Interview mit Sebastian von Baroness

Mit „Purple“ haben BARONESS im Dezember 2015 ein vielbeachtetes Album vorgelegt, da so einige Toplisten des Jahres erklimmen konnte. Gleichzeitig stellt das fünfte Album der Band die erste Veröffentlichung nach ihrem schweren Busunfall auf ihrer Tour 2012 dar. Vor dem Konzert in München mit dem neuen Schlagzeuger Sebastian gesprochen. Lest im Folgenden, was der sympathische Musiker über ihr neugegründetes eigenes Label, die Southern-Metal-Szene und Phil Anselmo sowie über die Farbspielereien seiner neuen Band zu sagen hat.

Baroness - Logo

Ihr habt eure Deutschlandtour gestern in Leipzig gestartet. Wie läuft die Europatour den bisher generell?
Die Tour ist wirklich gut bisher. Ich glaube, dass der Vorverkauf überall in Deutschland auch ziemlich gut läuft. Die Show in Leipzig gestern war auch ausverkauft, wenn ich mich nicht irre.

Letztes Jahr gab es ja schon einige Konzerte in den USA…
Ja genau, das war eine kurze Tour im letzten Dezember. Das ein wenig anders als unsere normalen Shows. Wir wollten keine wirklich große Tour durch ganz Amerika spielen, da das Album noch nicht erschienen war. Also haben wir uns für die „Punkrock-Tour“, wie wir es genannt haben, entschieden. (lacht) Sprich: Wir haben in wirklich kleinen Clubs gespielt. Das war zwar manchmal anstrengend, aber insgesamt großartig. Die Räume waren wirklich bis auf den letzten Platz ausverkauft und die Leute sind komplett ausgerastet.

Baroness - PurpleWar das etwas, dass ihr ganz bewusst mit dem neuen Album machen wolltet?
Wir wollten das bewusst machen, aber „Purple“ war ja noch nicht erschienen.Wir werden auf jeden Fall in den USA noch eine richtige Tour mit unserem neuen Album spielen, aber wir wussten auch, dass wir die Locations dann wahrscheinlich nicht mehr kriegen würden und wollten mal wieder in die kleinen Clubs.

Wie schwer ist es, mit den neuen Songs eine Setlist für die Shows zusammenzustellen?
Vor der Tour haben wir darüber geredet, und jetzt ist es so, dass wir an manchen Abenden das gesamte neue Album spielen, während wir an anderen Abenden einen, vielleicht zwei Songs davon auslasse . Teilweise ist ja in Europa noch Disco am Wochenende, daher müssen wir manchmal kürzen. Lustigerweise habe ich festgestellt, dass die neuen Songs schwerer für mich zu spielen sind. Das ist halt total albern, weil ich sie ja mitgeschrieben habe. (lacht)

Wie lief das Songwriting für „Purple“ denn generell ab?
Es war super. Am Anfang war es ein bisschen schwer, als wir zu viert in einem Raum saßen. Da gab es einfach zu viele Meinungen und zu viele Ideen. Also haben wir es in in kleinere Einheiten aufgeteilt, sprich: Ich bin nach Philly gefahren und John und ich haben an den grundlegenden Riffs und Rhythmen für einige der Songs gearbeitet. Dann ist Nick hingefahren und hat mit John an Akkordfolgen gearbeitet, und so weiter. Das hat viel besser funktioniert. Zu viert auf einmal wussten wir nicht mal, woran wir gerade arbeiten, an einem Beat, an einer Harmonie, an einem Solo… Es hat aber trotzdem ungefähr zwei Monate gedauert, bis wir uns für diese Arbeitsweise entschieden haben. Danach sind wir dann wieder zusammengekommen, haben die Songs durchgespielt und haben sie arrangiert.

Baroness - Yellow & Green

Weißt du, ob das ähnlich verlaufen ist, bevor du Mitglied von BARONESS warst?
Ich glaube, es war bei jedem Album ein bisschen anders – aber du musst auch bedenken, dass John der einzige ist, der schon immer bei BARONESS war. Es gab ja schon viele andere Gitarristen und Bassisten, ich bin jetzt der zweite Schlagzeuger. Ich glaube, John hatte schon immer das meiste zu sagen, aber ich kann es nicht genau sagen.

