Interview mit Lukas Kerk von Dawn Of Disease

Mit ihrem vierten Album „Ascension Gate“ konnten die deutschen Melodic-Death-Metaller DAWN OF DISEASE unserer Meinung nach zwar nicht ganz an die Klasse des Vorgängers „Worship The Grave“ anknüpfen, lieferten aber dennoch ein vollauf überzeugendes Brett ab – Grund genug für uns, Gitarrist Lukas Kerk ans Telefon zu bitten und mit ihm die bisherige Bandgeschichte Revue passieren zu lassen, sowie über musikalische Einflüsse, das inhaltliche Konzept der neuen Platte und die weiteren Pläne der Band zu sprechen.

Ihr seid im Melodic Death Metal keineswegs ein unbeschriebenes Blatt, dennoch haben wir von Metal1 bisher nicht mit euch gesprochen – Zeit, das zu ändern. Stell die Band und die Musik doch für unsere Leser, die euch noch nicht kennen sollten, bitte mal vor.
Wir sind DAWN OF DISEASE und kommen aus dem Raum Osnabrück. Uns gibt es offiziell bereits seit 2003, das war aber ein Line-Up, von dem nur noch unser Sänger (Tomasz Wisniewski, Anm. d. Red.) übrig ist, denn zwischendurch hat sich die Band auch mal aufgelöst und sich dann wieder zusammengefunden. Seit etwa 2009 sind wir in komplett neuer Besetzung mit einigen kleinen Wechseln wieder in der Szene mit dabei. Unsere Musik lässt sich beschreiben als melodischer Death Metal, der viele skandinavische Einflüsse hat und wir versuchen, nach unserem Geschmack eine coole Symbiose aus Brutalität und Melodie hinzubekommen, die nebenbei auch noch eingängig ist und dem Hörer im Kopf bleibt.

Da du gerade die vielen skandinavischen Einflüsse angesprochen hast, was sind da so die wichtigsten aus deiner Sicht?
Das ist immer ziemlich schwierig zu beantworten, aber da lassen sich natürlich die ganzen Klassiker nennen wie Entombed, Dismember und die ganzen „alten Schergen“ nenne ich sie mal, aber natürlich auch so Bands wie Bloodbath, Hypocrisy, Vomitory und auch melodische Sachen wie beispielsweise Insomnium, so in der Richtung. Wir hören natürlich alle ganz unterschiedliche Sachen, aber das sind so die Bands, die mir da im ersten Moment einfallen würden.

Du hast auch bereits die Auflösung von 2007 angesprochen, auf die ohnehin meine nächste Frage abzielt. Du selbst warst ja zu der Zeit noch nicht in der Band, aber kannst du vielleicht trotzdem ein bisschen über die Gründe für die frühe Auflösung und die zwei Jahre später erfolgte Neugründung erzählen?
Die ganz detaillierten Gründe für die Auflösung weiß ich nicht genau, aber so wie ich das von unserem Sänger Tomasz mitbekommen habe, waren die Hauptgründe die Besetzungwechsel und Line-Up-Probleme, also dass man ständig neue Leute anlernen musste, dass ständig neue Leute hinzugekommen und andere wieder weggegangen sind. Tomasz als Bandkopf hat sich dann irgendwann dazu entschlossen zu sagen „Ok, wir machen jetzt einen Cut“. Dann gab es zwischendurch eine Band mit einigen DAWN-OF-DISEASE-Mitgliedern, die ein bisschen was gemacht hat, aber das ist auch nie wirklich größer geworden, die haben vielleicht ein paar Auftritte gespielt, aber das war’s. Und dann hat sich Tomasz irgendwann gedacht, „Warum sollen wir nicht einfach DAWN OF DISEASE zurück ins Leben holen?“ Und Matthias Licht, der jetzt seit Kurzem auch wieder unser Schlagzeuger ist, war schon früher Teil des Line-Ups und hat mich dann quasi in die Band reingeholt – wir kommen aus dem selben Ort, Rheine in der Nähe von Osnabrück. So ist dann das neue Line-Up zustande gekommen. Olli (Oliver Kirchner, Gitarrist, Anm. d. Red.) ist dann noch mit dazu gekommen, der jetzt auch noch Teil des Line-Ups ist und so ist das Ganze dann zusammengewachsen, wir haben Material geschrieben und das erste Album aufgenommen. So kam das Eine zum Anderen.

