Review Oslo Tapes – ØR

(Shoegaze / Krautrock / Psychedelic Rock) Obwohl das Verreisen in entfernte Länder im Hinblick auf unseren ökologischen Fußabdruck zunehmend einen bitteren Beigeschmack bekommt, lässt sich nicht leugnen, dass es spannend ist, andere Kulturen kennenzulernen. Diese Erfahrung hat wohl auch der italienische Musiker Marco Campitelli gemacht, den ein Aufenthalt in Norwegens Hauptstadt dazu inspiriert hat, in den frühen 2010er Jahren die Band OSLO TAPES zu gründen. Deren drittes Album nennt sich „ØR“, was sich in etwa mit „verwirrend“ oder „schwindelerregend“ ins Deutsche übersetzen lässt – ein Titel, der dem darauf zu hörenden, kauzigen Stilmix aus Krautrock, Shoegaze und Psychedelic Rock im Guten wie im Schlechten auf den Leib geschneidert ist.

Auf Bandcamp beschreiben OSLO TAPES und ihr Label die Platte als „fieberhaftes Traumbild imaginärer norwegischer Hochebenen, gemalt in kubistischen Formen“. Tatsächlich klingt „ØR“ nicht wie eine Vertonung realer Sinneseindrücke, sondern vielmehr wie ein surrealer Trip durch eine farbenfrohe Fantasiewelt. Hier gibt es weder ein rational durchstrukturiertes Auf und Ab von Strophe, Refrain und Bridge noch eingängige Hooks oder eindeutig ausformulierte Botschaften.

Wie ein ausschweifender Gedankenstrom fließen die über weite Strecken instrumentalen Tracks in hypnotischer Monotonie dahin. Man hört Gitarren brummen und dröhnen, manchmal plätschern sie unverzerrt und federleicht vor sich hin („Kosmik Feels“) und weltentrückte, rauschende Synthesizer und Soundeffekte verschiedenster Couleur sind ihre ständigen Begleiter. An den Drums, die im griffigen „Bodø Dakar“ organischer Tribal-Perkussion weichen, behalten OSLO TAPES meist über ganze Songs hinweg denselben peppigen Rhythmus bei. Gesungen wird nur wenig und annähernd im Flüsterton, manchmal auch in Form eines leisen, nachbearbeiteten Raunens, das im Mix eine eher hintergründige Position einnimmt – zum Beispiel im ominösen „Zenith“.

Die Stimmung, die OSLO TAPES auf „ØR“ herbeiträumen, ist geradezu berauschend – und wie ein Rausch verliert sie leider allzu rasch an Wirkung. Mag der beliebige Aufbau der Stücke in den mäandernden Nummern wie „Exotic Dreams“ recht stimmig wirken, so machen die kräftigeren, vermeintlich ein Ziel ansteuernden Tracks einen unfertigen Eindruck („Obsession Is The Mother Of All“).

Alles in allem ist „ØR“ ein interessantes, vielschichtig produziertes Klanggemisch, das jedoch einen stringenten Plan vermissen lässt. Streckenweise kann man sich im psychedelischen Krautrock-Shoegaze-Mix der Band ganz wunderbar verlieren und treiben lassen („Kosmik Feels“, „Exotic Dreams“). Oft fragt man sich jedoch allzu nüchtern, wann OSLO TAPES endlich von einem bestimmten Motiv ablassen und ihre Musik in spannendere Bahnen lenken. So fällt es leider schwer, OSLO TAPES für ihre freigeistigen Soundkombinationen die ihnen eigentlich zustehende Bewunderung entgegenzubringen.

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Wertung: 6 / 10

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