Interview mit Johanna Sophie Krins

Frauen sind eine feste Größe in der Mittelalter- und Folkszene, wenngleich selten an vorderster Front. In unserer neuen Interview-Serie „Frauen im Folk“ widmen wir uns dem weiblichen Geschlecht zwischen Dudelsäcken, Egos und Vorurteilen. Den Anfang macht Johanna Sophie Krins, Sängerin bei Bannkreis und das Gesicht von DELVA. Wir sprachen mit ihr unter anderem darüber, warum sie lieber mit Männern zusammenarbeitet und wie sie die Unterschiede der Geschlechter wahrnimmt.

Hallo Johanna! Mit dir beginnen wir unsere Interview-Serie „Frauen im Folk“. Für dich zum Einstieg: Wie bewertest du das Standing von Frauen in der weit gefassten Folk- und Mittelalterszene?
Hallo! Also, ich für meinen Teil fühle mich sehr wohl als Frau im Folk und hatte nie den Eindruck, weniger ernst genommen zu werden als ein Mann; dazu gäbe es ja auch gar keinen Grund *lacht* Von Vorteilen kann man aber meiner Meinung nach auch nicht sprechen. Mir fällt höchstens manchmal auf, dass Frau ab und an leichter gut gefunden wird, als es aus musikalischer Sicht verdient wäre; einfach nur, weil eine Person des „schöneren Geschlechts“ schnell mal was hermacht auf der Bühne. Das mag als Unterhaltungsfaktor auf dem ein oder anderen Mittelaltermarkt vielleicht ausreichen, für eine ernstzunehmende Band genügen das kurze Röckchen und der knallige Lippenstift allein jedoch nicht als Qualitätsmerkmal.

(c) Helge Roewer, www.hr-pictures.de

Du hast bereits mit Szenegrößen wie der Letzten Instanz, Eric Fish und vielen anderen die Bühne geteilt. Wie waren deine persönlichen Erfahrungen mit männlichen und weiblichen Musikern?
Ich arbeite sehr gerne mit männlichen Kollegen zusammen. Aber auch da gibt es hin und wieder Zickereien oder Eitelkeiten, um Menschen mit ebendiesen Vorurteilen mal den Wind aus dem Segel zu nehmen *grinst* Genauso gibt es aber auch unkomplizierte Kolleginnen, mit denen ich sehr gerne und ohne Neid und dergleichen auf der Bühne stehe. Ich glaube, der Neid zwischen Frauen ist auch noch viel mehr hinter und vor allem vor der Bühne zu finden, also unter den Fans: Wer ist als Freundin, Fanclubmitglied, Mercherin oder Tourbegleiterin näher an der Band und hat die interessantesten Informationen? Da fehlt, denke ich, vielen vor lauter „dem Musiker gefallen wollen“ oft das eigene Selbstbewusstsein. Aber gerade die Zusammenarbeit mit den von dir genannten Kollegen war und ist immer total angenehm. Somit gebe ich gerne zu, dass es mir persönlich tatsächlich meistens leichter fällt als Frau unter Männern denn als Frau unter Frauen.

Und wie waren deine Erlebnisse mit Fans?
Die meisten Fans sind sehr respektvoll; wenn aber mal welche nicht wissen, wo die Grenze ist, dann hat das meistens wenig mit dem Geschlecht zu tun. Diese Grenze ist für mich z.B. erreicht, wenn sich nach meinem Privatleben erkundigt wird. Das muss jeder Künstler für sich so handhaben, wie er es für richtig hält, aber ich halte das gerne aus der Öffentlichkeit heraus. Allerdings gibt es Unterschiede zwischen weiblichen und männlichen Fans; Männer sind meistens mehr gerade heraus, während die Frauen eher die Beobachter sind, die alles analysieren.

Es fällt auf, dass keine der erfolgreichsten Folk- und Mittelalter-Bands eine einzelne weibliche Frontfrau besitzt. Woran liegt das deiner Meinung nach?
Ich glaube, es gibt einfach weniger weibliche Rockstimmen in diesem Bereich. Die meisten singen zart und wenn es mal kräftiger wird, dann meistens in Form einer Klassikstimme, die über dem Metalgewitter thront. Wahrscheinlich weil das auch einfacher ist für eine Frau, als die Stimme in Richtung Rock auszubilden. Ein Mann kann schon leichter Raubbau an seiner Stimme betreiben, um interessante Dinge damit anzustellen, ohne dabei gleich dauerhaften Schaden anzurichten. Nicht ohne Grund hört man sehr oft, dass viele Leute mit Frauenstimmen weniger anfangen können, als mit Frontmännern. Mir geht es übrigens genauso. Druck und Eigenständigkeit in eine weibliche Stimme zu bekommen ist nicht einfach und ich habe großen Respekt vor den Ladys, die das geschafft haben.

Nach zwei Studioproduktionen mit deinem eigenen Projekt DELVA steckst du gerade mitten im Veröffentlichungsstress zum ersten Bannkreis-Album „Sakrament“. Kannst du kurz zusammenfassen, wie die Zusammenarbeit von dir und Subway to Sally entstanden ist?
Ich habe Eric über sein Soloprojekt kennengelernt, wodurch es auch zur Gründung von DELVA kam. Wir haben immer wieder miteinander Musik gemacht und bald war uns klar, dass daraus etwas Gemeinsames und Längerfristiges entstehen muss. Mit dem Zusammenklang unserer Stimmen wollten wir unbedingt etwas anstellen und als nach langem Songwriting und vielen Umwegen klar wurde, dass daraus etwas Größeres wird als gedacht, haben wir uns überlegt, in wessen Händen wir uns kompositorisch am wohlsten und sichersten fühlen würden. Und so ergab es sich, dass genau diese Hände, nämlich die von Ingo Hampf, Simon Michael und Bodenski die Wiege für diese neue Band formen sollten.

Wodurch unterscheidet sich Subway to Sally von Bannkreis bzw. wo würdet ihr Bannkreis musikalisch einordnen?
Wenn man unbedingt in Schubladen denken möchte, dann würden wir unsere mit dem selbsterklärenden Begriff „Epic-Folk-Rock“ beschriften. Denn von alldem steckt etwas in unserer Musik. Die unterscheidet sich vor allem natürlich durch die Zweistimmigkeit von StS und dem ein oder anderen Metalfan mögen vielleicht die charakteristischen Gitarrenriffs fehlen. Aber genau dadurch wollen wir die „schwarze Szene“ auch ein bisschen aufbrechen. Wir wissen, wo wir herkommen und ich denke, wir haben auch unseren Platz in der düsteren Folkszene. Unsere Musik ist eben für jeden da, der sie hören will und etwas dabei fühlt. Wenn die schwarze Szene so offen ist, wie sie immer behauptet, wird dieser experimentelle Sound, glaube ich, durchaus die meisten mitreißen können.

Was wollt ihr mit dem Bandnamen ausdrücken?
Meine Kollegen fanden den Namen damals sehr stark für ihr Album und dieses kraftvolle und vielschichtige Wort hat sich bei der Namenssuche auch heute durchgesetzt. Man kann es eigentlich interpretieren, wie man möchte und wie man es selbst empfindet, aber im Endeffekt sind wir einfach ein Kreis aus Musikern, die sich gefunden haben um neues auszuprobieren und die euch in unseren Bann ziehen wollen.

(c) Alex Schlesier, www.skulls-n-gears.com

Wie fiel die Wahl auf „Lebewohl“ als Vorab-Single?
Dieser Song war die Initialzündung für die ganze Band und liegt vor allem Eric und mir sehr am Herzen, weil wir ihn schon sehr lange im irischen Original zusammen singen und auch mitunter dadurch die Magie dieser Zweistimmigkeit entdeckt haben. Die große Melancholie der irischen Musik, die aber dennoch nicht depressiv ist, trifft den Geist unserer Musik sehr gut.

Welche Songs von „Sakrament“ liegen dir besonders am Herzen?
Natürlich „Lebewohl“, weil es die Band ohne diesen Song nicht gäbe, dazu „Rabenflug“, weil mich auch dieses Traditional, auf dem der Song basiert, schon lange begleitet, „Nimmermehr“, weil er live besonders viel Spaß macht, und „Sakrament“, weil er so viel in sich vereint, was unsere Musik ausmacht; diesen gewissen Weltschmerz, die großen Fragen nach dem eigenen Stellenwert im Universum, und natürlich die charakteristische Instrumentierung unter andere mit Laute und Cello. Zudem ist ein Sakrament nichts anderes als ein trostspendendes Zeichen und das soll unsere Musik auch sein, deshalb heißt nun auch das ganze Album wie dieser Song.

Bannkreis scheinen viel vor zu haben: Für den Herbst ist bereits die erste größere Deutschland-Tour geplant, davor seid ihr auf vielen namhaften Festivals gebucht. Stehst du nun unter einem anderen Erfolgsdruck als bisher? Wenn ja, wie gehst du damit um?
Ich habe auf jeden Fall großen Respekt vor alldem, was uns erwartet. Aber ich glaube, dass diese Band gerade live erst ihren wahren Geist entfalten wird und freue mich daher wahnsinnig auf die Saison. Leistungsdruck ist natürlich da, aber der besteht auch hauptsächlich darin, sich gesund und fit zu halten, um alles geben zu können.

Ist die Johanna Krins bei DELVA die gleiche wie bei Bannkreis?
Es steckt viel Johanna in der Musik von Bannkreis. Trotzdem unterscheiden sich natürlich viele Dinge; gerade was das Songwriting angeht, da bin ich bei DELVA im Prinzip mein eigener Herr. Bei Bannkreis müssen viele liebenswerte Dickköpfe unter einen Hut gebracht werden, was das ganze aber nur noch spannender macht. Immer nur das zu tun, was man selbst in dem Moment für richtig hält, bringt einen auf kurz oder lang nicht wirklich weiter, sondern schränkt den Horizont ein. Nichtsdestotrotz muss man natürlich hinter dem stehen, was man tut, das ist hier insgesamt der Fall; auch wenn ein Mensch nie ganz der gleiche ist bei solch unterschiedlichen Projekten.

Bei DELVA stehst du mit deiner Familie auf der Bühne, bei Bannkreis mit mindestens vier erfahrenen Musikern. Worin liegen die Unterschiede für dich?
Mit Familienmitgliedern zusammenzuspielen ist immer etwas ganz Spezielles. Es hat Vor- und Nachteile, wie man sich sicher vorstellen kann. Vor allem aber kommen wir bei DELVA aus total unterschiedlichen Musikrichtungen, während bei Bannkreis eigentlich alle schon lange in diesem Musikbereich unterwegs sind. Ich lerne viel aus der Erfahrung der Kollegen und bin dankbar dafür. Ich hingegen bringe dafür das gewisse Quäntchen frischen Wind mit, womit nicht zwangsläufig das Alter, sondern einfach die Lust auf Neues und die Energie, sich selbst zu fordern gemeint ist. Bei DELVA werden Ideen und Gefühle einfach noch unmittelbarer umgesetzt, aber ich möchte betonen, dass ich auch da mit erfahrenen und sehr begabten Musikern zusammenarbeiten darf, ohne die die Umsetzung vieler Ideen sicher schwierig wäre.

Singst du lieber deutsch oder englisch, lieber alleine oder im Duett?
Ich singe lieber auf Deutsch, weil das für mich ehrlicher und direkter ist. Gerade weil man sich dadurch aber seelisch noch mehr entblößt, kann ich auch gut verstehen, dass viele Künstler sich lieber auf Englisch ausdrücken, um noch so einen hauchdünnen Vorhang zwischen sich und dem Zuhörer zu haben. Man ist auf Deutsch, finde ich, noch verletzlicher. Aber die Fähigkeit, Geschichten und Emotionen in der Muttersprache transportieren zu können, ist vielleicht auch die größte Gemeinsamkeit von Erics und meinem Gesang. Ich singe weder lieber alleine, noch im Duett. Alleine hast du eine ganz andere Aufgabe und auch Entfaltungsmöglichkeit, beim Duett ergänzt das Eine das Andere und man muss sich in gewisser Weise anpassen, aufmerksam sein, ohne dabei den Ausdruck zu verlieren. Das klingt aber viel verkopfter als es auf der Bühne dann tatsächlich ist. Man muss nur auf einander hören und darf nicht für sich allein bzw. Gegeneinander ansingen.

