In Japan ticken die schwermetallenen Uhren seit jeher etwas anders: Bands, die in Europa oder Übersee bestenfalls mittlere Bekanntheit erreichen, werden dort oft als die heißesten Eisen der Szene gehandelt. Und obschon das Land der aufgehenden Sonne eine ziemlich aktive Szene hat, bekommt man außerhalb seiner Grenzen kaum etwas davon mit. Und doch haben Legenden wie Loudness und Anthem längst bewiesen, dass auch Japan Metal von weltweiter Bedeutung kann, und mit Formationen wie Satanica und Coven Japan ist für den nötigen Nachwuchs gesorgt. Zu dem gehören auch Risingfall aus Tokyo, die mit „Rise Or Fall“ nach zwei EPs ihr erstes Album vorlegen.
Zunächst gerieren sich RISINGFALL auf „Rise Or Fall“ als ziemlich rabiate Speed-Metal-Band, denn sowohl das eröffnende „Kamikaze“ als auch das nachfolgende „English Motor Biker“ sind urtypisch thrashende Uptempo-Songs im Stile früher Exciter. Allerdings deutet sich bei letzterem Song bereits an, wen die Truppe sonst noch als Vorbild betrachtet, denn die Nummer wirkt dank edelster Old-School-Riffs wie die aufgepumpte Version eines frühen Saxon-Songs. Und genau hier liegt die größte Stärke dieser Platte: RISINGFALL machen keinerlei Hehl aus ihren Inspirationsquellen und haben so eine Liebeserklärung an den traditionellen Metal geschaffen.
Und die Herzen der Truppe schlagen besonders laut für die NWOBHM: Nach dem eröffnenden Riff-Gewitter überzeugt die Band in Songs wie „Dancing In The Fire“, „Risingfall“ oder „Master Of The Metal“ gleichermaßen durch geballte Riffmacht wie durch hymnische Refrains und Gänsehaut-Melodien. Dabei verneigen sich RISINGFALL nie tiefer vor ihren britischen Idolen als in „Rock Fantasy“, das dank tanzbarer Shuffle-Rhythmik in Tateineinheit mit pathoslastigen Gesangslinien auf charmanteste Weise an „Lady Of Mars“ von der NWOBHM-Legende Dark Star erinnert – einen derart authentischen Song gibt es vermutlich von keiner anderen heutigen Underground-Band.
Größter Schwachpunkt von „Rise Or Fall“ ist der Gesang von Frontmann George Ito, der die Texte erstens in reichlich japanisch eingefärbtem Englisch vorträgt und zweitens hier und da etwas daneben liegt. Andererseits hat das aber auch Charakter und passt hervorragend zum rohen Gesamteindruck dieser Platte. Obendrein beweisen RISINGFALL auf ihrem ersten Album durchweg ein enormes Talent für effektives Songwriting und punkten neben bockstarken Riffs insbesondere mit starken Leadgitarren, deren Fokus vor allem auf Melodie und Nachvollziehbarkeit liegt.
Mit „Rise Or Fall“ liefern RISINGFALL nicht weniger als eines der ehrlichsten und glaubwürdigsten Underground-Alben der letzten Jahre ab: Die Band aus Tokyo vereint in ihrem Sound diverse traditionelle Metal-Spielarten und vermittelt dank einer energetischen und an Spielfreude kaum zu überbietenden Performance in jedem Ton ihre aufrichtige Liebe zu jener Musik. Dass der Gesang hier und da verbesserungswürdig ist und für die Produktion der Scheibe wohl nur ein kleineres Budget zur Verfügung stand, ist dabei in keiner Weise störend. Vielmehr unterstreicht das den Eindruck authentischer Handarbeit – Perfektion kann eben ganz schön langweilig sein.
Wertung: 9 / 10