Review Thessera – Fooled Eyes

Wenn wir an anspruchsvollen Metal aus Brasilien denken, so sollte uns in erster Linie der Name Angra einfallen. Sie schaffen es wie kaum eine andere Band, unkitschigen, progressiven Powermetal zu spielen, der zudem mit brasilianischen Einflüssen gespickt ist. Eine weitere Band aus dieser Gegend macht nun auf sich aufmerksam: THESSERA sind eine junge Progressive Metal-Band, die ihr Debütalbum „Fooled Eyes“ im März 2006 veröffentlicht haben. Bereits im Mai hatten sie einen Plattenvertrag mit dem aufstrebenden amerikanischen Label Progrock Records in der Tasche. Nun ist der erste Longplayer der Band auch hierzulande problemlos zu erwerben. Und aus einer unbekannten Kapelle könnte ganz schnell ein Geheimtipp für die Proggemeinde werden!

Denn die Jungs haben sich mit ihrem Debütalbum eine ganze Menge vorgenommen. Nicht nur, dass das Album mit einer Spielzeit von 63 Minuten bei nur neun Songs reichlich Material enthält. Die Band schöpft aus den Vollen und erzählt schon auf ihrem allerersten Album eine komplexe Geschichte – und muss sich damit praktisch automatisch an Genremeisterwerken wie „Scences From A Memory“ von Dream Theater oder „The Perfect Element“ von Pain Of Salvation messen. Zu allem Überfluss hat man alles in ein fantastisches Artwork gepackt, das Booklet ist voll von schönen Illustrationen, die die Story unterstützen. Lediglich das Cover finde ich etwas wild und nichtssagend.

Aber nun mal zum Eingemachten: „Fooled Eyes“ dreht sich um denn jungen Andrew, der gerade seine Verlobung mit seiner Freundin Jeanne feiert, als er ohnmächtig wird und vor seinem inneren Auge die wichtigsten Stationen in einer Art geistiger Reise noch einmal durchlebt. Gegen Ende der Party wacht er auf, erzählt seinem Freund von seinem Albtraum. Und die Geschichte nimmt ihren Lauf…
Die Story des Konzeptalbums mag wenig neu oder überragend sein, aber darum soll es hier gar nicht mal gehen. Vielmehr muss man anmerken, dass die sechs Jungs es ganz hervorragend schaffen, die Konzeptatmosphäre in der Musik einzufangen. Man agiert äußerst vielschichtig, gibt sich nicht mit typischem Progmetal-Einheitsbrei zufrieden, schiebt öfters auch mal (unkitschige !!) Klassikpassagen, Fusion, Blues und brasilianische Rhythmen ein. Das gibt ein abwechslungsreiches Klangbild, dass die Story optimal unterstützt. Kurze Dialogpassagen, die etwas unprofessionell rüberkommen, verknüpfen weiterhin den Zusammenhang. Mit „The Gallery“, „Inverse“ und „Heaven’s Gate“ gibt es drei Songs um die Zehn-Minuten-Marke. Was Atmosphäre und Stimmung angeht, ist man Genrekönigen wie Dream Theater bereits mindestens gleichwertig. Die gelungene Vertonung von Emotionen in all ihrer Vielfalt – Wut, Verzweiflung, Trauer – erinnert vor allem an Pain Of Salvation. Der Gesang von Marcelo Quina orientiert sich in den emotionalen Momenten an den waaghalsigen Vokalakrobatiken eines Daniel Gildenlöw von eben jener Band. THESSERA schaffen es tatsächlich, Pain Of Salvation als Vorbild aufzunehmen, aber dennoch einen sehr eignen, melodischeren Sound zu präsentieren. Die Stimme von Quina eignet sich auch als schlichtes Rockorgan hervorragend und umschifft unkoordinierte Höheflüge, wie die eines James LaBrie in alten Tagen, geschickt.

„Fooled Eyes“ ist über seine gesamte Spieldauer unterhaltsam, spannend und packend. Natürlich gibt es vor allem im Bereich Produktion und Keyboardsounds noch Verbesserungsmöglichkeiten. Letztendlich ist es aber kein Wunder, dass THESSERA so schnell ein Label gefunden haben. Ihr erstes Album ist einfach eine sehr runde Sache, die offenbart, dass wir mit den Jungs in Zukunft stark zu rechnen haben. Härte, Epik, Melodien, Instrumentalabfahrten – alles bewegt sich bereits jetzt auf überdurchschnittlichem Niveau. Songs wie „The Gallery“ und „Broken Psyches“ (Pain Of Salvation-Fans, hört her!) sind durch und durch gelungen und ein Anspieltipp, den kein gefühlvoller Progmetaller auslassen sollte.

Wertung: 7.5 / 10

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