Wie verhält sich DELVA zu Bannkreis?
Meine Kollegen freuen sich über das neue Projekt und jeder von ihnen hat ja auch eigene musikalische Aufgaben neben DELVA. Es wird also keinem langweilig und ich glaube, dass musikalisch das eine Projekt auch jeweils vom anderen profitieren wird.

Wie sehen eure Pläne nach „The Raven’s Prophecy“ aus?
Wir arbeiten gerade an neuen Songs für unser nächstes Album. Nach unseren beiden EPs möchten wir nächstes Jahr einen Longplayer rausbringen und sammeln gerade Ideen für neue Ufer. Wir möchten unseren Horizont ein bisschen erweitern und etwas weg von diesem rein ruhigen Image. Eventuell wollen wir auch mit Elektronik experimentieren und mit einem Schlagzeug arbeiten. Der nachdenkliche Stil wird nicht verlorengehen, aber wir wollen etwas tanzbarer werden und die ohnehin schon vielen Einflüsse aus aller Welt noch mehr in den Vordergrund rücken. Auch wenn wir gerade nicht viel live spielen, befinden wir uns also in keiner kreativen Pause.

(c) Bernd Sonntag, www.konzertreport.de

Wie findest du bei so vielen Projekten noch Zeit für dich?
Ich versuche, mich bewusst zwischendrin abzuschotten, indem ich lese, spazieren gehe und hoffentlich auch bald mal wieder in den Urlaub fahre. Ein bisschen ist die Zeit auf der Bühne ja auch Zeit für mich. Zumindest ist es bei aller Anstrengung ja das, was wir Musiker uns als unseren Beruf und unsere Bestimmung ausgesucht haben.

Mit welchem Künstler würdest du gerne einmal die Bühne teilen und was würdet ihr zusammen performen?
Ich lasse mich überraschen! Habe immer großen Spaß bei Duetten oder überhaupt an Zusammenarbeit mit Kollegen anderer Bands. Ich hoffe, die Zeit hält da noch einiges bereit.

Vielen Dank für deine Zeit und Antworten. Zum Abschluss noch ein paar Stichworte für ein freies Assoziieren. Was fällt dir als erstes zu den folgenden Begriffen ein?

Lügenpresse – gefährlich
Auszeit – gutes Buch, Irland
München DELVA
Freunde – Empathie, Hilfe, Ausgelassenheit
Florian Silbereisen – Die Möglichkeit zu nutzen, sich im TV einem größeren Publikum zu zeigen, macht einen noch nicht zu einer Schlager-Band. Man sollte Bands nicht danach beurteilen, wo sie auftreten, sondern was sie vor allem live ausstrahlen. Alles andere halte ich für engstirnig und voreilig.

Die letzten Worte gehören dir …

Ich möchte mich von Herzen für all die positive Resonanz auf unser erstes Album bedanken und alle, die (vielleicht zu Recht) noch skeptisch sind, bitten, uns eine Live-Chance zu geben :-) Nach der ganzen Studioarbeit freue ich mich sehr auf die Festivals und die Oktobertour! Ich hoffe sehr, der ein oder andere wird dann vor der Bühne genauso viel Freude haben wie wir schon jetzt auf der Bühne! Bis bald!

Alle bisher erschienenen Teile dieses Specials im Überblick:

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2 Kommentare zu “Johanna Sophie Krins

  1. „Man sollte Bands nicht danach beurteilen, wo sie auftreten, sondern was sie vor allem live ausstrahlen. Alles andere halte ich für Engstirnig und voreilig.“

    ahjo, ist klar. ich höre auch nur unpolitischen rechtsrock.

    entweder stehe ich gegen kommerzielles und liebloses ausschlachten der musik und nehme an so einer veranstalltung nicht völlig kommentarlos teil oder aber ich unterwerfe mich dieser maschinerie und akzeptiere das ich von nun an in diesen topf geworfen werde und somit u.A. als schlagerband zähle.
    Es macht nämlich durchaus etwas aus WO und mit wem man sich presentiert…. desweiterem … was erwartet man denn bitte wenn man sich einem schlager puplikum presentiert? Ist man wirklich so arrogant und der meinung das man einem VOLKsmusik publikum mit FOLK etwas neues zeigt ? und wenn ja, will man dieses Publikum wirklich auf seinen konzerten haben ?
    sorry aber ich versteh es nicht (wie so vieles ;) ).

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