Was steckt denn hinter dem Namen „Purple“?
Genau kann ich es dir nicht sagen. Aber ich persönlich finde, dass einfach eine schöne Farbe ist, die einige coole Eigenschaften hat. Zum einen sicherlich, auch im Bezug auf die anderen BARONESS-Alben, der Mix aus rot und blau, zum anderen aber sicher auch die Tatsache, dass dabei viele Leute an ein Veilchen und an blaue Flecken denken. Gleichzeitig ist es die erste Farbe, die keine Farbe im physikalischen Sinn ist. Es gibt ja keine lila Wellenlänge, sondern das ist eine Farbe, die unser Hirn erfindet, indem zwei verschieden Wellenlängen kombiniert werden. Es stellt also so etwas wie eine neue Ebene dar.

War es eine Diskussion, welche Farbe das Album haben soll?
Oh ja, das war eine große Diskussion. Lange war die Grundtendenz, dass nach dem Busunfall um den Besetzungswechsel eine neue Ära für BARONESS anbricht, also wollten wir zunächst damit aufhören, Farben zu benutzen. Zwei Monate lang haben wir uns Vorschläge geschickt, die uns allen nicht gefallen haben – dann wurde es doch wieder eine Farbe. (lacht)

Baroness - Blue RecordAlso wird es jetzt auch in Zukunft dabei bleiben?
Ich denke schon. Ich war ja nicht in der Band, als das mit den Farbspielereien angefangen hat. Aber da John das Artwork macht, und BARONESS sich auch zu einem großen Teil durch seine Illustrationen und das Artwork definiert, glaube ich, dass es Johns Hintergedanke war, dass man irgendwann einfach einen großartigen Tisch voll mit Alben hat, deren Cover als Ganzes großartig aussehen würden, wenn es diese Band lange gibt. In gewisser Weise ist es also eine Herausforderung,im Sinne von: „Hey, wie viele Farben kriegen wir hin?“ Und das finde ich eine ziemlich coole Herausforderung.

Das Album ist ja quasi gerade erst erschienen – seid ihr noch mit allem zufrieden?
Als Musiker ist es glaube ich immer so, dass man sich direkt nach der Veröffentlichung denkt, dass man gerne doch ein oder zwei Dinge anders gemacht hätte. Aber es sind in diesem Fall wirklich nur ein oder zwei Dinge. Ich bin wirklich stolz auf das Album und immer noch aufgeregt. Ich spiele es gerne Freunden vor und schäme mich da auch für gar nichts. Das war in der Vergangenheit bei ein paar Nummern anders. (lacht)

Ihr habt ja nun auch euer eigenes Label gegründet, Abraxan Hymn. Was war euer Gedanke dahinter und was bedeutet der Name?
Der Name bedeutet… oh man… verdammt, ich habe mich mit John darüber unterhalten, aber mir fällt es einfach grade nicht mehr ein. (lacht) Weißt du, BARONESS war auf Relapse und die Alben waren, glaube ich, die meistverkauften Alben auf diesem Label. Gleichzeitig sind wir die kleinste Band bei unserer Management Firma, die wirklich sehr berühmt und etabliert ist. Sie meinten zu uns, dass sie glauben, dass wir zu groß für Relapse geworden sind. Und sie haben Kontakte, um Leute einzustellen, um das Bürokratische eines Labels zu erledigen, und wir geben ihnen dafür 15% und der Rest gehört uns. Zusätzlich sind Labelverträge meistens ziemlich schlecht. Ich meine, warum unterschreibt man denn überhaupt bei einem Label? Ein häufiger Grund ist der Vorschuss, sodass man das Album schreiben und aufnehmen kann – aber unsere Management Firma arbeitet für Metallica. Sprich: Die Einnahmen aus einer Metallica-Show finanziert uns wahrscheinlich ungefähr zwei Jahre lang. (lacht) Insofern haben wir den Luxus, dass sie uns das Geld einfach vorschussen können und uns nur ein „So, und jetzt ab in die Arbeit“ hinterherrufen.

Seit wann bist du jetzt offiziell Mitglied von BARONESS?
Seit Dezember 2012, also kurz nach dem Unfall im August desselben Jahres. Das bedeutet, dass John knapp fünf Monate nach dem Busunglück schon wieder nach neuen Mitgliedern gesucht hat – das ist echt schnell, vor allem wenn man sich anschaut, wie schlecht er gesundheitlich dastand. Und dann ging alles sehr schnell: Proben im Janur und im Sommer ging es ab auf Tour.