Dann kommen wir konkret auf Musik zu sprechen, genauer gesagt auf euer neues Album „Ascension Gate“. Euer drittes Album „Worship The Grave“ ist ja erst 2016 erschienen, den Nachfolger konntet ihr bereits jetzt zur Verfügung stellen, was ja durchaus nicht bei jeder Band so schnell geht. Worin siehst du die hauptsächlichen Gründe für diese rasche Veröffentlichung?
Ich würde sagen, der eigentliche Grund dafür ist, dass wir zwischenzeitlich eine Pause von fast vier Jahren hatten. 2012 hatten wir „Crypts Of The Unrotten“, das letzte Album vor „Worship The Grave“, herausgebracht und wir waren einfach ziemlich überwältigt davon, dass wir so positive Reaktionen auf „Worship The Grave“ bekommen haben. Es waren wirklich fast durchweg positive Rückmeldungen von Presse, Fans und Bekannten, da haben wir uns gedacht „Ok, lass doch nochmal hinsetzen und Vollgas geben“. Es war natürlich sehr zeitintensiv und teilweise auch ein bisschen stressig, aber wir sind froh, dass es geklappt hat und freuen uns umso mehr, das neue Album in den Händen zu halten.

Positive Reaktionen, gutes Stichwort: Mitunter diese haben ja auch bei „Ascension Gate“ nun dazu geführt, dass die Platte auf Platz 46 in den Albumcharts einsteigen konnte. Erst einmal Glückwunsch hierzu! Was war denn bei dieser Nachricht dein erster Gedanke, was hast du spontan dabei empfunden?
Dankeschön! (lacht) Ich habe mir erstmal gedacht „Das ist total verrückt“. Man sieht ja auch, andere Bands landen auch in den Charts, die natürlich noch ein bisschen größer und bekannter sind als wir, aber wir haben uns gedacht es wäre mal super, dass man seinen Kindern später vielleicht mal erzählen kann „Wir waren auf Platz 99 der deutschen Charts“ oder so. Aber als ich dann erfahren habe, dass es tatsächlich eine Top-50-Platzierung geworden ist, war ich selber doch ein bisschen überwältigt. Ich muss auch sagen, ich find’s einfach nur total super, weil das zeigt, dass gerade in der Metal-Szene noch Leute unterwegs sind, die noch ernsthaft CDs und Schallplatten kaufen. Ich kann mir nicht vorstellen, dass man es heutzutage noch mit irgendeinem Techno-Projekt oder so hinbekommt, eine Chart-Platzierung zu bekommen, die Leute laden einfach alles aus dem Internet runter, wahrscheinlich eher illegal als legal. Und das zeigt einfach, dass die Metal-Szene super aktiv und lebendig ist.

Gehen wir genauer auf den Inhalt der Platte ein. Was ist denn das titelgebende „Ascension Gate“ genau? Was ist die Story hinter dem Song?
In erster Linie fanden wir, dass das Cover, welches Marc Cooper so wie das letzte Cover designt hat, perfekt zu dem Titel passt. Die Geschichte dahinter… das ganze Album an sich, aber auch explizit der Song, beschäftigt sich mit dem Übergang vom Leben zum Tod beziehungsweise auch mit der Zeit dazwischen, nach dem Ableben. Es geht darum, sich Gedanken darüber zu machen, ob es eine jenseitige Welt gibt und wie die Vorstellung davon aussieht. Jeder Mensch hat da eine individuelle Vorstellung. Ob die jetzt religiös verankert ist oder nicht sei mal dahingestellt, aber das ist eine der Hauptinspirationsquellen gewesen für dieses Album, dass man sich nicht einfach nur mit Gemetzel und Tod beschäftigt, sondern auch dieses „weichere“, spirituelle anschneidet und sich mal damit auseinandersetzt und darüber nachdenkt. Vielleicht ist es auch ein kleines bisschen Kritik daran, dass der Tod in unserer heutigen Gesellschaft noch ziemlich tabuisiert wird, dass sich die Leute auch gar nicht damit auseinandersetzen wollen. Man spricht offen über Sexualität und was weiß ich nicht alles, doch über den Tod wird geschwiegen. Wenn jemand stirbt, wird da nicht drüber gesprochen, es wird vielleicht kurz getrauert, aber dann wird das Thema im wahrsten Sinne des Wortes totgeschwiegen. Insofern sagt das Album auch aus, dass man mit der ganzen Thematik ein bisschen offener umgehen sollte, denn ich hab das Gefühl, dass das grade im Metal-Bereich ein bisschen liberaler ist als in der „restlichen Gesellschaft“. Die Kritik ist insgesamt aber eher gering, es geht mehr um die ganzen Vorstellungen.


