Interview mit Matze Rossi

Ende Mai, an einem wundervoll sonnigen Tag macht MATZE ROSSI mit seinem neuen Album „Ich fange Feuer“ endlich einmal wieder Halt in München. Wir trafen uns bei einer Tasse Ingwertee und Nachos mit Dip mit dem sympathischen Schweinfurter und unterhielten uns über sein neues Album, das Leben auf Tour, deutschsprachige Musik im Ausland und über seine alte Punkband Tagtraum.

(Während wir darauf warten, dass das Wasser für MATZEs Ingwertee kocht, kommt er auf den Namen unseres Magazins zu sprechen)
Ich finde das ja total geil, dass eine Metalzeitschrift meine Platte reviewed hat. Total gut! Gerade so Metalfans haben ja auch den Bezug zu Vinyl und dieser Leidenschaft zu Musik viel mehr, als andere Musikfans. Da ist schon eine Ähnlichkeit zu Punk Rock, das ist halt eine Nischengeschichte, die schon ewig funktioniert. Voll gut.

Seit der Veröffentlichung deines neuen Albums „Ich fange Feuer“ hast du dir ja wirklich die Finger blutig gespielt, oder?
Ja, es ist heute schon das 37. Konzert mit dem neuen Album, das ist schon irre. Also klar, am Releasetag waren es fünf Konzerte, hintereinander aber dann gab es eben gleich einen Tourblock im April, dann kurz Pause und jetzt eben der nächste Block, dann noch ein paar Festival und für den Herbst sind wir grade so ein bisschen am machen.

Und wie läuft es bisher?
Durchweg echt super. Mir kommt das auch nicht so auf die Anzahl der Leute an, sondern wie die Stimmung auf den Konzerten ist. Ich überleg gerade, das schlechtbesuchteste waren glaube ich 34 Zahlende, das beste knapp 200.

Matze Rossi 01 (Carolin Breckle)

Wie fühlt sich das alles für dich an, nach den ganzen Jahren in Eigenproduktion und einer längeren Pause nun ein Label im Hintergrund zu haben?
Ich hatte das ja reduziert mit dem Musikmachen, auch weil ich familiär so eingebunden war, mit kleiner Tocher dann noch mal. Daher war es die letzten sechs Jahre eher ruhiger. Das ging dann einher mit der Entscheidung, wie ich weitermachen will und ob ich überhaupt mit dem ROSSI-Ding weitermache. Einerseits hatte ich Bock auf laute Musik, aber bei ROSSI war mir das dann mit Band auch zu viel Reingerede und bei den Konzerte war es schwierig, das Finanziellle zu stemmen. Dann hab ich mich entschlossen, diese Punkband zu gründen, Bad Drugs, und mit ROSSI wieder verstärkt solo zu machen. Das hab ich dann auch getan und damals diese „Und jetzt Licht, bitte!!!“-Platte rausgebracht – und das hat halt dann wirklich so reingehauen, dass ich mir gedacht hab, hey, jetzt kündige ich meinen Job und fang noch einmal an, richtig Musik zu machen.
Das hab ich dann Oise erzählt, und das ist jetzt eine Art Kreis, der sich da schließt. Oise war derjenige, der mich 2003 dazu bewogen hat, dieses Soloding überhaupt zu starten. Wir saßen bei mir rum und er fand die Solosachen halt cool und hat gefragt, ob ich das nicht rausbringen will. Ich war mir da aber gar nicht sicher, ob ich das rausbringen will, denn die Aufnahmen gab es nur, weil ich eigentlich keine Noten kann und damit ich mir die Songs merke. Dann kam eins zum andern, ich hab das dann selbst gebrannt, die Platte, die „Solo(w) Boy, So-Low“ ist damals super gut angekommen. Deswegen finde ich es so schön, dass 2016, 13 Jahre später, Oise und ich wieder zusammenarbeiten.

Merkst du denn auf Tour auch, ob es jetzt mehr Leute gibt, die deine früheren Sachen gar nicht mehr so kennen?
Unterschiedlich. Meinst du jetzt auch mit Tagtraum?

Matze Rossi - Und jetzt Licht bitteAuch. Ich frage, da ich glaube, dass viele bis zu „Und jetzt Licht, bitte!!!“ Menschen waren, die mit dir gewachsen sind. Aber jetzt mit neuem Vertrieb und mehr Aufmerksamkeit ist das vielleicht anders?
Ah, du meinst, ob es da einen neuen Schub gibt. Ja, das merkt man schon. Vor allem merke ich das daran, wie der Backkatalog jetzt eingekauft wird. Es passiert oft, dass Leute abends nach dem Konzert dastehen und halt alle fünf CDs mitnehmen. Das ist schon cool. Dazu ist es auch ein großer Schub in der Internetmedienlandschaft, weil da eben viel passiert und viele Leute aufmerksam werden. Das ist großartig.

Schön, dass du Internet sagst – du hast ja vor einigen Jahren zwei EPs nur digital veröffentlicht, ursprünglich waren drei angedacht. Was ist eigentlich aus der dritten geworden?
Die Dritte hat es nie geschafft. Songs gab es schon, wir sind nur mit der Band nicht mehr dazugekommen. Es stand dann länger im Raum, ob ich die drei Songs von damals einfach solo aufnehme, und die Songs gibt es tatsächlich noch. Aber ich finde die gar nicht mehr so gut, ich weiß auch gar nicht, ob ich die noch kann. (lacht)

Worauf ich eigentlich raus wollte, sind die verschiedenen Vertriebswege deiner Veröffentlichungen: Das erste Album war ja selber gebrannt, dann kamen die CD-Veröffentlichungen, dann eben digital. Dieses Mal hast du verstärkt auf Vinyl wert gelegt, nicht zuletzt durch die Goldenen Tickets in der die Special Edition. Was ist der Gedanke hinter diesen verschiedenen Formaten?
Im Prinzip habe ich dieses Mal ja nichts anderes gemacht als davor. Man sucht sich Wege als Musiker, der alles selber gemacht hat – ich hab ja bisher mein eigenes Label gehabt, mein eigenes Booking –, wie man zurechtkommt und mit wenig Ausgaben die meisten Menschen erreicht. „Solo(w) Boy, So-Low“ war selbstgebrannt, weil ich dachte, dass ich bei den paar Shows halt ein paar Kopien vergeben werde, aber wie das dann so ist, musste ich mir auf einmal einen zweiten Brenner kaufen, weil der erste abgeraucht ist. (lacht) Das Album ist jetzt auch nochmal aufgelegt worden, so richtig mit Hülle und so weiter.
Die Idee dahinter, diese EPs aussschließlich online zu machen, war zum einen, dass die Band mehr Geld gekostet hat, wir aber auch den Eindruck hatten, dass digitale Veröffentlichungen das neue Medium sind. Die Leute kaufen auch relativ wenig CDs. Das macht ja auch wirklich relativ wenig Sinn, es sei denn du bist ein Fan und hast keinen Schallplattenspieler und möchtest das zu Hause haben. Das finde ich auch schön, dass CDs noch verkauft werden, weil ich es generell schön finde, etwas in der Hand zu haben und das spürbar zu machen. Aber der Trend ist eben, dass dieses ganze Downloadzeug und Spotify viel mehr frequentiert wird als CDs.
Bei der letzten Platte hab ich auch Vinyl gemacht, das war für mich so ein Wunsch, weil ich nicht so zufrieden war mit dieser reinen Onlinesache, auch für mich persönlich. Das hat sich einfach nicht wie so ein richtiges Release angefühlt – sicherlich auch dadurch, dass es nicht fertig geworden ist. (lacht) Aber die „Und jetzt Licht, bitte!!!“ war für mich was anderes. Die Band war raus und ich wollte es dann irgendwie so richtig krachen lassen, hab dann auch Tapes gemacht und Vinyl und CDs, also einen kompletten Rundumschlag. Das ist auch richtig gut angekommen. In den Vorbestellungen waren es damals so um die 250 LPs und jetzt mit End Hits Records bei „Ich fange Feuer“ waren wir fast ausverkauft, bevor die Platte rauskam. Das war echt nochmal ein großer Schub.

