Review Rosetta – The Galilean Satellites

Schwere Musik erfordert schwere und vor allem grosse Themen. So ist wohl die Denkweise der Sludge-Fraktion aus dem Amiland. Sei es nun Isis und der Ozean oder Neurosis, die dem Sturm ins Auge blicken. Rosetta geben sich jedoch nicht mit irdischen Sphären zufrieden, sondern verlassen unsere Welt und begeben sich auf eine Reise durch das All. Netterweise nehmen sie die Zuhörer mit auf diesen Trip, zu hören auf „The Galilean Satellites“. Diese Satelliten bzw. Monde sind die vier Grössten des Planeten Jupiter und sind namentlich ihrem Entdecker Galileo Galilei gewidmet. Wichtig sind sie insofern, dass Galileo anhand von ihnen beweisen konnte, dass sich nicht alles um die Erde dreht. Da Satelliten aber keine grosse und interessante Lebensgeschichte vorweisen dreht sich das Album natürlich nicht rein um diese 4 Himmelsgebilde, wie man dem Booklet entnehmen kann, denn dort steht: „These songs are about a space man“. Dessen Weg ins All, durchs All und zur Erde zurück kann man verfolgen, wenn man denn gewillt ist. Ich versichere euch: Man ist gewillt.

Weshalb man sich auf der ersten CD für französische Songtitel entschieden hat ist mir nicht bekannt, aber das macht ja nichts, denn die Texte sind ja dafür auf Englisch; diese muss man aber erstmal finden, wer das Booklet genau begutachtet der wird auf eine extra für das Album eingerichtete Homepage verwiesen, wo es die Lyrics und Bonusmaterial gibt. Mit „Départe“ beginnt die Reise in extraterrestrische Gefilde. Wie formulierten es bereits zwei Denker dieser Zeit? „Dieser Weg wird kein leichter sein“ und „es gibt keinen Weg zurück.“ Doch auch wenn man nicht direkt zur Salzsäule erstarrt bei einem letzten wehmütigen Blick auf die Erde, man wird nicht lange brauchen, bis der Alltag und die Stopp-Taste so fern liegen wie alles Irdische im Weltall. Ist man dort erstmal angelangt wird man umgeben von massiven Gitarrenwänden gegen die Sänger Michael ankämpfen muss mit seinem emotionalem, eher tief angelegtem Geschreie, so dass Beides oftmals ineinander verschwimmt. Schnell wird Einem klar, dass das hier kein Flug erster Klasse zum puren Zurücklehnen und Entspannen wird, es liegt ein hartes Stück Arbeit für den Zuhörer vor sich bei durschnittlichen Songlängen von 10 Minuten, aber es lohnt sich vollkommen, denn was man hier zu hören bekommt ist wirklich gigantisch.

„Europa“ ist einer der vier galileischen Satelliten und der Ort wo sich unser „space man“ niederlassen will. Neben dem fast schon gewohnten Talent für wahrhaft mitreissende Riffs wird bei diesem Stück eine weitere Spezialität der Amerikaner offensichtlich: das Drumming. „The Galilean Satellites“ wäre wahrscheinlich nur halb so überragend ohne Bruces Fähigkeit den Trabanten-Charakter mit seiner Rhythmusarbeit darzustellen. Man merkt einfach immer, dass man sich hier auf einer Reise befindet und jedes Mal wenn man wie im Falle von „Europa“ einen Stopp eingelegt hat, dann bringt das Schlagzeug das Raumschiff wieder in Gang und kann durchaus auch mal eine Weile alleine den Song tragen, ohne dass Michael zum Einsatz kommt.

Vom Titel des nächsten Stücks, „Absent“, sollte man sich nicht täuschen lassen. Geistig abwesend ist der Raumfahrer zunächst zwar tatsächlich, sehr ruhig und geradezu entspannend geht es los, aber dies hat zur Folge, dass er in Turbulenzen gerät, die zum Schluss hin immer grösser werden und in einem hektischen Spiel aller Instrumente sowie elektronischen Sounds resultiert, dass schliesslich auch noch vom Geschrei Michaels bekräftigt wird und fast zur Katastrophe führt. Doch der Protagonist des Albums ist nun ein verirrter Sternenwanderer – oder Obdachloser, wenn man die genaue Übersetzung von „Itinérant“ nehmen will – im Kosmos und ist ziel- und ratlos. Er merkt, dass sein Plan sich von der Erde zu entfernen vielleicht doch keine gute Entscheidung war, denn er vermisst seine Familie und Freunde. So beschliesst er sich wieder zur Erde, zu seinem „Pays Natal“ (Heimatland) zurückzukehren. Doch mitgenommen hat er viele Erinnerungen, positiv wie negativ, ein Erlebnis, dass er nicht missen wollte. Dem Zuhörer geht es danach vielleicht auch so.

Das Ende vom Lied möchte man meinen. Weit gefehlt. Die Geschichte ist damit abgeschlossen, das stimmt, aber das Hörerlebnis ist noch lange nicht vorbei. Disc 2 besteht aus Ambient-Stücken, die an und für sich ganz nett sind, wem der metallische Trip ins Weltall mal zu fordernd ist, der bevorzugt dann vielleicht die ruhigere Variante. Ruhig soll allerdings nur im Vergleich zur anderen CD gemeint sein, denn hier geht es recht düster und noisemäßig zu. Teleshopping-Verkäufer hätten wahrscheinlich ihre reinste Freude an dieser Veröffentlichung. Denn das war noch nicht alles! Sie bekommen hier nicht ein, nicht zwei, nein, ganze drei Stunden Musik geboten! Man merkt es nicht unbedingt, da auch im Booklet nichts davon erwähnt wird, aber die beiden CDs sind (fast) identisch von der Länge her. Wer also meint er bräuchte es noch eine Stufe extremer und klanggewaltiger, der schnappt sich entweder zwei CD-Player und spielt die beiden Scheiben gleichzeitig ab oder bedient sich der Computertechnik und legt die beiden Spuren einfach übereinander. Es ist jedenfalls machbar im modernen Zeitalter der Technologie und eine wirklich interessante Idee der Band. Als wäre „The Galilean Satellites“ nicht bereits so schon ein Mammutwerk, das man erstmal verdauen muss. Intensiver geht es dann wirklich nicht mehr.

Bei all dem eh schon verteilten Lob muss man sich ja mal vor Auge halten, dass es sich hierbei um ein Debüt-Album handelt! Hier so einen hohen Grad an Professionalität und Ideenreichtum, den man auch umsetzen kann, vorzufinden ist bei Weitem keine Selbstverständlichkeit. Rosetta schlossen sich 2003 zusammen und veröffentlichten zwei Jahre später ein Monument, dessen Messlatte an Umfang man wohl nie wieder toppen wird. Für den Zuhörer eröffnen sie eine der günstigsten Möglichkeiten diesen Planeten zu verlassen, nur auf den Astronautenanzug muss man leider verzichten.

Wertung: 10 / 10

Geschrieben am 6. April 2013 von Metal1.info

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