Review Forndom – Faþir

Im Gegensatz zu verhältnismäßig jungen Musikrichtungen wie Post-Rock, deren Kernmerkmale nicht nur kompositorische, sondern auch produktionstechnische Aspekte umfassen, verdingt man sich im Folk auch heute noch hauptsächlich mit simplem, eingängigem und üblicherweise rein akustischem Liedgut ohne trickreiche Effekthascherei. Obwohl etwa in die raumfüllende Produktion von „Dauðra Dura“ offenkundig viel Arbeit geflossen ist, lebt das 2016 veröffentlichte Debüt des schwedischen Nordic-Folk-Projekts FORNDOM vor allem von seiner urtümlichen, organischen Instrumentierung. Mit dem Nachfolgewerk „Faþir“, das sich thematisch um den natürlichen Kreislauf von Leben und Tod dreht, beschreitet der Einzelmusiker Ludwig Swård nunmehr jedoch neue Wege.

Anstatt klar voneinander abgegrenzte, auf unkomplizierten Akustikgitarrenakkorden basierende Einzelstücke aneinanderzureihen, hat FORNDOM mit „Faþir“ einen ganzheitlichen, ununterbrochenen Klangfluss geschaffen, der sich in nahezu gleichem Maße aus bodenständigem, skandinavischem Folk und sphärisch gleitendem Ambient speist. Die sieben Stücke gleichen einander weitestgehend insofern, als FORNDOM darin mithilfe von schwermütigem, hymnischem Gesang, flächigen Streicherarrangements und getragenen, beinahe meditativen Perkussionen in Form eines Zusammenspiels aus Trommeln, Schellen und Rasseln eine durchgehend zwischen bitterer Wehmut und archaischer Erhabenheit rangierende Stimmung heraufbeschwört, die der Platte eine Aura essenzieller Bedeutsamkeit verleiht.

Bis auf den Umstand, dass in manchen der Tracks vollkommen auf den Einsatz von Stimmen verzichtet wird („Finnmarken“), unterscheiden sich die einzelnen Kompositionen kaum merklich voneinander. Sie nehmen auch keine unerwarteten Wendungen, sondern strömen geradlinig vorwärts, stets über das Flussbett einer einzelnen Melodie, die den jeweiligen Song hindurch immer wieder repetiert wird. FORNDOM aus diesem Grund eine gewisse Eintönigkeit, die in den Ohren mancher womöglich sogar die Grenze zur Langweiligkeit überschreitet, anzulasten, wäre folglich eine durchaus vertretbare Einschätzung.

Dass man „Faþir“ jedoch keineswegs unweigerlich so sehen muss, ergibt sich nicht nur aus der eindrucksvollen Atmosphäre der Platte, sondern auch aus ihrem unfassbar vielschichtigen Sound, durch welchen die Streicher kalt und wellenartig und die Perkussionen natürlich und füllig klingen. Einem zu langatmigen Hörerlebnis beugt FORNDOM zudem schon allein durch die kompakte Spielzeit von etwa 36 Minuten vor.

„Faþir“ mag nicht das spannendste Folk-Album des Jahres sein – mit seiner in Richtung Ambient schielenden Struktur ist es jedoch sicherlich eine der konsistentesten und ungewöhnlichsten Veröffentlichungen, die man aktuell in jenem Genre vorfindet. Manchen Hörern, die lebhaftere und griffigere Akustik-Stücke vorziehen, dürfte die Musik des Schweden wohl ein wenig zu unspektakulär erscheinen – eine Ansicht, die durchaus ihre Berechtigung hat. Dennoch besteht kein Zweifel daran, dass es FORNDOM gelungen ist, mit seiner zweiten LP etwas Zeitloses und Substantielles zu schaffen, das tiefgründiger ist, als es sein bescheidener Aufbau vermuten lässt. Wer sich gerne für eine halbe Stunde aus der physischen Welt zurückziehen und in Gedanken schwelgen will, bekommt von FORNDOM mit „Faþir“ den passenden Soundtrack dafür beigestellt.

YouTube

Mit dem Laden des Videos akzeptieren Sie die Datenschutzerklärung von YouTube.
Mehr erfahren

Video laden

Wertung: 7.5 / 10

Publiziert am von

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert