Review Oceansize – Self Preserved While The Bodies Float Up

Einen Sinn für’s Besondere – ja, das haben sie. Ihr Debütwerk „Effloresce“ war ein reizüberflutendes Monstrum aus ungestümem Alternativ Rock, verschrobenem New Artrock und poetischer Atmosphäre. Die Band war damals jung, dynamisch und fest entschlossen, musikalische Grenzen zu sprengen. Seitdem sind sieben Jahre vergangen, in denen OCEANSIZE ihren Stil mit „Everyone Into Position“ (2005) weiterentwickelten, um dann mit „Frames“ (2007) ein sagenhaft reifes, vielschichtiges und auch ziemlich verkopftes drittes Album vorzulegen.

Ich kann mich noch gut erinnern, wie ich beim sich extrem langsam entwickelnden Opener jenes Albums, „Commemorative T-shirt“, völlig gebannt vor den Boxen saß, jede noch so leise neue Spur sehnsüchtig erwartend. Der Einstieg in den neuen OCEANSIZE-Silberling, der den nicht gerade kurzen Titel „Self Preserved While The Bodies Float Up“ trägt, ist ein wenig ruppiger geraten:

Tief gestimmte, bös‘ riffende Gitarren und ein desillusioniert-eintöniger Mike Vennart begrüßen uns im äußerst kompakten Eröffnungsstück „Part Cardiac“ – einer Nummer, die selbst für die oft melancholisch-turbulente Musik der fünf Herren erstaunlich dunkel geraten ist. Das sich anschließende „SuperImposer“ gibt sich weniger stoisch, klingt schon eher nach typischen OCEANSIZE und rockt gut ab. Mit „Build Us A Rocket Then“ steht dann das erste richtige Highlight ins Haus: Lauter Beginn, spannende Wendung und die gewohnt meisterlichen Gesangsmelodien sorgen für musikalische Glückseligkeit in ihrer reinsten Form. „Oscar Acceptance Speech“ setzt dann eher auf die epische Schiene, die die Band ja seit jeher sehr gut zu bedienen weiß. Mit beinahe neun Minuten Spielzeit ist es eine von zwei langen Nummern auf einem Album, das für OCEANSIZE-Verhältnisse ungewöhnlich kompakt geschnürt ist. Acht der zehn neuen Stücke bewegen sich zwischen drei bis fünf Minuten, wobei drei Tracks sogar nicht einmal die Vier-Minuten-Grenze erreichen. Im Vergleich zu anderen Longtrack-Großtaten wie etwa „Women Who Love Men Who Love Drugs“ vom Erstling steckt in „Oscar Acceptance Speech“ aber erstaunlich viel heiße Luft, die in einen nicht nur sprichwörtlichen Himmel voller Geigen aufsteigt.

Von da an nimmt Album Nummer 4 eine erstaunliche Wendung: Nach dem sehr druckvollen Beginn nimmt die Band das Tempo unerwarteterweise völlig raus, lediglich „It’s My Tail And I’ll Chase It If I Want To“ kommt noch einmal enorm energetisch daher. Ohne dies musiktheoretisch untermauern zu können, würde ich behaupten „Self Preserved While The Bodies Float Up“ ist wesentlich weniger komplex und leichter zu konsumieren als der Vorgänger, ohne das wir auf typische OCEANSIZE-Zutaten wie elegisch-perlende Gitarrenlinien, vertrackte Rhythmen, spannende Gesangsarrangements und die heiß geliebte Portion Seelenheil verzichten müssten.

Insofern ist das Album ganz hervorragend für Neulinge geeignet, die die Gruppe kennenlernen möchten. Es klingt gewohnt erstklassig und ist wie alle bisherigen Platten von Mike Vennart & Co. mit einem einzigartigen Artwork ausgestattet. Ich komme aber nicht umhin, ganz klar und deutlich zu sagen, dass die bisherigen Werke der Engländer irgendwie spannender waren und größer wirkten. Falsch gemacht haben die Jungs nichts und schlecht ist hier schon gar nichts. Vielleicht beginnt das Album etwas zu harsch, sodass der überwiegend ruhige Rest der CD etwas unter diesem Eindruck leidet. Vielleicht ist nach vier Alben aber auch einfach der Sinn für’s Besondere – um mal den Bogen zum Beginn der Rezension zu spannen – verloren gegangen. Vielleicht hat man sich als Hörer an diesen Sound gewöhnt, und vielleicht arbeitet und reproduziert sich die Band zwar gekonnt, aber routiniert und eben ohne die nötige Leidenschaft?

OCEANSIZE aus Großbritannien verzaubern. Nicht mehr ganz so wie einst, aber immer noch nachdrücklich genug.

Wertung: 8 / 10

Publiziert am von

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert