Konzertbericht: Tanzt! 2013

30.11.2013 Backstage, München

Auf die große Bühne geht es für das TANZT!-Festival bei der insgesamt siebten Auflage und dem zweiten Mal in München. Mit dem Backstage Werk ist die Veranstaltung erstmals in einer Location gebucht, die eine vierstellige Besuchermenge fasst. Mit Bands wie FEUERSCHWANZ, VROUDENSPIL und TROLL BENDS FIR liegt der Fokus 2013 eindeutig auf dem Partyfaktor der mittelalterlichen Unterhaltungsmusik. Und der Plan geht auf.

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Den Anfang macht die Memminger/Münchner-Combo VERMALEDEYT. Diese eröffnen das TANZT! 2013 mit einer Mischung aus traditionellen Melodien und Folkrock. Letzteren stellten die sieben Musiker erstmals auf ihrem neuen Album „SaltaNeo“ vor, welches stilistisch einen klaren Bruch in der Bandvita markiert. Im Live-Gewand klingen die Songs wie „Tanzt!“ deutlich weniger poppig, sondern viel eher mittelalter-rockig und verbinden sich mit markterprobtem Liedgut wie dem französischen „Son Ar Sistre“ oder „Le Maître De La Maison“ zu einem mehr als gelungenen Gebräu. Im Hinblick auf Publikumsinteraktion merkt man den jungen Musikern ihre Markterfahrung an, so dass bereits zu vorgerückter Stunde ordentlich Bewegung vor der Bühne herrscht. Unter dem Strich spielen VERMALEDEYT einen mehr als guten Openerspot, der musikalisch sogar einen Platz weiter hinten im Billing gerechtfertigt hätte.

SONY DSCSetlist VERMALEDEYT:
01. Intro
02. Tanzt!
03. Le Maítre De La Maison
04. Lytha
05. Madre Deus
06. Totus Floreo
07. Albanischer Tanz
08. Son Ar Sistre
09. Feuer und Flamme

 

 

 

 

Denn besonders im Vergleich zu Vermaledeyt können die Newcomer UN(D)SCHULDIG bei ihrem TANZT!-Debüt nicht überzeugen. Bandgründer Dominik Pawlat aka Dominor der Filigrane dürfte einigen älteren Folkfans noch als Mitglied von Saltatio Mortis ein Begriff sein. Nach seinem Ausstieg bei den Totentänzern trat er erst als Dudelsackbauer für Vroudenspil in Erscheinung, bevor er mit UN(D)SCHULDIG ein neues Projekt aus dem Boden stampfte. Dieses steckt allerdings sowohl musikalisch als auch von der Präsentation noch spürbar in den Kinderschuhen. Weder die Inszenierung noch die mittelalterlichen Melodien erreichen den Level von Vermaledeyt. So ebbt die Stimmung spürbar ab und erholt sich während des Gigs nur sehr spärlich. Als Opener wären UN(D)SCHULDIG an diesem Abend deutlich besser platziert gewesen. Letztendlich wirkt der Auftritt insgesamt unglücklich.

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Setlist UN(D)SCHULDIG:
01. Nur ein Schritt
02. Aurore Sand
03. Auf der Flucht
04. Johnny Bembel
05. Mein Glück
06. Äthertanz
07. Fremde Schuhe
08. Sie lodert
09. Mc Merseburger

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Mit den ungarischen DALRIADA ändert sich bereits beim ersten Takt die musikalische Gangart von „Tanzt!“ zu „Bangt!“ (englisch ausgesprochen). Die ersten Mähnen kreisen im Zuschauerraum und das TANZT! feiert die wohl härteste Band des Billings, die trotz allem unglaublich melodisch ums Eck geschossen kommt. Vor zwei Jahren waren die Folk Metaller, damals unterstützt von der Fajkusz Band, als TANZT!-Headliner in Kufstein zu sehen. Und seitdem haben Sängerin Laura Binder und ihre Mitmusiker weiter an sich gearbeitet:
Mit „Napisten Harva“ erschien das vielleicht bis dato beste DALRIADA-Album und man merkt der gesamten Kapelle sofort an, wieviel Lust sie auf diesen Gig hat. Sound, Publikumsinteraktion und Lichtshow stimmen von Anfang an und so spürt auch München schnell, warum die Ungarn in ihrer Heimat zu echten Stars zählen. Das Sängerduo bestehend aus Laura und ihrem männlichen Gegenpart András Fizcek singt ausschließlich in seiner Muttersprache, doch mit druckvollen Gitarren, Keyboards und Schlagzeug untermalt spricht die Musik für sich – auch ohne Texte. Überraschenderweise präsentieren DALRIADA ihre Ansagen in beinahe astreinem Deutsch, während im Publikum ungarische Flaggen geschwenkt werden. Individuelle Highlights sucht man in diesem Set vergebens, doch als Gesamtpaket sind die Ungarn in ihrem Genre schwerlich zu toppen.

