Interview mit C.L. von RÛR

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Mit der selbstbetitelten Debüt-EP seines Soloprojekts RÛR hat der Norweger C.L. 2017 ein starkes erstes Lebenszeichen von sich gegeben, das vor allem Fans von Mare Cognitums spacigem Atmospheric Black Metal ansprechen sollte. Den Re-Release samt zusätzlichem Track als vollwertiges Album über Northern Silence haben wir uns zum Anlass genommen, um mit C.L. über seine Vision für das Projekt, die Notwendigkeit einer eigenen künstlerischen Identität und seine weniger offensichtlichen musikalischen Inspirationen zu sprechen.

RÛR ist dein Soloprojekt, mit dem du seit 2017 Atmospheric Black Metal spielst. Was war der Auslöser oder das Ziel, das dich dieses Projekt gründen ließ?
Ich bin mir nicht ganz sicher, was der Auslöser war. Ich bin schon so lang ein Fan von melodischem und atmosphärischem (Black) Metal und ich denke, ich wollte endlich auch selbst etwas schaffen. Die Idee hatte ich schon lange mit mir herumgetragen, aber vor dem vergangenen Jahr bin ich nie dazu gekommen, offensichtlich. Ein Freund von mir (Daagh, ihr du solltest mal seine neue EP anchecken) hatte ein Projekt, vielleicht hat das ja meinen Enthusiasmus entfacht.

Soweit ich weiß, entstand einiges an Material für deine Songs bereits vor über zehn Jahren. Warum hast du sie erst jetzt verarbeitet?
Ja, einige der Riffs gab es schon 2003, als ich noch ein kurzlebiges Projekt mit einem Freund hatte. Ich denke, wir haben sogar in etwa zehn Songs aufgenommen, aber wir haben mit den Aufnahmen nie etwas angefangen und jetzt sind sie für immer verloren, fürchte ich. Ich glaube, ich habe mich einfach an ein paar der Riffs erinnert und als ich sie etwas überarbeitet habe, passten sie zu der Vision, die ich für RÛR hatte.

Ist RÛR dein erstes Musikprojekt oder konntest du bereits anderweitig Erfahrungen sammeln?
Nein, ich habe über die Jahre in mehreren Bands mitgespielt und bin auch heute noch in einer Band. Bei RÛR wollte ich einfach alles selbst machen. Einfach das tun, was ich wollte – musikalisch, soundtechnisch, optisch, konzeptionell, einfach alles. Ein lang ersehnter Egotrip, sozusagen.

Was findest du persönlich am schwersten daran, ein Musikprojekt ganz auf sich gestellt zu betreiben?
Ich weiß nicht. Um ehrlich zu sein ist es so viel leichter (lacht). Keine Streitereien über Riffs oder Ideen und ich kann auf mich gestellt alles viel schneller machen. Es müssen keine Zeitüläne übereinstimmen oder so. Ich denke, es ist in allen Aspekten einfacher!

Was ist die Bedeutung hinter dem Namen RÛR?
Vielleicht eine etwas enttäuschende Antwort, aber mir gefiel einfach die Art, wie er aussah (ja, aussah, nicht klang)! Es heißt gar nichts.

Als Inspiration für deine Musik nennt dein Label unter anderem Bands wie Paysage d’Hiver, Dissection und Mare Cognitum. Für mich bietet sich der Vergleich vor allem mit letzteren an. Siehst du das auch so?
Ja, da muss ich dir zustimmen. Von diesen dreien klingt RÛR am ehesten wie Mare Cognitum, was jedoch nicht bedeutet, dass es meine Hauptinspiration ist. Obwohl meine Musik nicht wie Paysage d’Hiver klingt, bin ich sehr stark davon inspiriert. Als ich den ersten Song aufnahm, war ich noch näher an Paysage d’Hiver, aber mit der Zeit habe ich den Stil und Sound ein wenig geändert. Ich habe mehr Melodien und Abwechslung in die Riffs und Rhythmen eingebaut und so weiter. Caladan Brood inspirieren mich auch sehr stark, aber meine Musik klingt nicht nach ihnen. Viele Dinge können als Inspiration dienen, eine Band muss aber nicht unbedingt danach klingen. Ich werde ebenso von meinen Träumen und meiner Fantasie beeinflusst. Ich denke, man kann sagen, dass mich die Stimmung, in die mich diese Bands versetzen, mehr inspiriert als die Musik selbst, wenn du verstehst, was ich meine. Ist irgendwie (sehr) schwer zu erklären (lacht).