Baroness - Red AlbumKanntest du den Jungs von BARONESS denn vorher schon?
Nein, ich kannte sie nur von ihren Alben. Mein Bruder ist riesiger BARONESS-Fan und hat mir ihre Musik näher gebracht, die ich super fand – und mein Bruder ist jetzt so überdreht deswegen. Er mag die anderen Bands, in denen ich spiele, aber er liebt BARONESS. Ich hab ihn direkt angerufen und er war total aus dem Häuschen. (lacht)

Wie bist du denn in Kontakt mit der Band gekommen?
Über zwei gemeinsame Schlagzeuger-Freunde. Ich spiele ja in einer anderen Band, Trans Am, die nur noch eine Teilzeit Band ist – was bedeutet, dass ich jetzt viel mehr Zeit habe. (lacht) Deswegen meinte unser gemeinsamer Kumpel zu John, dass er sich doch mal bei mir melden soll, weil ich grade verfügbar bin. John hatte uns schon live gesehen und war ein Fan der Band, und ich glaube, das war auch, was er wollte. Klar, es gibt zehntausende unglaublich gute Drummer, die dir alle möglichen irren und schnellen Sachen vorspielen können, aber wen interessiert das? Er wollte jemanden, dessen Musik er mag, jemanden, der schon auf Tour war, der weiß wie es ist, auf Tour zu sein, der Erfahrung im Studio hat, jemand, mit dem man abhängen kann, jemand, dessen Ästhetik er akzeptieren kann. Jemanden in seine Band einzuladen ist eine sehr persönliche Sache und das Einzige, das wir wirklich besitzen, ist unser Geschmack. Anders gesagt: Jemanden einzuladen, der zwar sein Instrument extrem gut spielen kann, aber einen ganz schlimmen Geschmack hat, ist eine ganz schön dumme Idee. (lacht) Es wird immer jemanden geben, der schneller oder besser spielen wird, aber haben sie die gleichen Vorstellungen von Musik?

War von vornherein klar, dass du am Schreibprozess beteiligt sein würdest?
Darüber haben wir am Anfang gar nicht geredet, da ging es nur um das Touren. Während der ersten Tour haben wir dann angefangen, darüber nachzudenken, was wir schreiben wollten. John und ich haben uns dann bei einem Kaffee getroffen und gesagt, dass wir diesen Beat wollen oder diese Harmonie.

Bist du denn selbst auch ein Teil der Southern-Metal-Szene?
Nein, und ich glaube, dass BARONESS diese Szene auch schon länger verlassen hat. Wenn ich an diese Musikrichtung denke, dann kommt mir als erstes etwas in den Kopf, was eher sludgy und einfach klingt – und BARONESS waren das nie. Sie hatten schon immer einen gewissen barocken Sound, viele Details und viel Ausschmückendes. Die Musik ist nicht so stumpf wie Stoner Rock, BARONESS sind eben keine Neandertaler-Musik. (lacht) Es gibt da einen starken 70s- und Classic-Rock-Einfluss im Stil von Thin Lizzy und Queen, wenn man sich die Harmonien ansieht, aber im Drumming und im Gesang hat mich die Musik von BARONESS schon immer mehr an Hardcore und Post-Hardcore erinnert, an Bands wie Fugazi zum Beispiel. Und das hat für mich jetzt wirklich nichts mit den Südstaaten zu tun. (lacht) John und Pete sind aus Virginia, also dem Anfang des Südens, und die Band hat in Georgia angefangen. Aber das war vor vielen Jahren – jetzt ist BARONESS eine Philadelphia-Band – das ist auch nicht wirklich im Süden. (lacht)

Baroness

Im Internet liest man ja gerne die Aussagen, dass BARONESS früher viel mehr Metal waren und das neue Zeug ja eh nichts kann – Klischee-Aussagen eben. Kümmern dich solche Meinungen?
Die kurze Antwort ist: Nein. (lacht) Aber die lange Antwort ist: Ja. Mein oberstes Ziel ist es, mich selbst als Musiker glücklich zu machen und die Band musikalisch glücklich zu machen. Gleichzeitig möchte man selbstverständlich, dass deine Musik den Leuten gefällt, sodass du auf Tour gehen kannst und nicht komplett pleite nach Hause kommst. Aber, weißt du: Ich habe angefangen live zu spielen und Musik zu machen, bevor das Internet existiert hat. Es gab so etwas wie ständige Kommentare einfach nicht. Jetzt lese ich es manchmal auf Facebook und Youtube, und wenn es um „Purple“ geht, dann sind die Meinungen zu 99% positiv – die Leute lieben unser neues Album! Daher ist es jetzt für mich einfach zu sagen, dass es mich nicht kümmert, wenn jemand gemeine Sachen erzählt. Aber generell kümmert mich dieses Gerede auch nicht, weil unsere Musik jetzt einfach weniger Metal ist, objektiv betrachtet. Und das ist auch ok so, das ist kein Diss, sondern das ist die Wahrheit. Was mich ärgern würde, ist, wenn jemand sagen würde: „Allen ist so viel besser am Schlagzeug, als dieser neue Typ.“ (lacht) Aber ich glaube, die Leute sind echt zufrieden mit mir.