Würdest du sagen, dass die Songs im einzelnen oder bestimmte Songs des Albums textlich trotz dieses gewissen roten Fadens auch für sich alleine stehen können? Und wenn ja, was sind Beispiele für Themen, mit denen sich die Lieder abgesehen davon befassen?

(Überlegt kurz) „Lucid“ zum Beispiel setzt sich nicht zwingend damit auseinander, sondern beschäftigt sich ein bisschen mit Indoktrination. Damit, dass man Glauben und bestimmte Sichtweisen eingegflößt bekommt, das vielleicht gar nicht merkt und es einem irgendwann mal bewusst wird, dass das, was man die ganze Zeit so gedacht und wie man die Welt gesehen hat vielleicht gar nicht so stimmt, nur weil andere Leute das gesagt oder einen das glauben gemacht haben. Man kann natürlich auch jeden Song für sich einzeln betrachten, es ist nicht so, dass ein Song an den nächsten anknüpft, es ist nur eine Art übergeordnetes Schema. Es ist teilweise auch bewusst so, dass wir jetzt nicht sagen der Song muss jetzt so oder so interpretiert werden. Wir lassen das auch gerne mal ein bisschen offen. Man kann sagen ok, das ist die Sicht der Person, die den Song geschrieben hat, man kann aber auch sagen es ist irgendein x-beliebiges lyrisches Ich, das da gerade spricht. Es ist, was immer man da gerne hineininterpretieren möchte. Wir lassen dem Hörer Interpretationsspielraum, was die ganze Sache finde ich wiederum interessant macht. Denn wenn man direkt schon weiß ok, es geht um das und das geschichtliche Ereignis und es wird alles runtergebetet, dann ist schon von Anfang an alles klar, aber wenn man das in einen freieren Rahmen bringt, dann hat man als Hörer viel mehr Möglichkeiten zu einer eigenen Auslegung.

Zu dem Album erschien ja auch ein Musikvideo zum Song „Akephalos“ – euer erstes Musikvideo überhaupt. Wie würdest du diese neuartige Erfahrung, ein Musikvideo zu drehen, beschreiben?
Es war auf jeden Fall ein sehr cooles Erlebnis. Wir wollten das schon seit Ewigkeiten und haben es jetzt endlich auch mal geschafft, mit Ach und Krach ein Musikvideo zustande zu bringen. Es war einfach eine interessante Erfahrung, eine entspannte Atmosphäre. Wir hatten einen Drehtag und haben glücklicherweise alles in den Kasten bekommen, wir haben uns vorher ein bisschen Gedanken gemacht über die Atmosphäre, wie wir das haben wollen und so was alles. Und ich finde das Ergebnis ist dafür, dass wir nicht eine ganze Woche gedreht haben, ganz akzeptabel geworden. Es ist halt einfach dunkel, es ist Death Metal, es passt zum Song. Und ich denke es ist auch nicht das letzte Musikvideo, das wir gemacht haben.

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Warum habt ihr genau diesen Song gewählt, um ihn mit einem Video zu versehen? Inwiefern hat „Akephalos“ am besten gepasst?
Es hat sich einfach so ergeben. Als ersten Track haben wir „Perimortal“ veröffentlicht. Das ist an sich ein sehr mid-tempo-lastiger, melodischer, eingängiger Song, und um auch mal eine andere Facette des Albums zu beleuchten, nämlich Songs, die Blast-Beats haben und voll auf die zwölf gehen, haben wir „Akephalos“ als zweiten Song veröffentlicht und haben uns gedacht, dass es jetzt vielleicht auch an der Zeit ist, ein Musikvideo zu machen. Wir haben uns dann gedacht schön mit einer dunklen Atmosphäre, die zur Musik passt, Fackeln, alles so ein bisschen mystisch.

Wenn du von „Ascension Gate“ noch einen weiteren Song aussuchen könntest, um ihn mit einem Video zu versehen, welchen würdest du wählen?
Schwierig zu sagen, man muss das natürlich mit den anderen Bandmitgliedern absprechen und nochmal gucken wie das Label das sieht und all sowas. Aber ich würde sagen „Leprous Thoughts“ wäre jetzt meine erste Wahl, der Song ist kurz und knackig, hat viele Elemente des Albums in sich, also schnelle Passagen aber auch mal was Langsameres, hat fast schon einen „Mitsing-Refrain“ und ich hab mir schon mal Gedanken darüber gemacht, dass man dazu in jedem Fall ein cooles Video drehen könnte. Ich denke wenn wir die Zeit dazu finden würden, würden wir das sicherlich auch noch machen, aber momentan sind wir noch damit beschäftigt, Festivals zu spielen und so weiter und da ist das im Moment ein bisschen schwierig. Aber ich denke ausgeschlossen ist es nicht, dass wir eventuell noch ein Video nachschieben.


Schauen wir gegen Ende des Interviews noch ein bisschen in die Zukunft. Du hast ja gerade die Festival-Sache angesprochen, ihr habt ja kürzlich auf Wacken und dem Summer Breeze gespielt. Ist neben diesen Festival-Auftritten vielleicht auch eine Tour in Planung?

Wir sind im Moment ein bisschen am Rumgucken. Dadurch, dass man zur Zeit viel unterwegs ist, ist es immer schwierig, sich mit dem ganzen Booking auseinander zu setzen, wir haben auch schon ein paar Anfragen bekommen für Einzelshows. Es ist von uns allen eigentlich der größte unerfüllte Traum bisher, mal eine Tour zu spielen und wir hoffen einfach darauf, dass es mit dem Album endlich mal klappt. Bisher war es ja leider noch nicht der Fall, weil immer irgendwelche Faktoren da dazwischen gekommen sind, ob es jetzt seitens uns oder der Veranstalter war, es ist immer irgendwie was gewesen. Und lass es nur eine kleine Tour sein, es ist von jedem von uns der Traum, dass wir mal für zwei, drei Wochen oder vielleicht auch für einen Monat oder so auf Tour gehen können. Ich drücke uns selber die Daumen, dass es klappt (lacht). Ich würde mich total darüber freuen, so was als Musiker mal mitgemacht zu haben, es ist einfach eine coole Erfahrung.

Was steht ansonsten auf eurer To-Do-Liste, wir wird es in nächster Zeit mit der Band weitergehen? Gibt es vielleicht sogar schon Ideen für ein nächstes Album – glaubst du, dass wir dieses Mal länger als ein Jahr warten müssen?
(lacht) Ja, ich denke schon, dass es länger als ein Jahr dauern wird, alleine schon weil das vom ganzen Workflow her gar nicht realisierbar ist. Ich denke mal, dass wir uns jetzt erstmal auf die noch kommenden Shows konzentrieren werden, also wir haben ja noch eine Festival-Show auf dem Metallergrillen, dann kommen im Herbst noch ein paar Club-Shows und ich denke nächstes Jahr werden auch noch einige Shows eintrudeln. Wir werden uns dann, wenn es etwas weniger ist mit den Shows, zwischendurch immer mal hinsetzen und an Songs arbeiten. Es sind tatsächlich auch schon ein paar wenige Ideen vorhanden, und man muss einfach mal gucken, sich nochmal zusammensetzen, paar Sachen ausarbeiten und so, aber ich denke, dass wir uns für das nächste Album auf jeden Fall etwas mehr Zeit lassen werden. Es werden wahrscheinlich nicht vier Jahre wie zwischen „Crypts Of The Unrotten“ und „Worship The Grave“, aber ich denke mal, dass wir jetzt das Album erstmal bisschen feiern werden, paar coole Shows spielen und das alles ein bisschen genießen und dann werden wir uns wahrscheinlich mal eine intensivere Phase fürs Songwriting nehmen.

Da sind wir auf jeden Fall schon mal sehr gespannt. Vielen Dank, dass du dir die Zeit genommen hast! Zum Abschluss würde ich gerne noch unser tradtionelles Metal1-Brainstorming machen. Ich gebe dir Begriffe vor und du sagst, was dir so dazu einfällt.
Cradle Of Filth: Schminke.
Game Of Thrones: Noch nie gesehen.
Osnabrück: Vettel.
Arch Enemy: Ganz cool.
Bestes Melodic-Death-Metal-Album: Oh Gott, oh Gott (lacht). Das ist wirklich schwierig. Ich würde spontan fast sagen „Insomnium – Shadows Of The Dying Sun„. Ist noch nicht so lange raus, aber mir gefällt es nach wie vor sehr gut.

Dann überlasse ich die letzten Worte dir. Wenn es irgendetwas gibt, dass du unseren Lesern und euren Hörern gerne noch mitteilen würdest, dann nur zu.

Kommt zu unserer Show wenn ihr Lust habt, ihr werdet es auf jeden Fall nicht bereuen. Und ihr könnt gerne in unser Album reinhören, dürft es auch gerne kaufen wenn ihr Lust dazu habt. Wir sind immer offen für alles, ihr könnt uns bei Shows auch gerne mal ansprechen und treffen und so, wir verstecken uns nicht im Backstage-Bereich, wir kommen auch gerne mal nach vorn und trinken Bierchen mit euch. Wie gesagt, kommt einfach vorbei, wir freuen uns, euch zu sehen.

Publiziert am von Pascal Weber

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