Worin unterscheidet sich deine Musik von der deiner Vorbilder? Und siehst du überhaupt die Notwendigkeit eines eigenständigen Sounds?
Ich versuche, nicht zu sehr wie andere Bands zu klingen, aber dieser Tage ist das sehr schwer, wenn man nicht völlig avantgardistisch und komisch klingen will. Nicht dass es allzu wichtig wäre, wie ich finde. Letztlich geht’s nur darum, was ich für mein eigenes Vergnügen machen will, aber ich versuche zumindest, niemanden zu kopieren oder zu ähnlich zu klingen. Ich schnappe mir hier und da ein paar Ideen, vermische sie und erschaffe etwas, das ich persönlich mag. Um ehrlich zu sein finde ich, dass es nicht allzu wichtig ist, eine eigene, einzigartige, musikalische Identität zu haben. Man sollte nicht versuchen, anders zu sein, nur um eben anders zu sein. Mach einfach das, was dir gefällt. Dann fügt sowieso jeder etwas von sich selbst hinzu.

Die Songs deines selbstbetitelten Debüts sind lediglich nach römischen Ziffern benannt. Hat das einen bestimmten Grund?
Ich hatte ein paar Arbeitstitel, aber ich fand, dass die alle kitschig klangen und ich kam nie dazu, mich hinzusetzen und mir Titel zu überlegen, mit denen ich zufrieden war. Ist also, um ehrlich zu sein, eine überhetzte Geschichte.

Worum geht es inhaltlich auf „RÛR“?
Das Album handelt von einer majestätischen Reise durch eine seltsame Welt. Über weite Wüsten und durch tiefe Wälder, hinauf bis zu den höchsten Berggipfeln in der Ferne. Der wichtigste Aspekt daran ist, dass es dabei keinerlei Menschen oder auch nur Spuren von ihnen gibt. Der Protagonist ist in dieser Welt vollkommen allein. Am Ende erreicht der Wanderer, der auch der Zuhörer sein könnte, die Bergspitze und erhebt sich in den dunklen Abgrund über ihm/ihr (hör dir dazu die letzten vier Minuten des letzten Songs an!). Die Reise kann buchstäblich oder metaphorisch verstanden werden und was genau vor sich geht, muss der Zuhörer selbst entscheiden. Die Texte werden aber nicht in der CD abgedruckt, denn ich war letztlich nicht zufrieden damit. Das Konzept wollte ich so lassen und es gefällt mir so, aber das Geschriebene selbst nicht so sehr. Außerdem sind die Texte komplett auf Norwegisch.

Das Album wurde bereits 2017 erstmals veröffentlicht, nun gibt es einen Re-Release über Northern Silence mit einem zusätzlichen Track. Wie kam es dazu?
Ich hatte überhaupt keine Pläne, als ich anfing, die Songs für RÛR zu kreieren und aufzunehmen. Als ich die ersten drei Tracks fertig hatte, dachte ich mir, dass ich sie wenigstens auf Bandcamp und YouTube hochladen könnte, warum auch nicht? Black Metal Promotion war so nett, sie für mich auf YouTube zu stellen und er stellte den Kontakt zu Northern Silence Productions her. Der vierte Track war da in etwa halb fertig, es schien mir naheliegend zu sein, den auch noch zu vollenden und beim physischen Release hinzuzufügen.

