Review King Crimson – Islands

„Islands“ markiert in gewisser Weise den Schlusspunkt einer ganzen Ära KING CRIMSON. Nach den drei vorangegangenen Alben „In The Court Of The Crimson King“, „In The Wake Of Poseidon“ und „Lizard“ war „Islands“ das letzte Werk mit Texter Peter Sinfield, der im Anschluss von Robert Fripp gebeten wurde, die Band zu verlassen. Auch Pianist Keith Tippett und Saxophonist und Flötist Mel Collins schieden nach Beiträgen auf drei Alben wieder aus. Man sieht, es folgten unruhige Zeiten auf „Islands“ und so stellt dieses das letzte Relikt der in Bezug auf Schlagzeuger und Sänger bzw. Bassisten äußerst austauschfreudigen ersten Phase KING CRIMSONs dar.

Nach dem sehr verqueren, bösartigen„Lizard“ ist „Islands“ das insgesamt ruhigste Werk der 70er Besetzung KING CRIMSONs, hat aber dennoch wenig mit Balladen wie „Cadance And Cascade“ oder „I Talk To The Wind“ zu tun. Vielmehr bekommen viele Songs ihren Stempel von den klassischen Instrumenten der zahlreichen Gastmusiker aufgedrückt und schaffen so wieder einmal einen gänzlich eigenen Klangkosmos, der von den anderen Alben der Band nicht wirklich wieder gestriffen wurde. Simple, repetitive Basslinien bilden die Basis der Songs, um die sich die anderen Instrumente in bisweilen schwer nachvollziehbaren Soli austoben, sich aber immer genug Platz lassen und in sehr angenehmen Sound gebettet sind, sodass „schwer nachvollziehbar“ in diesem Fall nicht „kaum hörbar“ bedeutet (Ausnahmen bilden Fripps arg verzerrte Gitarren in „Sailor’s Tale“). Eher haben die Läufe zur Folge, dass „Islands“ einen gespenstischen Stempel aufgedrückt bekommt, der sich zwischen unheimlich und friedvoll nicht entscheidet. Zusammen mit der zweiten Hauptkomponente des Albums, den ebenfalls meist durch klassische Instrumente getragenen, ahnungsvollen Melodien, die einen asiatischen Touch innehaben, ergibt sich ein faszinierendes Gesamtprodukt.

Wo „Formentera Lady“ mit einem verträumten Boz Burrell sehr entspannt, durch die Melodieführung und den Gesangsbeiträg von Paulina Lucas aber auch schamanistisch-beschwörerisch wirkt, ist „The Sailor’s Tale“ die am offensichtlichsten verfrippte Komposition des Albums, am ehesten noch das, was man „schwierig konsumierbar“ bezeichnen würde, was auf den folgenden KING CRIMSON-Alben dann ja durchaus häufiger vorkommt. „Ladies Of The Road“ steht dagegen ganz weit oben wenn es um die Nennung konventioneller Songs dieser Bands geht: Straighter, wuchtiger Bassgroove, Backgroundgesang von Mel Collins und Ian Wallace, der mich an Queen erinnert, sowie zu Beginn eine äußerst lässig vor sich hin zockende Gitarre. Nicht der absolute Atmosphäre-Hammer, aber durch Komponenten wie das jazzige Saxophon-Solo von Collins trotzdem eine ziemlich coole Nummer, die die beruhigende Sicherheit gibt, dass auch KING CRIMSON mal „normale“ Musik spielen. Nach dem sehr klassischen „Song Of The Gulls“ ist der zwölfminütige Titeltrack dann nochmal eine träumerische, meditative Angelegenheit, die den Bogen zurück zu „Formentera Lady“ vom Alben-Beginn spannt. Wunderschönes Klavier ergänzt sich mit klagenden, gefühlvollen Bläsern und im Hintergrund wummerndem Mellotron zu einem Gesamtprodukt voller melancholischer Leichtigkeit.

Peter Sinfields Texte, zuvor eine absolut unverzichtbare Komponente der surrealen KING CRIMSON-Welt, spielen auf „Islands“ erstmals keine allzu große Rolle. Schuldig daran ist vermutlich, dass die Lyrics sich von der fantastischen, symbolischen (bzw. auf „Lizard“ gänzlich konfusen) Ausrichtung der Vorgänger zu relativ klaren Worten mit klaren Inhalten entwickelt haben. Ob nun der Abschiedsbrief der betrogenen Ehefrau in „The Letters“ oder das Tagebuch über verführte Frauen in „Ladies Of The Road“. Schlecht ist das keineswegs, aber nicht als so einzigartig und magisch wie die Texte von einem Album wie „In The Court Of The Crimson King“ einzustufen.

Dass „Islands“ insgesamt weniger berühmt ist als fast alle anderen KING CRIMSON-Alben, ist vielleicht auf den Umstand zurückzuführen, dass hier großteils auf hochgradig technische Harmonie-Expeditionen und teils äußerst undurchschaubare Improvisationen großteils verzichtet wird. Außerdem lebt „Islands“ wie kaum ein anderes Album von KING CRIMSON davon, dass die Melodien durch nicht unbedingt Rock-typische Instrumente erzeugt werden und die Gitarre sehr zurückgenommen wird. Ein Nachteil ist das aber keineswegs, vielmehr unterstreicht es die Einzigartigkeit des ganzen Albums. Wer auf Action aus ist, lässt „Islands“ lieber im Regal stehen, wer sich aber einfach mal zurücklehnen will ist damit gut beraten. Qualitativ steht es auf Augenhöhe mit seinen Vorgängern, auch wenn es (mal wieder) auf keine Weise vergleichbar ist.

Keine Wertung

Publiziert am von Marius Mutz

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