Review L’Acéphale – L’Acéphale

  • Label: Eisenwald
  • Veröffentlicht: 2019
  • Spielart: Black Metal

„Acéphale“, zu Deutsch „ohne Haupt“, ist der Name einer 1936 von George Bataille gegründeten, antifaschistischen, antiautoritären und okkulten Geheimgesellschaft. Dass sich die amerikanischen Black-Metaller L‘ACÉPHALE nach ebenjener Organisation benannt haben, lässt vorweg bereits erahnen, dass es sich bei der Musik des ehemals von Mastermind Set Sothis Nox La im Alleingang geführten Projekts um eine spirituelle und ausgesprochen nonkonforme Angelegenheit handelt. Zehn Jahre lang ließ die inzwischen (im Widerspruch zu ihrem Namen) sechsköpfig gewordene Band nur in Form von Splits und Kurzalben von sich hören. Mit ihrer selbstbetitelten dritten Platte machen L‘ACÉPHALE der Zeit des Kleinkrams jedoch endlich ein Ende – und das wie schon auf den ersten beiden Alben im großen Stil: 74 Minuten beansprucht „L‘Acéphale“ für sich, beinahe 20 davon entfallen gar auf einen einzigen Track.

Kompositorische Abwechslung ist bei einer solch opulenten Veröffentlichung freilich das A und O für ein auf voller Länge mitreißendes Hörerlebnis. Selbst mit dieser Erwartung im Kopf wird wohl so manchem Hörer im Verlauf des Albums das eine oder andere Mal ungläubig die Kinnlade herunterklappen. L‘ACÉPHALE mögen in erster Linie Black Metal spielen, schrecken jedoch keineswegs davor zurück, ihre musikalische Ausdrucksweise komplett auf den Kopf zu stellen. So wird die handfeste Black-Metal-Raserei im Opener „Sovereignty“ etwa von einem bedrückenden Akustik-Einschub unterbrochen, in welchem ein obskurer Text in deutscher Sprache vorgetragen wird, ehe L‘ACÉPHALE erneut zu einem mächtigen Angriff in Form von derben Screams, dramatischen Riffs und heftigen Blast-Beats ansetzen.

Auf „In Gloria In Excelsis Mihi“, auf dem ausschließlich nasaler Frauengesang zum Einsatz kommt, und dem von trübsinnigen Männerchören getragenen „Hark! The Battlecry Is Ringing“ legen die Amerikaner ihr Black-Metal-Instrumentarium sogar nahezu gänzlich beiseite und spielen stattdessen bedeutungsschweren Folk. Die zwanzigminütige Abschlussnummer „Winternacht“ setzt dem stilistischen Ringelspiel zuletzt die Krone auf: Nach den ersten verstörend kreischenden, mehrstimmigen Streicherklängen holen L‘ACÉPHALE hier noch einmal alles aus sich heraus, was sie an schwarzmetallischer Erhabenheit und roher Energie aufbringen können und zwischendurch lassen geschmeidige Clean-Gitarren und geheimnisvolle, abermals deutschsprachige Gesänge eine mystische Stimmung aufkommen.

Sogar bezüglich der Produktion weiß man auf „L‘Acéphale“ nie, was einen im nächsten Track erwartet. Die erste Hälfte des Albums über klingen die Instrumente durchwegs kraft- und druckvoll, wie man es von zeitgemäßem Metal gewohnt ist, ab „Last Will“ setzen L‘ACÉPHALE dann phasenweise auf einen stark verzerrten Lo-Fi-Sound, welcher den jeweiligen Parts erstaunlich gut zu Gesicht steht.

Was L‘ACÉPHALE auf ihrem dritten vollumfänglichen Album darbieten, wird gewiss einige Hörer vor den Kopf stoßen. Nicht nur aufgrund seiner exorbitanten Länge ist „L‘Acéphale“ alles andere als eine leicht aufzunehmende Sammlung eingängiger Metal-Hymnen. Vielmehr wagen es die Amerikaner, ihre Songs an alle möglichen Orte zu führen und dort nicht bloß für einen kurzen Alibi-Aufenthalt zu verharren. Manch einer würde L‘ACÉPHALE wohl sogar unterstellen, dass zwischen ihren Songs kein erkennbarer Zusammenhang existiere. Andere werden hingegen sowohl in den ruhigen Akustik-Abschnitten als auch in den rauen Black-Metal-Nummern denselben Grundton erblicken. In jedem Fall ist das, was das Sextett hiermit geschaffen hat, schlichtweg beeindruckend und absolut hörenswert.

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Wertung: 8.5 / 10

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