Review Norma Jean – All Hail

Alle drei Jahre wieder steht eine Veröffentlichung aus dem Hause NORMA JEAN an. So regelmäßig die Releases erscheinen, so konstant ist auch die musikalische Qualität der Amerikaner. Zwar haben sie einen Sound entwickelt, den man dem Mathcore zuordnen könnte, der im Gegensatz zu vielen Kollegen jedoch gleichzeitig unglaublich zugänglich ist. So steht bei NORMA JEAN nicht nur im Vordergrund, möglichst überraschende und komplexe Wendungen aneinanderzureihen, sondern neben allem Chaos stets einem roten Faden zu folgen. Mit „All Hail“ wurde bereits im Oktober 2019 das neunte Studioalbum veröffentlicht, mit dem an die Erfolge des Vorgängers „Polar Similar“ angeknüpft werden soll.

Grundsätzlich könnte man „All Hail“ in zwei Akte aufteilen: Einerseits in die chaotische, wilde erste Hälfte, andererseits in den etwas gesitteteren, eingängigen zweiten Abschnitt. Aber der Reihe nach: In den ersten knapp 25 Minuten brennen die christlichen Metaller ein regelrechtes Rifffeuerwerk ab. Beginnend mit dem kurzen Opener „Orphan Twin“ wird der Hörer mit einer Vielzahl an hektischen, dissonanten Riffs überhäuft, sodass er nicht mehr weiß, wo oben und wo unten ist. Trotz der scheinbaren Willkür der Gitarrenläufe beinhalten die Songs eine unglaubliche Zugänglichkeit. Zurückzuführen ist dies einerseits auf Cory Brandans eindringliche Shouts und Lyrics, andererseits auf die vorhandene Struktur: NORMA JEAN orientieren sich großteils am gängigen Strophe-Refrain-Bridge-Schema und greifen die Riffs immer wieder auf.

So gelingen der Band trotz aller Hektik mit „Safety Last“ und „Landslide Defeater“ Hits mit regelrechtem Ohrwurmpotential. Gerade auf zweiterem bietet die Band einen Querschnitt durch das Album: So vereint es die hektischen Mathcore-Elemente mit geradlinigen Metalcore-Riffs und den im zweiten Abschnitt verstärkt eingesetzten melodischen und atmosphärischen Phasen. Auch mit dem vermehrt eingesetzten Clean-Gesang kreiert Sänger Cory Brandan clever eingearbeitete Singalongs und fügt dem bekannten NORMA-JEAN-Sound somit noch ein weiteres Element hinzu.

Wurden die angesprochenen Singalongs in der ersten Hälfte bereits vereinzelt eingesetzt, können sie sich im zweiten Teil des Albums in Zusammenspiel mit der melodischeren Gitarrenarbeit komplett entfalten. So bilden die nur durch ein kurzes Zwischenspiel getrennten „Translational“ und „If [Loss] Then [Leader]“ den emotionalen Höhepunkt von „All Hail“. Ersteres überrascht mit unverzerrten, auf Atmosphäre bedachten Gitarren in der Strophe, bevor im Refrain sowohl gesanglich als auch instrumental die gesamte Energie auf den Hörer losgelassen wird. Zweiterer ist zwar der musikalisch simpelste Song der Platte, weiß mit dieser Einfachheit jedoch voll und ganz zu überzeugen, denn der Fokus liegt hier klar auf den phänomenalen Vocals.

Neben den herausgehobenen Songs ließe sich jedoch auch zu den anderen Tracks mehr als genug sagen. So stehen auch das balladeske „Careen“ oder das schnelle, geradlinige „Trace Levels Of Dystopia“ für sich und fügen dem Album weitere Facetten hinzu. Was NORMA JEAN insgesamt auf „ All Hail“ bieten, ist nahe an der Perfektion: Der Aufbau des Albums ist wunderbar gelungen, die Produktion ist äußerst fett und klar, ohne dabei die für die Musik essentiellen Ecken und Kanten vermissen zu lassen und das Songwriting ist ohnehin über jeden Zweifel erhaben. So ist „All Hail“ definitiv eins der ganz großen Genre-Highlights des vergangenen Jahres.

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Wertung: 9.5 / 10

Publiziert am von Silas Dietrich

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