Review Rainer Landfermann – Mein Wort in deiner Dunkelheit

Mit „Dictus Te Necare“ veröffentlichten die Dark-Metaller Bethlehem 1993 einen Klassiker des Genres. Dessen Erfolg geht nicht zuletzt auf Rainer Landfermann zurück, der die Band mit seinem komplett verrückten Gesang auf ein neues Level hob. Die Zusammenarbeit mit Bethlehem-Boss Bartsch ging jedoch nicht lange gut: Nach nur einem Jahr und einen Album war dieses Kapitel wieder geschlossen und Landfermann widmete sich wieder ganz seiner Rolle als Bassist bei der Technical-Death-Metal-Band Pavor.

So ganz scheint die Faszination für düstere Känge Landfermann jedoch nie losgelassen zu haben – und so kehrte er 25 Jahre später nochmal zu seinen Wurzeln zurück. Unter dem schlichten Projektnamen RAINER LANDFERMANN veröffentlichte der Bonner 2019 ein überaus bemerkenswertes Soloalbum: „Mein Wort in deiner Dunkelheit“. Der am Bass überaus versierte Landfermann ist dabei an den Saiteninstrumenten, aber natürlich auch am Mikrophon zu hören. Und wie schon der Albumtitel klingt auch die Musik ein wenig – aber eben nicht ganz – nach Bethlehem.

In erster Linie ist das natürlich Landfermanns komplett krankem Gesang zuzuschreiben, der sich seit damals nicht nennenswert „normalisiert“ hat: Wilde Schreie, bösartiges Raunen und verstörendes Gejaule wechseln sich hier völlig vorhersehbar ab; wer da nicht direkt kopfschüttelnd das Weite sucht, kann von dieser Gesangsleistung eigentlich nur angetan sein. Bethlehem-Fans dürften von diesem Detail jedenfalls begeistert sein.

Doch „Mein Wort in deiner Dunkelheit“ ist eben kein Bethlehem-Album – was zum einen daran liegt, dass Landfermann über ein beeindruckendes Talent an allen Instrumenten verfügt, zum anderen aber auch daran, dass Landfermann keineswegs nur düsteren Metal machen will. Vielmehr enthält „Mein Wort in deiner Dunkelheit“ neben Dark Metal („Wir fehlen alle“) oder Black Metal („Schneller als Sehnsucht, größer als Eins“) immer wieder vertrackte, fast jazzige Passagen und eine Unzahl an Details und Gimmicks: Hier ein behende gespieltes Basssolo, da ein launiges Piano, dort ein pathetischer Chor – und wenn im Stück „Vertieft“ Elektronika zum proggy Riffing stoßen, ist man stilistisch eher bei Pestilence zu „Spheres“-Zeiten angekommen denn im Black/Dark Metal.

Spätestens mit dem jazzigen „Intuition“ ist LANDFERMANN von Bethlehem stilistisch dann so weit weg wie nur irgend möglich. Dem Puristen mag es missfallen – wer avatngardistischen, extravagant arrangierten Klängen mit gehörigem Nerd-Faktor jedoch nicht abgeneigt ist, könnte in „Mein Wort in deiner Dunkelheit“ ein neues Lieblingsalbum finden. Denn gerade diese stilistische Bandbreite macht „Mein Wort in deiner Dunkelheit“ so spannend: Denn bei allen kompositorischen und technischen Finessen räumt LANDERFERMANN immer wieder auch fiesen, rohen Passagen Raum ein – ohne, dass diese wie Fremdkörper wirken. Im Gegenteil: Gerade durch die progressiven Parts wirken die fiesen noch viel fieser.

Auch abseits der Musik hat „Mein Wort in deiner Dunkelheit“ im Übrigen viel zu bieten: Wer sich gegen einen schnöden Download (7 € auf Bandcamp) und für die auf 500 Stück limitierte (und handnummerierte) Digibook-Edition entscheidet, bekommt für 30 € ein extrem stilvolles Deluxe-Artbook mit Prägedruck und Fotos der russischen Ballett-Fotografin Daria Chenikova zu jedem der zehn Songs. Spätestens in dieser liebevollen Aufmachung zeigt sich, dass „Mein Wort in deiner Dunkelheit“ ein Album ist, das von Herzen kommt und mit Herzblut bis ins letzte Detail der Musik wie auch des Digibooks inszeniert wurde. In schnelllebigen Zeiten mit massenweise halbgaren Releases verdient das besonderen Respekt.

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Wertung: 9 / 10

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