Review Sportfreunde Stiller – Die gute Seite

  • Label: Universal
  • Veröffentlicht: 2002
  • Spielart: Rock

Die geballte Zuschauermenge ist nach der langen Abstinenz unglaublich gespannt auf das kommende Spiel. Und da erfolgt auch schon der Anpfiff mit einem Lied, dessen Titel einer Frage entspricht, die sich viele Stiller-Fans bestimmt schon gestellt haben: „Wie lange sollen wir noch warten?“ Mit Sicherheit ein sehr gelungener Auftakt für diese CD, da das Lied sich auf jeden Fall mit den alten Klassikern der Jungs messen kann. „Komm schon“ setzt den positiven Eindruck nahtlos fort und ist zu Recht die 2. Singleauskopplung, die es dank passender Ohrwurmmelodie vielleicht sogar zu einem Sommerhit 2002 bringen kann. Direkt danach folgt eben das Lied, über das ich wohl nichts mehr zu schreiben brauche, wenn man mein Vorwort gelesen hat: „Ein Kompliment“ – und für dieses Stück verdienen die 3 mehr als nur ein simples Lob, denn obwohl sich an dieser CD insgesamt die Geister scheiden, bekam diese Nummer durchweg die besten Kritiken. Wie der Titel schon sagt, geht es darum, die Liebe für einen Menschen in Worte zu fassen und ihm glaubhaft zu versichern, dass er das Größte für einen ist. Als Mittel dazu werden originelle, lustige und wunderschöne Vergleiche angestellt, wie z. B. „die Schaumkrone der Woge der Begeisterung“ oder „so wertvoll, daß man es sich gerne aufspart und so schön, daß man nie darauf verzichten mag“. Die Melodie geht sofort ins Fleisch und Blut über. Der kraftvolle, schnelle Refrain bildet das perfekte Gegengewicht zu den ruhigen Strophen, während Musik und Text herrlich miteinander harmonieren. Im Grunde handelt es sich um ein klassisches Liebeslied, indem man sich selbst dem anderen öffnet und hofft, diese Gefühle erwidert zu bekommen, wobei diese Aussage nie mit Klischees oder Kitsch bedacht wird, sondern auf ganz neue Art und Weise zum Ausdruck kommt. Nach diesem sehr frühen Höhepunkt könnte man die nächsten 3 Lieder in der Fußballersprache als „Abtasten“ beider Mannschaften bezeichnen. Strafraumszenen bleiben Mangelware, doch die Menge ist keinesfalls gelangweilt. Solider Durchschnitt eben, aus dem man aber wirklich mehr hätte machen können. Auch das hymnenartige „Auf der guten Seite“ konnte mich nicht vom Hocker hauen, wobei es insgesamt doch noch am erträglichsten ist. Hier merkt man leider besonders deutlich, dass die Stimme von Peter doch etwas eingeschränkt ist, wobei dies zum Großteil geschickt kaschiert wird. Für diese kurze Durststrecke wird man jedoch mit dem nächsten Lied entschädigt: „International“ ist wieder einer der Höhepunkte auf der Scheibe, da die Sportfreunde hier in Form von Politik auch ein Thema anschneiden, das man von ihnen so gar nicht gewohnt ist. Dieses Lied wendet sich grundsätzlich gegen Grenzen im menschlichen Leben und Denken und fordert Weltoffenheit in allen Bereichen. Mit Sicherheit eine Gedanke, mit dem sich viele identifizieren können. „7 Tage 7 Nächte“ ist mein persönlicher Geheimtipp auf dieser CD. Der Text beschreibt eine intensive Kurzbeziehung, die allerdings genauso schnell wieder vorbei ist, wie sie angefangen hat. Als nächstes folgt nun der 3. Höhepunkt mit „Tage wie dieser“, einer faszinierenden Liebeserklärung für gute und schlechte Zeiten. Text und Melodie sind hier wieder besonders gelungen. In diesem Lied geht es um eine Beziehung, die sich gerade in der Krise befindet. Der Grund dafür ist, dass die Schmetterlinge im Bauch vom Anfang Vergangenheit sind und eine gewisse Normalität in den Beziehungsalltag eintritt. Doch das „Liebeslicht“ übersteht diese Zeiten, auch wenn gewisse Zweifel bleiben und man sich selbst die Frage stellt, ob es so weitergehen kann oder ob nur die Hoffnung als letztes stirbt. „Der Fortschritt“ ist musikalisch mit Sicherheit kein Lichtblick, stimmt aber dank der Aussage über den zu schnell vorangehenden Fortschritt, der die Menschen überfordert, nachdenklich, da man überall leicht erkennen kann, wie wahr dieser Gedanke ist.. Trotzdem muss man sagen, dass bereits hier die Qualität etwas leidet und dann mit „10:1“ weiter bergab geht. Dieses Lied könnte man praktisch als Eigentor bezeichnen, da der Text auch von einem pubertierenden 12-jährigen Jungen stammen könnte und auch die Musik so gar nicht die Qualität der restlichen CD erreicht. Vielleicht sehen die Jungs dies im Nachhinein selbst so und werten das 11. Lied als Anschlusstreffer für den Gegner. Sie hätten auf alle Fälle jeden Grund dazu. „Hurra, wir fliegen“ kann man leider auch nicht als gelungenen Abschluss bezeichnen. Zum Glück muss man dieses Lied nur weiterlaufen lassen, um noch einmal wirklich etwas von der CD zu haben. „Chiffre“ wird im Stile einer Kontaktanzeige präsentiert, bei der die besten, und nicht nur die guten, Seiten dargestellt werden. Der Einsamkeit soll endgültig ein Ende gesetzt werden. Mit dieser Vorstellung stellt man einige Anforderungen an den zukünftigen Traumpartner und hofft auf großes Interesse in der Bevölkerung. Musikalisch wird dies alles sehr einfach gehalten, wobei der Text, der wirklich aus einer Kontaktanzeige stammen könnte, einen zumindest beim 1. Mal Hören zum Schmunzeln bringt.

Oft wird den Sportfreunden vorgeworfen, dass ihre Texte zu wenig politisch sind und sie inzwischen mehr auf Kommerz aus seien. Der zunehmende Bekanntheitsgrad des bayerischen Trios lässt sich allerdings alleine durch den durchschlagenden Erfolg von „Ein Kompliment“ nicht verhindern und außerdem war es nie im Sinne der Jungs, mit ihren Texten politische Akzente zu setzen, wobei diese sogar ansatzweise zu erkennen sind. Wer diese Platte jedoch als das sieht, was sie ist, nämlich Gute-Laune Rock mit teilweise geringer inhaltlicher Botschaft, wird bestens bedient. Alle alten Fans der Sportfreunde werden „Die gute Seite“ mit Sicherheit zu schätzen wissen. Alle anderen sollten ihre Erwartungen entsprechend anpassen und nicht allein auf Grund der Lyrics vorschnell urteilen. Positiv sollte man zusammenfassend noch den sportfreundetypischen Synthesizersound erwähnen, der besser denn je klingt. Der Sprachwitz der Texte ist nach wie vor ungeschlagen und vor allem Fans der Band werden eben dieses zu schätzen wissen. Alle anderen empfehle ich sich von guten bis sehr melodischen Rocksongs mitreißen zu lassen und die wenigen Lückenfüller großzügig zu übersehen.

Wertung: 8.5 / 10

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