Nachdem RPWL-Gitarrist Kalle Wallner in den vergangenen Jahren mit seinem Projekt Blind Ego schon zwei Soloausflüge unternommen hat, folgt ihm jetzt sein Bandkollege Chris Postl mit dem ersten eigenen Werk: Für PARZIVALS EYE greift der Bassist neben seinem Hauptinstrument sogar auch in die Tasten, spielt Gitarre und singt.
Auch wenn sich Postl mit Alan Reed (Pallas – Gesang), Christina Booth (Magenta – Gesang), Ian Bairnson (Alan Parsons Project – Gitarre), RPWL-Kollege Yogi Lang (Keyboards) und weiteren Sessionmusikern einige hochkarätige Gäste ins Boot geholt hat – die zwölf Songs von „Fragments“ lassen immer wieder vor allem an zwei Bands denken: Pink Floyd und ihre deutschen Nachfolger RPWL. Schwelgerische Midtempo-Songs mit endlosen getragenen Gitarrensoli, harmoniebeseelten Gesängen und leichtem Popappeal machen eindeutig den Großteil des Albums aus und sind nur durch die die Gesangsauftritte von Alan Reed und Christina Booth nicht direkt RPWL zuzuordnen. Da passt es gut ins Bild, dass das Album mit dem Bonustrack „Another Day“ vom limitierten RPWL-Album „Nine“ beendet wird. Im Detail betrachtet, geht Postl noch behutsamer vor als seine Hauptband: Wo RPWL hin und wieder noch minutenlange Instrumentalparts in ihre Tracks einweben und so zumindest hin und wieder ein paar Progklischees bedienen, lässt sich PARZIVALS EYE in den leisen und andächtigen Momenten durch Nichts aus der Ruhe bringen. Die floydigen Gitarrensoli dürfen aber natürlich nicht fehlen.
Nur an zwei Stellen des Albums wird es ein ganz bisschen lauter: „Signs“ und „Fragments“ folgen direkt aufeinander und sind ohrwurmige, dennoch atmosphärische und moderne Rocknummern mit gelegentlichem, vorsichtigen Riffing, das vermutlich aber sogar Radiopop-Hörer ohne Bauchschmerzen schlucken würden. Von daher ist diese Einordnung hier relativ zum restlichen Songmaterial zu betrachten. Mit „Chicago“ hat sich auch ein Coverstück auf die Platte geschlichen. Dieser Protestsong gegen Amerika stammt ursprünglich vom englischen Singer-Songwriter Graham Nash und wurde von Postl zusammen mit Christina Booth sehr überzeugend neu interpretiert.
Der 13-minütige Opener „Longings End“ startet atmosphärisch und stimmungsvoll in typischer Pink Floyd/RPWL-Manier. Leider hat der Track neben einigen guten Parts (insbesondere dem kurzen, recht treibenden Part mit coolem Riff und Gesangsarrangents ab 9:30 Minuten) aber vor allem einen großen Schwachpunkt: Der mittelmäßige Refrain mag nicht so recht zur Stimmung des übrigen Stückes passen und wird zudem an sehr unpassenden Stellen, teilweise gänzlich ohne Übergang, eingebaut. Somit kann dieser Song nicht wirklich überzeugen. Skippen kann man nach zwei Hördurchgängen auch das Lied „Through Your Mind“. Es hat einfach zu wenig Substanz, um länger interessant zu sein und fällt gegenüber dem restlichen Material deutlich ab.
Highlights hingegen sind „Where Have Your Flowers Gone“ (wunderbarer Pop mit tollen Melodien), „Face My Fear“ (mit Neoprog-Gesang von Alan Reed), sowie das grandiose, lyrisch-verträumte „Skylights“. Hier wird Postls Liebe zu den späten Prog-Genesis („A Trick Of The Tail“) deutlich: Mellotron, romantische akustische Gitarre, zeitloser Gesang, unendlich getragene Arrangements. Super Stück!
Gäbe es RPWL nicht, so wäre „Fragments“ ein wirklich toller Erstling einer spannenden Combo. Vor dem Hintergrund, dass Postls Stammband aber doch sehr ähnliche Musik macht, finde ich es beinahe etwas schade, dass er sich stilistisch nicht mehr von ihr gelöst hat. Sein Kollege Kalle Wallner hat dies mit Blind Ego immerhin in Teilen geschafft. Doch böse sein kann man dem RPWL-Bassisten nicht: „Ich konnte nicht einfach irgendwas spielen, nur um Geld zu verdienen. Ich liebe diese Art von Musik und fühle mich wohl in ihr“. Das die Musik aus dem Herzen kommt, ist doch schließlich das Wichtigste, oder?
Ergo: RPWL-Freunde werden das Album lieben, RPWL-Hasser machen besser gleich einen großen Bogen darum. Unterhaltsam und solide.
Wertung: 7 / 10