Matze Rossi 03 (Carolin Breckle)

Auf „Ich fange Feuer“ hast du mit Studiomusikern zusammengearbeitet. Was war der Gedanke dahinter, einen Bandsound auf dem Album zu kreieren?
Bei „Und jetzt Licht, bitte“ gab es ja auch schon ein paar andere Instrumente, die habe ich aber selber eingespielt. Bei „Ich fange Feuer“ war es jetzt so, dass ich die Platte für mich zu Hause schon fertig aufgenommen hatte, wieder so Lo-Fi wie die „Und jetzt Licht, bitte!“ Dann habe mir das ein paar Mal angehört und mich auch mit Oise unterhalten, der die Platte ja auch rausbringen wollte. Und wir fanden das beide echt gut, haben dann aber so hin und her überlegt und habe mich dann mit meinem guten Freund Sven Peks, der auch alle Tagtraum-Alben produziert hat, zusammengesetzt, und der hat gemeint, dass wir das mal mit anderen Musikern probieren sollten und hat das dann ein paar Musikern geschickt, die er von Studioarbeiten kannte und eben auch Uwe Breunig, der Schlagzeuger, auch ein alter Freund von mir. Und die meinten gleich alle, dass sie da dabei sind und das unbedingt machen wollen, dass das geile Songs sind und haben die Ideen, die ich hatte, auch so umgesetzt – natürlich besser gespielt. Das war eine großartige Erfahrung.
Der Gedanke dahinter war schon auch, dass ich halt nicht nochmal das Gleiche machen wollte, nur mit anderen Songs. Da war eine Möglichkeit, das digital und eher so auf Elektro zu machen, aber da hatte ich gar keinen Bock drauf, das hat nicht gepasst. Dann hab ich mich dafür entschieden, das Neue in der Aufnahmetechnik umzusetzen. Wir haben das so gemacht, wie in den 60ern und 70ern, wenig Mikrophone in einem Raum und alles gleichzeitig einspielen. Es ist quasi eine Liveplatte im Studio geworden.

Aber das bleibt jetzt auch bei der Zusammenarbeit im Studio, oder könntest du dir vorstellen, wieder mehr Bandmusik zu machen?
Da ist einfach die Sache, dass ich halt live eine Band derzeit nicht finanzieren kann. Ich hab jetzt ein paar vereinzelte Anfragen für Bandshows gehabt, und es wird definitiv eine Bandtour geben, das ist auch mein großer Wunsch, das umzusetzen. Ich überlege nur gerade, wie ich das am besten mache, wie ich die Leute darauf konditioniere, dass dann da die Tickets ein bisschen teurer sind, keine Ahnung… Da muss ich mir noch was überlegen. Insofern: Eine feste Band wird es eher nicht geben.

Bad Drugs - Old Men Young BloodBei Bad Drugs singst du ja auf Englisch, bei Tagtraum und deinen Soloalben bis auf wenige Ausnahmen, wie zum Beispiel „Best Friends“ komplett auf Deutsch. Hast du dir überlegt, solo auch mal etwas auf Englisch zu machen?
„Best Friends“ habe ich ja für Wauz geschrieben und der Song ist ja eigentlich von den Bad Drugs. Bei Bad Drugs geht es ja auch eher um das Krachige und da ist mein schlechtes Englisch jetzt nicht so im Vordergrund. (lacht) Ich denke, dass die stärke der ROSSI-Sachen darin liegt, dass man sich in den Texten wiederfinden kann. Ich bin halt auch einfach kein Native Englishman, dass ich das könnte. Aber es macht mir total Spaß, auf Englisch zu singen, ich cover auch ganz gerne und werde auch heute Abend ein paar Songs auf Englisch spielen. In letzter Zeit kriege ich da auch total viel positive Resonanz und in einem Lied habe ich am Ende auch einen Refrain auf Englisch.

Ich habe auch gelesen, dass es Überlegungen gibt, mit Joey Cape in Amerika etwas auf Englisch zu machen. Kannst du dazu ein bisschen mehr erzählen?
Ich gehe auf jeden Fall in den Staaten auf Tour im September, aber es ist noch nicht ganz raus, ob das terminlich hinhauen wird mit Joey, weil er da wahrscheinlich auf Tour ist. Das ist total schade, weil ich das total gern gemacht hätte, und ein bisschen ungünstig, dass es jetzt schon in einem Interview stand, weil mich da jetzt wohl einige Leute drauf festnageln. Aber ich bin guter Dinge, noch ist es nicht abgesagt, leider aber auch noch nicht zugesagt.

Wie kommt das denn mit Konzerten den Staaten?
Ich hab eine sehr gute Freundin, die wohnt in Sausolito auf einem Hausboot. Die hat schon immer gesagt, dass ich mal in den Staaten spielen soll. Jetzt hilft mir Jeff von Divided Heaven bei ein paar Shows und Jenny kennt auch ein paar Leute in San Francisco, da machen wir dann ein paar Konzerte und Festivals.

