Review Hel – Orloeg (Re-Release)

Schon vor der Jahrtausendwende erschien HELs „Orloeg“ und wusste vielerorts zu begeistern und zu faszinieren. Nun, anno 2006, entschied man sich, angesichts der Veröffentlichung von „Falland Vörandi“ und dem damit zusammenhängenden Erfolg nehme ich an, für eine Nachpressung des Werkes. Man kann nur sagen, dass, bei der regelrechten Überflutung an Neu-Veröffentlichungen, Nach-Digitalisierungen und Überarbeitungen, mit „Orloeg 2006“ endlich mal eine Zweitpressung als wirklich gelungen und sinnvoll zu bezeichnen ist. So versucht man dem geneigten Hörer sowohl akustisch als auch visuell, wirklich etwas zu bieten. Der Klang wurde komplett überarbeitet, was nicht unbedingt jedem gefallen wird, da so ein wenig die „urige“ Atmosphäre des Ursprungs-Werkes verloren geht, aber auf jeden Fall professioneller und „mächtiger“ klingt und dem heutigen Schaffens-Stadium HELs angemessen erscheint. Als Krönung des ganzen Schaffens, finden sich auf der Scheibe eine HELsche Interpretation von At the Gates’s „Windows“ und eine Ehrerbietung an Bathory’s Epos „Through Blood by Thunder“. Auch das Beiheft erfuhr eine Runderneuerung und erhielt ein einheitliches Farbschema mit sehr schönen Zeichnungen, teils aus der Feder nun ähnlich dem Stil von „Falland Vörandi“, sehr schönen Zeichnungen, teils aus der Feder Baldrs, ähnlich dem Stil bei „Falland Vörandi“. Soweit zur Renaissance. Da sicherlich einige weder das Original, noch die mir vorliegende Version kennen, habe ich mich entschlossen, das Album als komplettes Werk zu besprechen und nicht nur im Hinblick auf die Neuerungen.

Eines vorweg – Die Lüdenscheider haben 1999 ein Debüt vorgelegt, wie es sich sicherlich so manche Formation wünschen würde. Trotz der, mangels fehlender Alternativen, gewählten Bezeichnung „Viking / Pagan Metal“ wird diese Titulierung dem Album keineswegs gerecht. Hier findet man nämlich zu keiner Sekunde etwas von dem, was derzeitig alles unter dem Begriff „Pagan“ zusammengeharkt wird. So ist „Orloeg“ weder fröhlicher Bierzelt-Metal mit Schunkel-Pflicht, noch Freizeitheiden-Lagerfeuermusik mit künstlich aufgesetzter Odin-Thematik – es ist vielmehr ehrlich, emotional, poetisch und birgt einfach eine gewisse Magie in sich. Dies beweist schon das erste Stück, eine Eigeninterpretation des Erlkönigs von Johann Wolfgang v. Goethe. Alleine die Tatsache, dass HEL sich dieses Werkes annehmen, spricht für den künstlerischen Anspruch, der auf „Orloeg“ herrscht. Wie sie dieses wundervolle Gedicht musikalisch jedoch umgesetzt haben, finde ich schier großartig. Die Hauptthemen, die abwechselnd zu Worte kommen, passen stets zur vermittelten Stimmung des Poems und durch den rollenverteilten Gesang, sowie das Flüstern des „Erlkönigs“ wirkt dieses Stück unglaublich atmosphärisch und intensiv. Hiermit ist den Herren schlicht eine Glanzleistung gelungen. Die restliche musikalische Färbung auf dem Album pendelt irgendwo zwischen monumental-mächtig und gefühlvoll-träumerisch und spielt irgendwo zwischen Black Metal, traditionellen Tönen und etwas ganz Eigenem, was sich in kaum eine Schublade zwängen lassen wird. Die Melodien lassen den Hörer träumen, eintauchen, die Musik fühlen und betten den abwechselnd klaren und krächzenden Gesang wunderbar in das Gesamtkonzept ein. Ebenfalls hervorheben möchte ich das dritte Stück, „Wunden“. Auch wenn der Charakter dieses Liedes fast schon gothische Züge trägt, ist es doch weit davon entfernt „Dark Metal“ oder gar „Gothic“ genannt zu werden. Das melancholische Klavierspiel, dazu die kraftvollen Gitarren und der Erzählgesang Baldrs erschaffen eine weiche, romantische Atmosphäre, die jedoch fern von jeglichem Kitsch oder Pseudo-Romantik steht. Das ist genau das, was ich zuvor mit „ehrlich“ gemeint habe, „Orloeg“ ist eine Art ungeschliffener Diamant, mit rauer Schale, jedoch tief im innern glasklaren, reinen Kern. Durch das ganze Album hindurch laden HEL den Zuhörer auf eine Reise durch ihre ganz eigene Welt voller Geschichten und wunderbarer Melodien ein und man folgt dem Ruf nur zu gerne. Textlich befassen sich die beiden Skalden mit Themen aus der nordischen Mythologie, aus dem heidnischen Weltverständnis, sowie manch sprachlichem Bild, dessen Bedeutung sich auf den ersten Blick nicht erschließen mag, wenn man sie jedoch zu deuten weiß… das mag jeder bitte selbst herausfinden.

Was bleibt mir also noch zu sagen – wer damals die „Orloeg“ verpasst hat, sollte spätestens jetzt zugreifen und sich von dieser Ausnahmeformation entführen lassen. HEL sind weit davon entfernt „Pagan“ zu sein und wohl doch die einzige „Pagan“-Formation Deutschlands. „Orloeg“ jedenfalls ist vertonte Magie.
(Hendrik Brinkmann)

Wertung: 9 / 10

Geschrieben am 6. April 2013 von Metal1.info

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