Review Incrave – Dead End

In Edsbyn, Schweden, raufte sich Anno 2000 der Sechser Evergrace zusammen, um fortan die Welt um ihren melodischen, melancholischen Power Metal zu bereichern. Lustig. Denn schon 1995 taten in Götheborg, Schweden, Evergrey so ziemlich dasselbe. Da das auf Dauer für einige Verwirrung sorgen kann (die Namen der Bands sind ja nun so unähnlich nicht), beschlossen Evergrace dann 2007 sich umzubenennen. INCRAVE sprang dabei raus und so heißt die immer noch recht junge Band (Durchschnittsalter laut Promozettel 22 Jahre… die waren ja bei der Gründung alle noch grün hinter den Ohren) jetzt schon seit zwei Releases.

Der zweite davon ist heute Dreh- und Angelpunkt unserer Aufmerksamkeit und er hört auf den klangvollen Namen „Dead End“. Ja, Sackgasse. Will der Albentitel da irgendwie was andeuten? Hm, mal schauen. Von den Promofotos grinsen uns jedenfalls sechs nette junge Männer an, die auf mich den Eindruck einer 08/15-Metalcore-Band (kurzhaarig) machen, die gerade Akercockes Kleiderschränke geplündert hat (Anzugträger). Kurios.

Nicht so kurios ist hingegen die Musik, die auf „Dead End“ geboten wird. Gespielt wird eher innovationsarmer Power Metal, wie er auf älteren Kamelot-Alben, oder aber auch bei den Kollegen von Evergrey (da sind se wieder) geboten wird. Hin und wieder auch ein paar Kopfnicker Richtung Dream Evil und Morgana Lefay… Eigentlich nichts, was man nicht schon mal irgendwo gehört hat, möchte man da sagen.

Aber: INCRAVE machen ihre Sache gut. Die Songs mögen absolut null Innovationen bieten, aber sie sind handwerklich sauber, gut druckvoll und zugleich transparten produziert und bieten tolle, im Ohr hängen bleibende Mitsing-Refrains. Die Gitarristen feuern ein melodisch melancholisches Riff nach dem anderen ab, die ziemlich stark an die „Dark Discovery“ von Evergrey angelehnt zu sein scheinen, Schlagzeuger Davidsson bollert sich technisch sehr gut und auch abwechslungsreich durch die Songs und das Keyboard hält sich angenehm zurück, ohne jedoch komplett überflüssig zu werden. So weit haben wir ein nettes Power Metal Album mit ein paar leichten Thrash-Anleihen. Kann das irgend was noch kaputt machen?

Ja, kann. Denn eine Kette ist immer nur so stark wie ihr schwächstes Glied. Und das heißt Johan Falk und steht bei INCRAVE hinterm Mikro. Klar, es kann nicht jeder ein Tom Englund sein, aber… Falk nervt einfach. Ich weiß gar nicht, wie genau ich seine Gesangsleistung in Worte fassen kann. Er bewegt sich nicht in den hohen Sphären der Kastratensänger der direkten Konkurrenz, er ist irgendwo ziemlich direkt darunter angesiedelt. Mittlere Stimmlage, irgendwie quietschig. Und seine intonation dazu, ein ewiges Langziehen der Vokale, wie es im Power Metal so gerne gemacht wird… Das zerrt unheimlich an den Nerven. Ich will dem Mann ja nix böses, aber…

Das tut dann natürlich um so mehr weh, weil die Musik eigentlich richtig gut gefällt. Zwar sind die Reminiszenzen an Evergrey so augenscheinlich, dass man meinen möchte, auf dem (von Necrolord beigesteuerten, übrigens ziemlich coolen) Cover hätte vorher der Name der Götheborger Kollegen gestanden, ehe man INCRAVE drüber pinselte. Aber das ist ja prinzipiell nichts schlechtes, weil Evergrey einfach verdammt coole Musik machen. Falks Gesangseinlage tritt dem Ganzen dann aber im übertragenen Sinne leider mächtig in den Schritt, so dass die 43 Minuten Laufzeit zur Geduldsprobe werden. „Dead End“ ist keine Sackgasse, aber gegen Ende wird’s verdammt eng, muss man sagen… Immer mal wieder ein Liedchen, immer gerne… Aber die ganze CD… Naja, holt euch nen neuen Sänger, Jungs, und wir reden noch mal drüber.

Wertung: 6 / 10

Geschrieben am 6. April 2013 von Metal1.info

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