Review King Crimson – Three Of A Perfect Pair

Das letzte Album der 80er „New Wave“-KING CRIMSON, und doch irgendwie eine Sache für sich, dieses „Three Of A Perfect Pair“. Die Protagonisten dieser Scheibe finden sich zwar auch auf „THRAK“ von Mitte der 90er noch einmal wieder, dort werden sie jedoch von zwei weiteren Musikern ergänzt und schaffen einen äußerst homogenen Spagat zwischen Melodie und Krach, was einen fundamentalen Unterschied zu „Three of A Perfect Pair“ darstellt. Nicht, dass es hier auch nur ansatzweise Krach zu hören gäbe, aber homogen ist diese Platte sicher nicht.Das liegt weniger an der Unfähigkeit der Musiker, ein überzeugendes musikalisches Produkt vorzulegen, sondern schlicht und ergreifend daran, dass „Three Of A Perfect Pair“ als Album mit zwei Seiten konzipiert ist: Die Left Side und die Right Side.

Auf der Left Side findet sich die logische Konsequenz aus der Entwicklung, die die poppige Seite KING CRIMSONS von „Discipline“ zu „Beat“ durchlief: Die Magersucht hat ihr Werk getan, im Sound des Vierers ist keine Essenz mehr vorhanden, kein harter, organischer Kern. Stattdessen gibt es schüchterne Gitarren, die fast vollkommen clean durch die Songs gehen, und selbst Levins Bass wurde die Wucht, die dieser selbst auf „Beat“ in Nummern wie „Neal And Jack And Me“ oder „Heartbeat“ noch ausstrahlte vollkommen entzogen – er ist noch da, aber er wird, bedingt durch die Produktion, gar nicht mehr unmittelbar als Bass wahrgenommen. Insofern schade, dass Levin nun gerade auf dieser Platte wieder deutlich mehr zu tun hat als auf dem Vorgänger.

Den wavigen Popsongs, die vollkommen ohne Experimente auskommen, sondern nur ein schwebendes Gefühl vermitteln (eben frei von Essenz), schadet dies indes nicht. „Man With An Open Heart“, „Model Man“ und vor allem „Three Of A Perfect Pair“ sind wunderschöne Lieder, bei welchen man sich zwar an wirklich gar nichts stoßen kann, die aber eine erhebende, beruhigende Stimmung vermitteln. „Sleepless“ muss da ein bisschen außenvor stehen, kommt es doch mit einer fast Disco-tauglichen Bassline daher und ist abgesehen davon allerdings schon wieder eher das, was man von dieser Crimso-Inkarnation wohl erwartet. Belew singt mit nervöser, zurückhaltender Stimme über eine – wer hätte es gedacht – schaflose Nacht, und zwar in durchaus skurrilen Bildern („Submarines are lurking in my foggy ceiling“), da kehrt die „Beat“-Neurose („Neurotica“) schonmal zurück.

Und dann ist da noch „Nuages (That Which Passes, passes Like Clouds)“, das auf der Left Side eigentlich überhaupt nichts zu suchen hat. Mit den sogenannten Frippertronics, einer Loop-Technik, mit der sich Robert Fripp in der vorhergehenden Ruhephase intensiv beschäftigt hatte, werden Klänge erzeugt, die heute wohl als veraltete Soundscapes bezeichnet werden können. Darüber bekämpfen sich elektronisches Schlagzeug und Bass auf der Einen und die Gitarre auf der anderen Seite hinsichtlich der Stimmung des Songs – während die Gitarre schmeichelnd verhaltene, einschläfernde Klänge anbietet, erzeugen Bass und Schlagzeug ein technoides, paranoides Klangbild. Für welche Seite man sich im Endeffekt auch entscheidet, fest steht, dass dieses Experiment deutlich interessanter ist als vieles, was gerade in den Metal-Bereich gerne als Ambient eingeschmuggelt wird.

