicht verqueren und kranken Opener „Psychosphere“, der vor allem durch den arg verzehrten Gesang auffällt, fährt man mit dem 8 ½-minütigen „Goodbye City Life“ das progressivste Stück seit dem Beginn von DEADSOUL TRIBE auf. In diesem Song werden so ziemlich alle Einflüsse der ganzen Platte verarbeitet. Da gibt es epochale Orchesterklänge, flirrende Gitarrenwände, Pianofiguren, Akustikgitarren, wunderschöne Flötenpassagen und betörenden ruhigen Gesang. Schön, dass Devon Graves von diesem auf dem neuen Album öfters Gebrauch macht. Der härtere Gesamtsound ist wohl das erste, was einem beim Hören der neuen Platte auffällt. Die rockigen Tracks sind noch eine Spur aggressiver als auch den Vorgängern, das wird auch durch wesentlich aggressiveren und brutaleren, oftmals verzehrten Gesang erreicht. Was ich noch vergessen habe: Es gibt auf „A Lullaby For The Devil“ sogar Soloparts, demzufolge auch so etwas wie ausführliche Gitarrensoli. Danke, Herr Graves! Mit dem nachfolgenden „Here Come The Pigs“ kommt ein Heavy-Song mit düsteren Sprechgesang auf uns zu, der Graves an Rob Zombie erinnert. Nett! „Lost In You“ erinnert mich dann am ehesten an ältere Tracks, ist recht straight mit einer hypnotisierenden Gitarrenwand und atmosphärischem Gesang hinter Piano- und Synthsphären. Toller Refrain! Das eintönige, ewig gleiche Tribal-Ethno-Getrommel von Drummer Adel Moustafa, das vor allem live negativ auffällt, gehört ebenfalls der Vergangenheit an. Auch er agiert vielseitig, versiert und immer passend zum Song.

„A Stairway To Nowhere“ ist mein zweiter Anspieltipp nach „Goodbye City Life“: Ein Midtempo-Track, der beinahe schon New Artrock sein könnte, aber mit geilen Riffs aufwartet und wieder einmal das bringt, was mir auf den Vorgängern irgendwann fehlte: Atmosphäre, Tiefe, Anspruch, echte Emotionen. Super Song. Das Instrumental „The Gossamer Strand“ wirkt mit seinen anfangs beinahe zu süßlichen Flötenmelodien glatt etwas arg untypisch, ist aber im Prinzip nichts anderes als einfach ein großartiges kompositorisches Meisterwerk. Mit „Any Sign At All“ kommt ein bisschen der Tribal-Metal und der Tool-Bass zurück. Auch eine eher typische Nummer. „Fear“ beginnt mit Akustikgitarre und beinahe verklärter Romantik, präsentiert einen wieder einmal fantastisch agierenden Sänger, der hier in leichten 70er-Wolken schwebt. Eine schöne Ballade mit absolut ohrwurmigen Melodien und toller Instrumentierung. Hammondorgel, ein elegisches Gitarrensolo, Progballaden-Herz, was willst du mehr? Das wieder ziemlich harte „Further Down“ ist mit nur drei Minuten Spielzeit die kürzeste Nummer des Albums, bevor ein Piano uns zum letzten Song des Album, gleichzeitig auch das Titelstück, führt. Nochmal eine gelungene Nummer, die sich bezogen auf alle hier versammelten Songs qualitativ etwa in der Mitte einordnet.

Songwriting und Spannungsaufbau des Albums kann man nur als sehr gelungen bezeichnen. Alte Fans werden nicht enttäuscht sein, Prog-Fans finden auf der Platte so viele Anreize, wie seit dem Ableben von Psychotic Waltz nicht mehr. Schön ist auch das Artwork geworden, das genau mit den gegensätzlichen Farben zu dem Cover von „The Dead Word“ arbeitet.

Doch es gibt einen Haken, der für mich den Genuss des Albums mächtig schmälert: Die Produktion, für die sich Devon Graves nach eigenen Aussagen drei Monate Zeit nahm, ist leider nicht gerade optimal ausgefallen. Bereits beim Opener „Psychosphere“ fällt auf, dass Gitarren und Schlagzeugspuren viel zu weit im Hintergrund sind und zudem ziemlich dumpf rüberkommen. Es klingt beinahe wie ein MP3 mit schlechter Qualität, wenn man es etwas übertrieben darstellt. Sollte das ein gewollter Effekt sein, so sage ich: Bitteschön, aber mir gefällt es überhaupt nicht. Je weiter man ins Album einsteigt, desto weniger achtet man auf die schlechte Produktion, aber wehe man hört danach eine richtig produzierte Scheibe. Der Musik wird so Tiefe, Brillanz und Atmosphäre genommen. Ich komme deshalb nicht umhin, einer eigentlich grandiosen 9-Punkte-Platte dafür einen ganzen Bewertungspunkt abzuziehen. Schade!

Bei der ersten Pressung des Albums gibt es übrigens einen Multimedia Part mit vier akustischen Live-Tracks, darunter zwei von Psychotic Waltz.

Wertung: 8 / 10

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