Nachdem wir gerade schon über Southern Metal geredet haben und das Thema immer noch aktuell ist: Hast du eine Meinung zum rassistischen Ausfall von Phil Anselmo?
Ich habe niemals wirklich viel Pantera oder Down gehört. Für mich hat es immer so gewirkt, dass die Menschen, die diese Musik hören, das sind, was wir in Amerika als „Meathead“ bezeichnen würden, also nicht die intelligentesten und wortgewandtesten Menschen, wenn du weißt, was ich meine. Ich kenne Phil so ein bisschen von Festivals, als wir mal ein paar Bier gemeinsam getrunken haben. Er hat auf mich wie ein ganz netter, lustiger Typ gewirkt, mit dem man über HP Lovecraft und Football reden konnte. Das war eine nebensächliche Unterhaltung an einem Pool in Australien. Seine Antwort, als er damit konfrontiert wurde, war ja, dass er nur einen betrunkenen Witz gemacht hat und nicht rassistisch ist. Ich kenne Phil nicht, ich kann und will da jetzt auch nicht viel sagen, aber falls es ein Witz ist, dann ist es echt ein beschissener Witz. Wenn jemand etwas homophobes sagt, wie „Scheiß Schwuchtel! Haha, ist nur ein Witz?“ – wo soll das denn bitte lustig sein? Aber in der Öffentlichkeit zu sagen, dass jemand ein Rassist ist – das eine wirklich schwerwiegende Aussage. Ist er ein Rassist? Ich weiß es ganz ehrlich nicht, ich kenne ihn nicht. BARONESS sind keine Rassisten und wir können Rassisten nicht leiden. Alles was ich sagen will, ist, dass ich ihn nicht kenne, und das eine Anschuldigung ist, die ich nicht einfach so ausspreche.

Baroness - Live At Maida ValeDu hast gerade schon gesagt, dass du als Liveschlagzeuger angefangen hast, bevor ihr gemeinsam Musik geschrieben habt. Wie wichtig ist es für dich, live zu spielen?
Es ist der wichtigste Teil. Wir waren jetzt auch wirklich aufgeregt, die neuen Songs live zu spielen, denn dafür haben wir sie geschrieben. Man kann zwar im Studio ein wenig mehr zaubern, aber die Rohversionen live sind das Größte. Live zu spielen ist der schönste Teil an diesem ganzen Musikding. Leute denken, auf Tour zu sein ist eine ununterbrochene Party – aber das ist es nicht. Man spielt die Show, geht duschen, trinkt ein Bier und fährt dann direkt weiter, für sechs Wochen am Stück. Es gibt keinerlei Privatsphäre, jeder furzt vor allen anderen… (lacht) Aber es macht unglaublich viel Spaß. Es ist super, mit den anderen Jungs zu spielen, weil sie so tolle Musiker sind, unser Soundmann ist toll, wir haben einen großartigen Sound auf der Bühne, das Publikum ist super… In Spanien zum Beispiel haben sie die Gitarrensoli wie Fußballchöre mitgesungen. Wie cool ist das denn, bitte?!

Habt ihr denn neben der US-Tour nächstes Jahr noch spezifische Pläne?
Wir werden in Bogoto in Kolumbien und in Mexico City auf Festivals spielen, das wird super. Der Sommer ist noch nicht ganz klar, da einige Bandmitglieder andere Verpflichtungen haben. Vielleicht gibt es noch ein paar Festivals in Europa, aber da ist noch nichts endgültig entschieden. Und im Herbst werden wir wohl noch weitere Konzerte in Nordamerika und Europa spielen. Jetzt ist das Album gerade frisch erschienen, jetzt sollten wir auch viel unterwegs sein.

Habt ihr denn in diesem ganzen Trubel auch schon über neue Musik nachgedacht?
Ja, vor der Tour haben wir ein bisschen darüber nachgedacht – aber jetzt sind wir alle zu erschöpft, um an neuen Sachen zu arbeiten. (lacht)

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