Weißt du schon, wie du das sprachlich machen wirst?
Ich spiele dann schon auf Deutsch und mach dann ab und an ein paar Sachen spontan auf Englisch, das habe ich in London zum Beispiel auch so gemacht, als ich da gespielt hab.

Wie funktioniert das denn, im nicht-deutschsprachigen Ausland?
Echt super! Da hab ich die schönsten Komplimente bekommen, die man überhaupt bekommen kann als deutschsprachiger Künstler im Ausland. Das ist so super, dass viele unabhängige Leute – ich hab ja auch im Kosovo gespielt, in London, in Spanien, Frankreich – danach kamen und meinten, dass sie gar nicht gemerkt haben, dass das Deutsch ist, sondern dass man spürt wovon ich singe und dass sie sich verbunden fühlen. Ich mein, was gibt es besseres?

Matze Rossi 02 (Carolin Breckle)

Du hast für „Ich fange Feuer“ ja auch ein paar Musikvideos gemacht, mit „Kein Zweifeln und Bedauern“ auch ein aufwendiger produziertes Video. Was hältst du von diesem Format und was ist die Geschichte hinter den Videos?
Bei der „Und jetzt Licht, bitte!!!“ gab es zu fast jedem Song ein Video, auch wenn ich das Projekt leider nicht ganz geschafft habe. Aber ich finde generell, dass über Musikvideos noch einmal mehr visuell vermittelt werden kann und Leute da mehr reinklicken und reinschauen und das mehr geteilt wird, als so ein blanker Song. Ich selber steh auch auf Musikvideos und schau mir die gerne an.
Zu den konkreten Videos dieses Mal: Zu „Wenn ich mal“ haben wir wirklich im Studio in einer Pause die Idee gehabt, dass wir mit nur einer Kamera und einem Mikrophon ein Video dazu machen. Bei „Kein Zweifeln und Bedauern“ meinte Oise, dass wir noch ein bisschen Budget hatten und was wir denn machen könnten. Dann hab ich eine Freundin von mir gefragt, die die Ballettlehrerin meiner Tochter ist, ´die, wie ich finde, super gut tanzt. Das fand ich dann einfach schön, auch in dem alten Amikino, da konnten wir über die Stadt rein.

Lohnt sich ein aufwendiger produzierter Clip noch, nachdem das Musikfernsehen tot ist?
Klar, der Aufwand war schon ein bisschen größer, aber ich habe das Glück, dass ich ganz viele tolle Freunde habe, die das unterstützen und die mir mit geringem Budget unter die Arme greifen. Dazu sehe ich das halt wirklich als Werbeträger. Klar, die Zeiten wo man über MTV Geld bekommt, die sind rum.

Zum Abschluss unseres Gesprächs muss ich selbstverständlich noch die Klischeefrage stellen: Gibt es Überlegungen, wieder etwas mit Tagtraum zu machen? In letzter Zeit gab es ja sogar einige Aktivität auf eurer Facebookseite.
Eigentlich wären wir jetzt grade mit Tagtraum auf Tour. Die Konzerte standen schon alle und es war ein fester Revivaltourblock eingeplant, aber wir haben uns dann relativ kurzfristig Ende des Jahres entschieden, das doch nicht zu machen. Aus persönlichen Gründen. Wir sind alle super freundschaftlich, es haben nur zwei, drei gesagt, dass ihnen das zu viel wird.

Tagtraum - Feuer gratisWirst du denn allgemein noch viel auf Tagtraum angesprochen?
Ja, sehr viel. Ich bin auch total glücklich, dass es so vielen Leuten so viel bedeutet und das unermüdlich weiter gehört wird. Mich nervt das auch gar nicht, aber ich spiele halt nur noch die Songs, auf die ich Bock hab. Das muss auch in die Situation passen. Ich kann mich bei den ganzen alten Songs auch immer noch gut rein versetzen, auch in die Situation, in der die Lieder entstanden sind. Klar, manche Sachen finde ich total peinlich, aber ich habe so viel Empathie mit meinem jüngeren Ich, dass ich weiß, warum ich das geschrieben hab. Da irgendwas zu bereuen, das wäre ja Quatsch.

Im Herbst diesen Jahres geht Matze Rossi gemeinsam mit Jon Snodgrass und Northcote auf Tour. An folgenden Terminen könnt ihr die geballte Ladung Singer-/Songwriter mit Punkeinschlag live sehen:

Matze Rossi Tourflyer

Die großen Promofotos stammen von Carolin Breckle.

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