Setlist DALRIADA:
01. Saltarello
02. Napom, fényes napom
03. Kinizsi mulatsága
04. Borivók éneke
05. Dudás
06. Hajdútánc

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Ebenfalls neu beim TANZT! sind die Nordlichter VOGELFREY. Waschechter Folkmetal aus Deutschland, melodiös untermalt und charismatisch vorgetragen, sorgt weiter für kreisende Mähnen in der Halle, nachdem sich die Metalheads in der kurzen Umbaupause gerade von Dalriada erholt hatten. “Zwölf Schritte zum Schritt” haben die Nordlichter ihr letztes Werk getauft, welches sie in München nebst einigen bandinternen Klassikern vorstellen. Sowohl die frischen Stücke wie auch die älteren Lieder erweisen sich dabei als ungemein festivaltauglich. Mit insgesamt zwei Alben und einer Demo haben die Musiker rund um Sänger Jannik keine Mühe, ihre einstündige Spielzeit ansprechend zu füllen. Der Fronter verkauft sich selbst und seine Musik dabei extrem lebhaft, während Cello und Geige die Härte der Gitarren und des Schlagzeugs ausgleichen. Genau wie bei Dalriada stimmt die Mischung aus Show und Musik, so dass der norddeutsche Pakt der Geächteten auf seinem persönlichen „Ball der Gehängten“ regen Zulauf verzeichnen kann. „Der Tusch!“ als kleines Augenzwinkern vor dem Zugabenblock beweist wiederum, dass VOGELFREY sich selbst auch mit dem nötigen Humor nehmen. Da darf bei „Feenfleisch“ schließlich auch eine Barbiepuppe mit Kunstblut massakriert werden.

Setlist VOGELFREY:SONY DSC
01. Düsterpflicht
02. Ball der Gehängten
03. Galgenvogel
04. Waffenbruder
05. 6 Vaganten
06. Schuld ist nur der Met
07. Der Tusch!
08. Feenfleisch
09. Heldentod

 

 

 

 

SONY DSCNachdem ihr Auftritt beim TANZT! 2012 nach einem Comeback schrie, kehren die russischen TROLL BENDS FIR bereits dieses Jahr nach München zurück. Wie bei Dalriada wenig zuvor bleiben zwar die meisten Textbausteine fernab von “Bier” (in “Beer Mantra”) und “Oktoberfest” (im gleichnamigen Song) ein in diesem Fall russisches Geheimnis, doch mit Hilfe von kunterbunt und schwungvoll arrangierter Geige, Gitarre und Schlagzeug gelingt es dem Quartett nach leichten Auftaktschwierigkeiten, für bierseelige Feierlaune zu sorgen – und diese konstant aufrecht zu erhalten, wenngleich nicht ganz auf dem Level des Vorjahres. Der Folk-Rock-Humppa-Metal funktioniert und im Gegensatz zu Eläkeläiset oder Korpiklaani haben TROLL BENDS FIR im Laufe des Auftritts wenig mit mangelndem Abwechslungsreichtum kämpfen. Die finnisch-russischen Kompositionen sind sowohl nüchtern als auch mit ein bis drei Bier im Blut gleichermaßen überzeugend. Dazu gesellt sich mit „Bierleichen“ erstmals sogar ein deutscher Text, der für viel Kauderwelsch und vereinzelte Lacher gut ist. Doch egal, ob auf Deutsch, Russisch oder Finnisch, der Alkoholgenuss kann gleichsam erfolgreich und euphorisch ohne jede Textbotschaft besungen werden. Nicht zuletzt durch einen überaus charismatischen und stimmgewaltigen Troll am Mikro (und vereinzelt am Krug), der wahlweise durch Jetras Stimme bzw. ihr Flötenspiel ergänzt wird. Mit drei Alben und einer EP im Gepäck müssen die Osteuropäer den Vergleich zu vielen bekannteren und gleichzeitig in die Jahre gekommenen Szenegrößen keinesfalls scheuen. Nach dem TANZT! 2012 sowie dem Festival Mediaval 2010 sind für Troll und Co. in Deutschland aller guten Dinge drei. Wer sich von der eigenwilligen Optik des Vierers täuschen lässt, urteilt vorschnell.

Setlist TROLL BENDS FIR:
01. Fir Root
02. Foe of Mine
03. St. Patrick’s Day
04. Catch a Salmon!
05. Hoplnir
06. Earth Circle
07. Bierleichen
08. Beer Cell
09. Hopheart

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Nicht erst seit 2012, sondern seit vielen Jahren erleben die süddeutschen Freibeuter VROUDENSPIL auf dem TANZT! ihre erfolgreichsten Eroberungsfahrten: Mit einer gesunden Mischung aus Folk, Ska und Rock (sowie neuerdings auch Samba) avanciert das Seefahrerseptett bei seinem Haus- und Hoffestival in der Heimat erwartungsgemäß schnell zu den Publikumslieblingen des Abends. Das neue VROUDENSPIL-Werk trägt den Titel “Pulverdampf” und passt besonders im Live-Kontext mit Songs wie “Stürz den Becher” oder “In der Halle des Dattelschnapskönigs” wunderbar zu den beiden Vorgängern. Gleichzeitig nutzen die Newcomer das TANZT! erneut, um ein Bandmitglied zu verabschieden: Bassistin Jane spielt in München ihr letztes Konzert als Mitglied der Meute toter Narren, nachdem sie bereits im August offiziell ausgeschieden ist. Zu diesem Anlass darf sie sich ein letztes Solo aussuchen und wählt die Melodie von Tetris. Dies wird von den Festivalbesuchern derart gefeiert, dass sie ihre Einlage mehrfach wiederholen muss. Ansonsten gerät ihr Abschied angenehm unaufgeregt und tut der guten Stimmung im Backstage keinen Abbruch, so dass VROUDENSPIL mit ihren Anhängern zum siebten Mal gemeinsam singen, trinken, tanzen und feiern.