Wenn „Nuages“ schon nicht zur Left Side passt, dann bietet es zumindest die perfekte Einstimmung auf die Right Side, die erklärtermaßen die experimentelle Seite dieses Albums darstellen soll. Und „Industry“ bietet genau das – wiederum unter Zuhilfenahme der Frippertronics wird eine maschinelle, düstere Atmosphäre erzeugt, in der der Bass durch bisweilen heftig angerissene Seiten für eine gute Portion Feindlichkeit sorgt, während die Gitarren verschiedene Geräusche von Maschinen nachahmen. Ebenso effektiv wie interessant zum Zuhören, und auf seine Weise nochmal experimenteller als „Discipline“. „Dig Me“ lässt einen dann mal wieder vollkommen ratlos stehen, auf der einen Seite steht ein sehr schöner, gelungener Refrain, auf der anderen ein nervliches Wrack von Belew, das über zerrissener Instrumentierung „Dig Me!“ fordert. SO offensichtlich psychisch überstrapaziert präsentieren sich KING CRIMSON selten. Auch „No Warning“ tut dem keinen Abbruch, es fügen sich (scheinbare) Random-Geräusche zu einem wiederum nervösen Ganzen zusammen. Nachdem einem „Lark’s Tongues In Aspic III“ (eine Fortführung der beiden Songs aus den 70ern, getrimmt auf den aktuellen 80er Sound) zu Beginn mit Fripps Gitarrenarbeit nochmal die Schuhe ausgezogen hat, entwickelt sich der Song zu einem wunderbaren Resümee der Platte, garniert mit – der Songtitel deutet es an – Riff-Einsprengseln aus der vorhergehenden Inarknation. Besonders die stampfenden Elemente machen hier eine Menge Spaß, und zwischendurch werden auch schonmal kurz die typischen Gitarren-Zwischenspiele der „THRAK“-Zeit angedeutet.

Zu den beiden ursprünglichen Seiten wurde inzwischen noch „The Other Side“ hinzugefügt, die nochmal einen sehr netten Bonus mitbringt: Da gibt es einmal Tony Levin, der sich in einem Barber Shop-Song als alle vier Bandmitglieder zugleich ausgibt und KING CRIMSON vorstellt, dann drei „Sleepless“-Remixes, von der die Version Levins wohl noch am brauchbarsten sein dürfte und zuletzt zwei wiederum sehr experimentelle Instrumentals namens „Industrial Zone A“ bzw. „Industrial Zone B“. Die Fortführung von „Industry“, und ebenso faszinierend wie dieses.

So positiv das alles klingen mag muss aber doch gesagt werden, dass „Three Of A Perfect Pair“, wie ich vom aktuellen Standpunkt behaupten würde, das zerfahrenste KING CRIMSON-Album ist sehr unter seiner nicht vorhandenen Konsistenz leidet. Die Gegenüberstellung von Pop- und Experiment-Seite klappt so gut wie überhaupt nicht. Das ist insofern sehr schade, als dass ich die Songs als einzelne Lieder beinahe ausnahmslos in eine Reihe mit dem KING CRIMSON-Standard stellen würde (und wenn man sich die bisherigen Rezensionen durchgelesen hat, sollte man wissen, wo der liegt), aber es macht einfach keinen Spaß das Album am Stück zu hören, es passt einfach hinten und vorne nicht. Diese dritte und letzte 80er Platte ist eine Scheibe, bei der ich, ähnlich wie bei „Beat“, eine Kaufempfehlung aussprechen kann, dennoch sollte man sie als letztes auf die Einkaufsliste sitzen. Neben der Stärke von einzelnen Songs ist bei KING CRIMSON immer auch das Album-Gefühl ein wichtiger Beitrag zur Qualität, und so etwas wird hier, falls es mal für einen Moment aufkommt, gleich wieder vernichtet.

Wertung: 7.5 / 10

Publiziert am von Marius Mutz

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert