Interview mit Josefine und Noel von Painkiller Party

Die deutsche Electronicore-Gruppe PAINKILLER PARTY legt nach dem 2019er Debüt „Welcome To The Party“ ihr Zweitwerk „It‘s Never Too Late To Have A Happy Childhood“ vor und eckt mit ihrem polarisierenden Konzept erneut an. Was die wahre Absicht dahinter ist, was es mit dem Albumtitel auf sich hat, ob man in der bierseligen Metal-Szene auch ohne Alkohol Spaß haben kann und vieles mehr verrieten Frontfrau Josephine und Drummer Noel kurz vor Release der neuen Platte im Interview.

Bandlogo von Painkiller Party

Bei eurem Bandkonzept und der lyrischen und visuellen Konzentration auf pornöse Themen könnte man sich vorstellen, wie ihr in bierseliger Runde aus einer Schnapsidee Realität habt werden lassen – aber ihr trinkt ja keinen Alkohol. Wie also hat es sich wirklich zugetragen?
Josefine: Also, der Mythos besagt ja, dass ich ein paar Jungs für einen Gang Bang gesucht habe, sich auf mein Inserat dann diese drei hier gemeldet haben und wir festgestellt haben, dass sogar jeder von uns mindestens ein Instrument spielen kann. Aus dem Nähkästchen geplaudert: In Wahrheit war es schon immer mein großer Traum, eine lustige Electronicore-Band zu haben, und so habe ich natürlich gezielt nach Leuten gesucht, die nicht nur einen Kasten Bier wegproben wollen, sondern mit dabei sind, diesen Traum in Erfüllung zu bringen.

Was wollt ihr künstlerisch und musikalisch darstellen? Seht ihr euch selbst eher als Partyclowns oder als ernsthafte Musiker*innen?
Noel: Das Konzept und die Musik sind alles sehr lustig und wir freuen uns, wenn das auch wahrgenommen wird (Grüße gehen raus an die Hater, die das nicht verstehen), aber natürlich sind wir keine chaotische Band, die beim Proben mal guckt, was bei rumkommt. Wir machen alle strukturiert unsere Musik, da wird nicht gejammt oder dergleichen. Wir wissen, was wir wollen und wollen regelmäßig ein Album rausbringen, haben ein Label, einen strukturierten Release und von uns durchkonzipierte Musikvideos. Aber klar, mit einem Aufblaspenis auf ein Schlagzeug rumzuhauen, macht immer Spaß. (lacht)

„Wenn ich nur des Aneckens wegen etwas machen wollte,
müsste ich theoretisch nur in einem Stadion den Sport ausbuhen“

Ihr kommt aus Minden, einer Stadt, die der Durchschnittsperson in Deutschland vor allem bekannt ist für … nichts. Wie lautet euer Masterplan, um das zu ändern?
Noel: Nach Berlin ziehen! (lacht)
Josefine: Wir kommen auch alle gar nicht ursprünglich aus Minden, wir sind nur zugezogen. Und demnächst ziehen wir auch wieder weg, nach Berlin, weil ich inzwischen bei einer tollen PR-Agentur arbeite, die dort ansässig ist. Ich bin multikulti und global, nicht regional. Deshalb verstehe ich auch gar nicht, warum es für so viele Journalisten und Co. immer so wichtig war zu betonen, dass wir aus Minden (1einself!!) kommen.

Live-Foto von zwei Mitgliedern der Band Painkiller Party
Noel und Josefine live mit PAINKILLER PARTY; © Heike Leppkes

Mit eurem Konzept eckt ihr an und polarisiert. Wie viel kalkulierte Provokation ist da dabei?
Josefine: Sozusagen gar keine! (lacht) Natürlich war klar, dass unsere Band polarisieren würde, aber ich lebe ja schon ein paar Jahre länger und habe schon immer krass polarisiert. Das ist für mich nichts Neues. Ich habe aber lieber krasse Emotionen als gar keine.
Noel: Wenn ich einfach nur des Aneckens wegen etwas machen wollte, müsste ich theoretisch nur in einem Stadion den Sport ausbuhen. Dazu braucht es dann kein produziertes Album. Aber auch mal im Ernst: Wir sind das, was wir machen. Wir stellen zwar auch Sachen überspitzt dar, letztendlich aber sind auch in echt Einhörner und Luftballons in unserer Wohnung, und unsere Frisuren sind permanent, wir ziehen uns jeden Tag so an, auch wenn man zum Finanzamt oder einer Beerdigung geht. Wir sind PAINKILLER PARTY, wie man auch in den Liedern „We’re So Fucking True“ und „Still Fucking True“ hören oder lesen (zwinkert) kann.

Wie geht ihr mit der negativen Kritik um, die ihr aufgrund eures polarisierenden Konzepts bekommt?
Josefine: Es gibt ja immer noch einen Unterschied zwischen objektiver Kritik und Hate. Die objektive Kritik ist kein Problem, Hate ist schon ein Problem unserer Gesellschaft. Aber auch da muss man manchmal Humor walten lassen. Es ist immer wieder schön zu sehen, wenn Leute so schockiert sind, dass sie schneller etwas schreiben möchten, als ihr Gehirn es ausformulieren kann.
Noel: Z. B. hat jemand uns online die „scgecteste Band der Welt“ genannt! (lacht) Ich bin gerne die scgecteste Band der Welt, solange ich nicht die schlechteste bin.
Josefine: Im Positiven gibt es das aber auch häufiger. Dann schreibt jemand sowas wie: „Der Tex tim zwieten Lied Gang Bnag!“, und ich denke mir nur: Einmal durchatmen, Junge, alles wird gut.

„Wer sich die Kindheit zurückwünscht,
der wünscht sich seine Unmündigkeit zurück“

„It‘s Never Too Late To Have A Happy Childhood“ ist euer mittlerweile zweites Album (>> [+]-Review / >> [−]-Review). Was habt ihr anders, was habt ihr besser gemacht als beim Debüt?
Josefine: Also, was wir anders gemacht haben, ist vor allem, nicht mehr zum Tonstudio des ersten Albums zurückzugehen. Ein Top-Studio, keine Frage, aber die hohe Qualität, die dort geboten wird, geht komplett auf Kosten der Individualität. Es sollte krampfhaft etwas Verkaufbares aus Pornocomedy gemacht werden – aber Pornocomedy wird niemals ein Massenprodukt sein! Ich sollte unbedingt shouten, statt zu growlen, es musste dies geändert werden, das geändert werden, poppigere Songstrukturen, mehr Wechselgesang und, und, und. Am Ende haben wir zu viel unserer Seele verkauft. Deshalb sind wir beim zweiten Album nicht mehr zu Aljoscha Sieg, sondern nur noch zu David Beule gegangen. Und deshalb klingt „It’s Never Too Late To Have A Happy Childhood“ auch 100 % so, wie wir klingen möchten.
Noel: Jetzt hatten wir die Möglichkeit, nur noch die Parts in die Lieder zu packen, die uns gefallen. Das Lied hört mit einem Breakdown auf, der langsamer wird, denn jetzt geht es! Es meckert auch keiner, wenn der Breakdown bis zu 30 % des ganzen Liedes einnimmt, denn das finden wir halt geil und das sind wir. Jetzt sind ultra-tiefe Death-Growls auf dem Album, auch wenn das für viele zu düster ist. Und wir merken auch bisher, dass es so sogar besser ankommt als vorher, vermutlich, weil es jetzt 100 % authentisch und echt ist.

Artwork des Albums It’s Never Too Late To Have A Happy Childhood der Band Painkiller Party -

Der Albumtitel suggeriert, dass ihr selbst keine allzu glückliche Kindheit hattet. Wie war die Kindheit für euch, was hat euch eventuell gefehlt oder ist euch sauer aufgestoßen?
Josefine: Ich zitiere die erste Zeile des Liedes „It’s Never Too Late To Have A Happy Childhood“: „My childhood’s long ago, and I’m so happy that it’s over.“ In dem Sinne …
Noel: Und hier komme ich ins Spiel! (lacht) Wie ich gerne und vor allem auch häufig sage: Wer sich die Kindheit zurückwünscht, der wünscht sich seine Unmündigkeit zurück. Aber ich fange mal von vorne an. Wenn man ein Kind ist, übernehmen die Erwachsenen für einen die Verantwortung und vor allem aber auch die meisten Entscheidungen. Man kann sich als Kind nicht aussuchen, mit welchen Leuten man sich umgibt oder wie der Alltag strukturiert wird. Es wird einfach erwartet, dass man sich mit den zufälligen paar Leuten, mit denen man zusammengesetzt wird, versteht, egal ob es sich hierbei um Familie oder Klassenkameraden oder Nachbarn handelt. Als Erwachsener suche ich mir aus, mit wem ich wo und wie meine Zeit verbringe und treffe alle Entscheidungen selbst. Ich verstehe niemanden, der sich die Kindheit zurückwünscht, ich will kein Zombie sein.
Josefine: Schon als Kind war mein größter Wunsch, endlich erwachsen zu sein! Wenn wir wollen, gibt es Waffeln zum Frühstück oder Eis um zwei Uhr nachts. Wir können alles machen, was wir wollen, und deshalb ist es das absolut Tollste, ein Erwachsener zu sein.

Wie wichtig ist es, gerade als Erwachsener noch immer zu einem gewissen Teil Kind zu sein?
Josefine: Extrem wichtig! Ich sehe leider so oft junge Leute, die schon so tot und leblos sind. Das ist echt traurig. Man kann immer noch gern Süßigkeiten essen, lachen und Spaß haben, auch wenn man dann noch den Hausputz und die Steuererklärung machen muss.

„Ich achte darauf, dass ich mich eloquent ausdrücke
– auch wenn ich über Sperma und Gang Bangs singe“

Dass ihr Deathgrowls von einer SängerIN habt, wird von euren Promo-Partnern als Unique Selling Point vermarktet – und zugleich erwähnt, dass sie am Ende eh nicht von einer männlichen Stimme zu unterscheiden sind. Inwiefern ist das dann trotzdem noch etwas Besonderes oder gar Einzigartiges?
Noel: Da hast du dir quasi die Frage schon selbst beantwortet! (lacht) Es ist etwas Einzigartiges, weil keine andere Frau so klingt. Es gibt viele Frauen mittlerweile im Metal und Core, aber keine klingt auch nur annähernd so tief und schweinig … wenn denn überhaupt mal von Frauen dann guttural gesungen wird, sind es meistens Screams. Denn hoch singen und Frau, das passt ja, das ist attraktiv und darf sein. Am besten noch super schlank und geschminkt, mit glatten langen Haaren, wahlweise blondiert oder blau. Davon bedienen wir nicht eine Sache … und genau deshalb wird Josi leider auch nicht gepusht oder als weibliche Sängerin mit krassen Vocals wahrgenommen, weil sie keine langen glatten Haare, keine Schminke oder Ähnliches hat und vor allem: weil sie nicht hoch singt! Für Female-fronted, Feministen und auch irgendwie alle Core-Hörer zählt nämlich nur, ob die Frau in das Schema passt, und nicht, ob es eine Frau ist. Um es so zu sagen: Josi ist dann für die ganzen Menschen keine Frau, obwohl sie Eierstöcke und Brüste hat. Das ist aber egal, denn so wirkt sie jetzt wie ein Mann für die genannten Personen und deshalb nichts Besonderes. Krasse männliche Growler gibt es ja häufiger, da nickt man maximal anerkennend zu, mehr aber auch nicht.
Josefine: Da kann ich kaum noch was hinzufügen … Aber das ist das große Problem, das ich beim heutigen Feminismus sehe: Es geht nicht um Frauen, sondern um mit dem Attribut feminin konnotierte Eigenschaften. In Sachen Musik, klar gibt es auch andere Growlerinnen. Und worüber berichtet man bei Iwrestledabearonce oder Jinjer? Dass sie auch klar singen können! Sie können growlen – aber halleluja, können die auch klar singen, und wie toll die auch noch dabei aussehen! Darum geht es nämlich und nicht um die Leistung. Wenn das „kleine Persönchen“ eine einigermaßen gute Leistung bringt, ist das in der allgemeinen Wahrnehmung besser, als wenn eine krasse Leistung von jemandem erbracht wird, der nicht das gesellschaftskonforme Stereotyp erfüllt. Wobei ich damit jetzt natürlich nicht Jinjer und Iwrestledabearonce angreifen möchte. (lacht)

Gruppenfoto der Band Painkiller Party
PAINKILLER PARTY; © J. Grawonski

Habt ihr bei den Texten auch einige eigene Erfahrungen verarbeitet oder ist das letztendlich überspitzter Quatsch zur reinen Unterhaltung?
Josefine: Am Anfang eines jeden Liedes steht die inhaltliche Idee. Demnach ist es bei uns kein Quatsch, der irgendwie da ist, damit Worte in die Instrumentierung kommen. Ich achte auch darauf, dass sich alles reimt und dass ich mich eloquent ausdrücke – auch wenn ich über Sperma und Gang Bangs singe. (zwinkert) Natürlich kommen persönliche Erfahrungen mit in die Inspiration, aber ich denke jetzt nicht an konkrete Personen oder widme irgendwem ein Lied. Nur bei „Well Then, Max“ ist das so, aber das ist auch ein Spaßlied, das die Band geschrieben hat, um dem Bassisten dezent durch die Blume anzudeuten, dass er auch mal den Arsch hochkriegen könnte. (lacht)

Songs wie etwa der Titeltrack tragen eine sehr lebensbejahende, optimistische und motivierende Botschaft. Wie geht ihr damit um, dass eure Hörer*innen bei dem Gesangsstil das meiste davon gar nicht verstehen können?
Josefine: Also, wer vertraut mit Deathcore und Artverwandtem ist, sollte schon imstande sein, einen gewissen Teil zu verstehen. Und was man nicht versteht, sollte man nachlesen können. Selbst wenn man nicht lesen kann, kann man es sich immer noch vorlesen lassen! Für mich ist es eine faule Ausrede, sich nicht mit etwas beschäftigt zu haben, wenn man nicht imstande ist, Texte zu lesen.
Noel: Und wenn wir beim Thema Deathcore sind: Da gibt es noch ganz andere Kaliber, was die Verständlichkeit angeht! Bei uns kann man die gutturalen Vocals im Verhältnis sehr gut verstehen, wenn man im Gegensatz dazu bei anderen Bands einen vollständig ausformulierten Satz in den Lyrics sieht, aber wirklich nur „breeebreeee üüüü üüüü“ hört.

„Hallo, wir sind Partycore,
aber bei uns müsst ihr euch nicht besaufen!“

Lyrische Liebeserklärungen an Ejakulat hin oder her: Was haben Plastikpimmel echten Pimmeln voraus?
Josefine: Moment, bei den Plastikpimmeln geht es um diese riesigen Aufblasdinger, die wir auf der Bühne mit dabei haben, nicht um Dildos und dergleichen. Nichts geht über einen einfachen, echten Penis. (lacht) Ich habe noch nie verstanden, warum Leute Sexspielzeuge brauchen. Oder Vorspiel. Ich möchte auf Album drei ein Lied schreiben namens „I Don’t Like Foreplay“! (lacht)
Noel: Wir hatten das mal auf dem Rückweg von einem Gig als hitzige Debatte, ob Sex mit Spielzeugen besser ist oder nicht. Die Meinungen waren genau 50/50 vertreten, Josi und ich waren Fraktion „ohne Spielzeug“, aka Penis! (lacht)

Live-Foto von zwei Mitgliedern der Band Painkiller Party
Noel und Josefine live mit PAINKILLER PARTY; © Heike Leppkes

