Interview mit Diana von Sunve Merchandising

Warum genau kosten Bandshirts auf einmal 40 €? Was genau ist in der Produktion teurer geworden? Und: War früher alles besser? Mit Merch-Verkäuferin Diana von SUNVE MERCHANDISING sprachen wir im Rahmen unseres Specials „Von Merch und Margen: Wer verdient an Bandshirts?“ über all dies und vieles mehr.

Bei vielen großen Shows sieht man mittlerweile (Tour-)Shirtpreise von 40 € – ist das das „new normal“, werden wir uns daran gewöhnen müssen?
Das ist schwer zu sagen. Es gibt mehrere Faktoren, die diese Preisentwicklung beeinflussen können. Zunächst einmal gibt es Kosten im Zusammenhang mit der Herstellung und dem Vertrieb von Tourshirts. Diese umfassen den Druck, das Design, die Materialien und den Transport, um nur einige zu nennen. Wenn die Produktionskosten steigen, können die Preise für die Endkunden entsprechend höher ausfallen. Mit einer Preissteigerung der Energiepreise um knappe 40 %, sind die Produktionskosten allein durch diesen Faktor massiv in die Höhe gegangen.
Zweitens kann Angebot und Nachfrage der Tourshirts eine Rolle spielen. Wenn Fans bereit sind, höhere Preise zu zahlen, um ein Andenken an das Konzert zu erhalten, können die Preise steigen, um diese Nachfrage zu decken. Hinzu kommen immer öfter Lieferengpässe. In den vergangenen Jahren war es nicht selten, dass durch langsame oder unterbrochene Lieferketten die Nachfrage deutlich größer war als das Angebot: Wenn du nur 200 Shirts für eine Tour bestellen konntest, weil einfach nicht mehr geliefert werden konnte, du aber auf 25 € normalerweise 400 verkaufen würdest, passt du den Preis dementsprechend an.

Trotz allem gibt es ja auch noch Bands, die das anders handhaben – aktuelles Beispiel sind Heaven Shall Burn, die ihre Tourshirts in der gleichen Location für 30 € verkaufen, während Kreator 40 € verlangen. Wie kommt es zu solchen Preisunterschieden?
Preisunterschiede können auf Unterschiede in den Produktions- oder Vertriebsprozessen zurückgehen. Zum Beispiel können einige Bands bei Herstellern günstigere Konditionen aushandeln oder Lieferketten haben weniger Zwischenhändler. Wenn ich als Band direkt bei der Merchfirma bestelle, die direkt im Großhandel im Produktionsland der Rohware einkauft, ist das eine überschaubare Lieferkette. Bestellt die Band über das Management, dieses bestellt über einen Zwischenhändler, der bei einem weiteren Zwischenhändler die Rohware bestellt, die dieser aus dem Ursprungsland vom eigentlichen Großhändler bestellt, sieht das schon ganz anders aus. Je aufwändiger die Lieferkette, desto höher die Kosten.
Generell wäre ich vorsichtig, die Price-Policy des Merchs mit Intentionen von Bands zu verknüpfen. Je größer die Produktionen werden, desto weniger ist das die Entscheidung der Band: Bei größeren Bands wie Kreator wird Merch oft outgesourct, sodass die Musiker dann nur noch wenig bis gar keine Kontrolle mehr über die Preise haben.