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Diesen Ansatz verfolgen FEUERSCHWANZ als offizieller Headliner des Abends konsequent weiter – oder leben es in Form des hörbar angeheiterten Prinz Hodenherz sogar vor. Die mittelalterliche Stimmungsbastion ist in Bayern und Umgebung ein gern gesehener Gast, besonders in der alljährlichen Festivalsaison. In München dauert es ein wenig, bis der folkige Partyexpress mit seinem letzten Album „WalHalliGalli“ ins Rollen kommt, da das Publikum einen ganzen Festivaltag in den Knochen hat und sich beim Opener „Mach dich frei“ zwar gerne den Musikern auf der Bühne anschließen würde, aber ein wenig „durchgefolkt“ wirkt. Doch im Laufe ihres Auftritts haben Hauptmann, Prinz und Co. die Menge fest im Griff, wobei die Franken glücklicherweise auf Bierduschen und andere Eskapaden verzichten. Stattdessen bieten FEUERSCHWANZ eine liveerprobte Bühnenshow rund um das niemals enden wollende Gelage und alles was damit zu tun hat. Zwar kürt Hauptmann Feuerschwanz dieses Mal keine “Geizhälsin” im Publikum, doch dafür hat die Truppe gemäß ihrem Jahresendtourmotto „Der Tod fährt mit“ ihren eigenen Sensenmann am Start, der einerseits durch seine hochwertige Maske überzeugt und andererseits zusammen mit einer einzelnen Mieze für Stimmung sorgt.

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In der Setliste fehlen neben „Geizhals“ zwar weitere Livekracher wie “Symposium” oder “Jungfernkranz”, doch inzwischen besitzen die Süddeutschen genügend Material, um einen Headlinerspot bei einem auf Party getrimmten Festival kurzweilig füllen zu können. Beim TANZT! 2013 treten FEUERSCHWANZ erneut erfolgreich den Beweis an, dass Met und Miezen in fränkischer Reinkultur am besten live und nicht komplett zügellos oder grenzdebil genossen werden. Dann darf’s mittendrin gerne eine Metmaschine sein, vor allem wenn eben jenes Getränk in der Halle bereits ausverkauft ist. Am Ende gesellen sich noch einige Dudelsackspieler von Vermaledeyt und Un(d)schuldig zu FEUERSCHWANZ auf die Bühne und sorgen für einen runden Abschluss des diesjährigen TANZT!. Einzig echter Wermutstropfen des Headliners ist nicht der drohende Metnotstand, sondern der akute Lichtmangel auf der Bühne, unter dem die gesamte Show zu später Stunde leidet. So geht beispielsweise auch die überaus motivierte (und wahrscheinlich gut betankte) Fee aus dem Publikum bei „Wunsch ist Wunsch“ etwas unter.

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Setlist FEUERSCHWANZ:
01. Mach dich frei
02. Wir lieben Dudelsack
03. Johanna
04. Hurra Hurra, die Pest ist
05. Spielmannsträne
06. Met und Miezen
07. Wunsch ist Wunsch
08. Latte
09. Metnotstand im Märchenland
10. Metvernichter
11. Das niemals endende Gelage

 

 

 

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Das TANZT! war 2013 bereit für den nächsten Schritt. Das bewiesen nicht nur die Publikumszahlen, sondern auch die Reaktionen vor Ort. Kein Wunder also, dass es mit der LETZTEN INSTANZ, VROUDENSPIL und NACHTGESCHREI bereits drei Bestätigungen für die Neuauflage 2014 gibt. Diese könnte sich wieder etwas weg vom Partymarathon bewegen. Dass es 2013 erstmals keinen mittelalterlichen Markt gab, fiel nicht weiter ins Gewicht. Für Gewandungskäufe und Schmuckpreisverhandlungen sind andere Gelegenheiten ohne musikalische Dauerbeschallung besser geeignet. Da auch die Umbaupausen zwischen den einzelnen Bands angenehm kurz geraten, sind Zwischenacts wie THE REAL MOTHERFOLKERS und FATZWERK auf einer kleinen Nebenbühne mehr eine nette Dreingabe für das Hardcore-Publikum als eine wirklich notwendige Ergänzung des Festivalprogramms. Auf breite Akzeptanz stießen hingegen die Autogrammstunden mit allen Bands des Abends, welche allerdings auch größtenteils fernab der offiziellen Plauderstunden für ihre Fans greifbar waren. So überzeugt das TANZT! unter dem Strich nicht nur musikalisch. 

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