Ich habe das Gefühl, dass das Album zum Ende hin – insbesondere im vierten Song – merklich düsterer wird. Ist das so beabsichtigt und falls ja, warum?
Ich denke, ich war zu der Zeit gedanklich in einem etwas anderen Zustand als bei den anderen Songs. Ich habe ja bereits gesagt, dass das Konzept am Ende der Geschichte etwas düsterer wird.

Auch das Artwork wurde für den Re-Release geändert. Hat das einen bestimmten Grund?
Wir (Torsten von Northern Silence und ich) haben ein bisschen hin und her überlegt, was das Artwork anging. Ich habe versucht, das Layout selbst zu machen, musste aber feststellen, dass ich ziemlich mies im Umgang mit Bildbearbeitungsprogrammen, Farbgebung, Dateitypen und dem ganzen Zeug bin. Torsten hatte den Einfall, dass sich das Artwork entfaltet, wenn man das Digipak öffnet. Das haben wir dann so gemacht.

Du hast das Album auch selbst produziert, stimmt’s? Gerade für ein Underground-Soloprojekt klingt es sehr gelungen. Hast du dir die nötigen Techniken selbst beigebracht?
Ja. Ich habe es einfach so lange ausprobiert und versagt, bis es in etwa meiner Vision nahekam.

Was war deiner Meinung nach der große Vorteil, das Album nochmal über ein Label zu veröffentlichen, was dir allein nicht möglich gewesen wäre?
Ich hätte es niemals auf mich gestellt veröffentlicht, so viel steht fest. Ein solches Projekt hätte ich nie in Angriff genommen: CDs oder Vinyl pressen, promoten, verpacken, versenden… Niemals. Der größte Vorteil ist natürlich, dass ein Label – in diesem Fall Northern Silence – viele Kontakte hat und daher bereits auf viele Arten werben kann. Im Gegensatz zu mir wissen die, was sie tun!

Hast du vor, auch dein nächstes Album über Northern Silence herauszubringen?
Das ist der Plan, ja.

Live-Shows mit Sessionmusikern sind vorerst wohl keine geplant, oder? Ziehst du es grundsätzlich in Betracht, RÛR auch mal auf die Bühne zu holen?
Nein. Es ist in jedem Fall ein Soloprojekt und wird es auch bleiben. Außerdem weiß ich aus eigener Erfahrung, wie viel Arbeit es ist, eine Band dafür auf die Beine zu stellen und dafür hätte ich nicht die Zeit, selbst wenn ich wollte.

Wie soll es mit RÛR nun weitergehen? Was hast du mit dem Projekt noch im Allgemeinen vor?
Mein allgemeiner Plan ist es, weiterhin die Musik zu machen, die mir persönlich gefällt. Keine spezifischen Pläne. Es wird sich schon noch zeigen.

Zum Schluss würde ich mit dir gerne gemäß unserer Metal1.info-Tradition ein kleines Brainstorming machen:
Low-fi: Das erste, was mir dabei in den Sinn kommt, sind die alten Tapes von den Proben von einer meiner Bands. Die klingen super.
Geist – Materie: In diesem Fall sage ich Materie, denn was ist der Geist? Der geist ist für mich etwas Übernatürliches und daher Unfug.
3-Minuten-Songs: Definitiv zu kurz.
Stephen Hawking: „Schaut hinauf zu den Sternen und nicht hinab auf eure Füße. Versucht, das, was ihr seht zu verstehen und fragt euch, warum das Universum existiert. Seid neugierig.“ RIP.
Leben im All: Daran gibt es keinen Zweifel.
RÛR in fünf Jahren: Das dritte Album ist „geradewegs um die Ecke“, aber es muss noch ein Jahr warten, weil ich mich nicht für ein Artwork entscheiden kann.

Nochmals vielen Dank für deine Antworten. Wenn es noch etwas gibt, das du unseren Lesern gerne mitteilen würdest, kannst du das an dieser Stelle gerne tun:
Danke für das Interesse! Ich hoffe, meine Antworten sind verständlich und lesen sich nicht zu lang oder kauzig.

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