Gleichzeitig herrscht Krise, alles ist teurer geworden, die Leute haben weniger Geld – sinken die Käuferzahlen am Merch oder kaufen die Leute genauso begeistert Bandshirts wie früher?
Ich bekomme davon, wenn ich Merch verkaufe, nichts mit. Was man generell sagen kann, ist, dass Menschen mehr darauf achten, was sie kaufen. Aber solange die Bindung vom Fan zur Band stark genug ist und kaufwürdiges Merch angeboten wird, sehe ich nicht, dass sich das Kaufverhalten in Zukunft ändern wird. Bandmerchartikel sind immer noch weit billiger als ein Adidas-Shirt oder eine Nike-Hose – und deren Verkaufszahlen brechen auch nicht ein.
Die Entwicklung, die ich in den letzten zwei Jahren mitbekommen habe, ist: Tourshirts haben einen Preis wie nie zuvor und die Fans sind bereit, diesen zu zahlen. Wieso? Ich glaube, jeder weiß, wie sehr die Industrie in den letzten zwei Jahren gelitten hat und dass viele Fans einfach dankbar sind, dass es „ihre“ Bands noch gibt und sie diese auch dementsprechend unterstützen wollen.

Die Preise steigen, aber oftmals sinkt die Qualität. Wäre es wirklich so viel teurer, wenn man statt auf dünnste Stoffe, die dann euphemistisch „Softstyle“ heißen, zumindest auf anständige Rohlinge drucken würde … von Fairtrade oder Biobaumwolle will ich ja gar nicht erst reden?
Leider wird noch viel zu oft Gildan oder Fruit Of The Loom verwendet. Beide Hersteller haben noch vor acht Jahren gute Ware geliefert – das hat sich aber stark geändert, wie du richtig erkannt hast. Bei einigen ist das noch nicht angekommen, weil man einfach gewohnt ist, dass es immer gut war – also muss es auch weiterhin gut sein. Das ändert sich aber zum Glück. Herausforderung sind momentan die Lieferketten und die Verfügbarkeit. Selbst wenn die Band hochqualitativ drucken will, kann es sein, dass sie die Wahl hat „Gildan Softstyle oder gar nicht“ – insbesondere, wenn es um kurzfristige Nachbestellungen während einer laufenden Tour geht. Da kommt es wirklich drauf an, mit den richtigen Lieferanten zusammenzuarbeiten.

Festivals haben für den Merch-Verkauf von Bands immer schon Prozente kassiert – haben sich diese Anteile in den letzten Jahren geändert, wird hier seitens der Events mehr abkassiert?
Davon habe ich persönlich nichts bemerkt und auch Kollegen, die ich gefragt habe, nicht. Die Festival-Fees liegen konstant bei 10–30 %, je nach Land und Größe des Festivals, plus gegebenenfalls Mehrwertsteuer.

Was sich immer weiter zu verbreiten scheint, ist, dass auch Konzertlocations/Venues einen Anteil vom Merch-Umsatz abhaben wollen und den Merchverkauf selbst oder über einen Subunternehmer in die Hand nehmen. Was bedeutet das für die Bands?
Bei größeren Venues ist es oft gang und gäbe, eine Standgebühr zu verlangen, die liegt in der Regel zwischen 50 und 300 €. Oder es gibt Concession-Verträge – dann ist die Möglichkeit, selbst über das Tourpersonal Merch zu verkaufen, gar nicht gegeben. Das ist bei einer Tourproduktion von mittlerer Größe tatsächlich ärgerlich, weil die Band gleich doppelt bezahlt: Einmal die Concession Seller Company, die das Merch verkauft – in der Regel sind das 10–25 % des Umsatzes plus etwa 20 % Mehrwertsteuer –, und dann eben den Tour-Merchandiser, der trotz „Verkaufsverbot“ das ganze Merchmangement drumherum regeln muss.

Manche Bands haben angefangen, ihr Merch deshalb vor der Location aus dem Trailer heraus zu verkaufen – ist das eine Lösung oder bald einfach vertraglich verboten?
Persönlich wäre ich dafür, dass sich Venues im Vorfeld besser mit Bands absprechen und gemeinsam Lösungen gesucht werden, damit das Feld „Merch“ wieder für alle mehr Sinn hat. Es gibt tatsächlich Länder, etwa Italien, wo es durch die staatlichen Vorgaben für internationale Künstler schwierig ist, selber zu verkaufen: Hier würden die Veranstalter ein Risiko eingehen, wenn sie die Band einfach ohne italienische Mehrwertsteuer verkaufen lassen. Das sind aber alles Dinge, die sich im Vorfeld abklären und lösen ließen. Die Veranstalter hätten viel mehr von zufriedenen Künstlern, die gerne wiederkommen, als vom großem Zähneknirschen, wenn an einem Tag aufgrund der Gebühren praktisch kein Merchgewinn erzielt wurde.

Esa von Amorphis hat mir im Interview gesagt, dass er sich vorstellen könne, dass es sich wegen der Fees der Locations irgendwann nicht mehr lohnt, Merch auf Tour mitzunehmen – kannst du dir das vorstellen? Wäre das nicht überspitzt gesagt das Ende der Livekultur, die ja zu guten Teilen merchfinanziert ist?
Es stimmt, dass Merch oft zu großen Teilen die Produktionskosten mitfinanziert und Einnahmen fest ins Budget einkalkuliert sind. Vor allem seit die Nightliner durch die gestiegenen Spritpreise oft um 30–40 % teurer geworden sind. Die zusätzlichen Kosten müssen ja irgendwie gedeckt werden. Die Frage ist, ab welchem Deckungsbeitrag Touring für Bands keinen Sinn mehr hat. Was wir dann wahrscheinlich sehen werden, sind weniger Touren und mehr Festivals, da das hinsichtlich der Gagen zumindest für größere Bands mehr Sinn ergibt. Wobei ich nicht glaube, dass es dazu kommt. Die Venues leben auch von den Konzerten; wenn die Reglementierungen so stark angezogen werden, dass es sich bei deren Booking bemerkbar macht, wird es sich auf ein vertretbares Maß einpendeln. Alles wieder eine Balance zwischen Angebot und Nachfrage. Durch die letzten zwei Jahre haben die Venues, die es noch gibt, sehr viel Spielraum in ihrem Handeln, weil die Nachfrage an Konzerträumlichkeiten überproportional zur Verfügbarkeit ist.

Gibt es deiner Ansicht nach eine „magische Schwelle“, die eine Band bei den Preisen nicht überschreiten sollte, weil dann mehr Geld durch abgeschreckte Nichtkäufer verloren geht, als durch die Preissteigerung reinkommt?
Ja, die gibt es. Das ist aber von Land zu Land und von Band zu Band unterschiedlich. Wie immer ist es ein Spiel zwischen Angebot und Nachfrage. Bei manchen Bands ist beispielsweise für eine LP bei 20 € Schluss. Bei anderen kann man eine Sonderauflage ohne Probleme für 70 € anbieten und die Leute reißen sie einem trotzdem aus den Händen. Da gilt es, eine gute Marktanalyse zu haben und genau zu wissen, welchen Wert die Artikel für die Fans eigentlich haben. Du willst ja schließlich nicht, dass deine Produkte von Discogs-Zwischenhändlern aufgekauft werden, die sie dann zum wahren Wert online weiter verscherbeln.

Wird das Merch perspektivisch gesehen dann auch wieder günstiger werden oder werden wir uns daran gewöhnen müssen, dass Bandshirts Luxusartikel sind, die sich längst nicht mehr jeder Metalhead leisten kann?
Können sich die Menschen keine Bandshirts mehr leisten? Erlebe ich nicht. Ich glaube, wir sind viel zu verwöhnt und gewohnt, dass wir bitte alles für zero effort bekommen. Bands haben jahrelang an ihrer Musik, an ihrem Konzept gearbeitet. Die Vorstellung, dass ich ein Stück dieser Energie für – je nach Land – umgerechnet zwei bis vier Bier bekommen kann, finde ich anmaßend. Dann ist es eben so, dass man mal paar Stunden länger arbeiten muss oder sich vier Bier spart, um sich ein Shirt zu gönnen. Dann lernen die Leute es zumindest wieder mehr schätzen und wählen bewusster, für was und wen sie ihr Geld ausgeben.


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