Eure Straight-Edge-Einstellung wird auch in euren Texten deutlich, vor allem in Track „Edgy“. Wie wichtig ist euch diese Einstellung und habt ihr früher selbst mal Alkohol oder Drogen konsumiert und damit eventuell schlechte Erfahrungen gemacht?
Noel: Ich kann mich nicht davon freisprechen, Alkohol mal probiert zu haben. Aber ich mag den Zustand des Kontrollverlustes nicht und möchte beim Feiern noch mitbekommen, was um mich herum passiert. Am schlimmsten finde ich jedoch, dass es die absolute Norm ist, auf Partys oder ähnlichem Alkohol oder andere Drogen zu konsumieren. Man wird blöd angeguckt, wenn man nichts trinkt, maximal gefragt, ob man der Fahrer ist. Deshalb ist es uns sehr wichtig, dass wir der Welt zeigen: Hallo, wir sind Partycore, aber bei uns müsst ihr euch nicht besaufen! Wir konsumieren Süßigkeiten, das ist alles.
Josefine: Ich habe in meinen frühen Zwanzigern auch mal ein paar Cocktails probiert, fand die super lecker – und dann habe ich festgestellt, dass sie noch viel leckerer ohne Alkohol schmecken und dass ich dann nicht nach einem Glas ins Bettchen muss. Und das mit der Erwartungshaltung, dass Party immer gleich Alkohol ist, finde ich auch extrem ätzend … dass da nicht mal eine Wahlfreiheit bei zu sein scheint, sondern als gegeben betrachtet wird, dass „Party“ = „nur mit Alkohol“ bedeutet … traurig. Ich wüsste nicht einen positiven Aspekt daran, nicht mehr die Kontrolle über sich und die Situation zu haben. Siehe Noels Zitat mit dem Zombie. Das kann man auch hier anwenden.

Wie passen Gang Bangs und Bukkake-Partys thematisch zu eurem Bekenntnis zur Straight-Edge-Bewegung, die dem Rumvögeln ja doch eher kritisch gegenübersteht?
Josefine: Hier kommt es auf die Definition von Straight Edge an. Ich sehe die drei Säulen kein Alkohol – keine Drogen – keine Zigaretten als unabdingbare Grundfesten des Straight Edge. Aspekte wie Vegetarismus/Veganismus oder eben das „Don’t fuck around“ sind für mich optional. Ich kenne viele, die diesen Aspekt auch wieder damit definieren, dass man nur Sex mit Liebe haben sollte. Und hier korreliert es schon eher mit meiner eigenen Auslegung, denn auch in meinen Texten wird deutlich, dass es immer nur um spaßigen, freiwilligen Sex zwischen Leuten, die sich gernhaben, geht. Denn Respekt ist für mich auch ein großer Bestandteil der Straight-Edge-Kultur.
Noel: Um noch mal auf die drei Säulen zu sprechen zu kommen: Es ist schon sehr bezeichnend, dass es drei sein müssen und ich nicht eine. In der allgemeinen Wahrnehmung sind Zigaretten und Alkohol nämlich schon so normalisiert, dass sie nicht mehr als Drogen wahrgenommen werden … Da sieht man mal wieder, wie falsch gesellschaftliche Maßstäbe häufig gesetzt werden.

„Es ist leider die Realität der Andersartigen,
dass man gegen den Rest der Welt ankämpft“

Das Like-/Dislike-Verhältnis eurer YouTube-Videos ist mit den letzten beiden Uploads in den positiven Bereich geklettert. Habt ihr die Befürchtung, dass daraus ein Trend wird und ihr in der Folge nicht mehr so edgy und polarisierend rüberkommt?
Josefine: Da wir nicht bewusst provozieren, können wir natürlich auch keine Angst davor haben, es nicht mehr zu tun. (lacht) Ich finde es schön, dass sich dieses Blatt langsam wendet und dem ersten Schock endlich ein bisschen Anerkennung weicht. Vielleicht ändern sich ja auch irgendwann mal noch ganz andere merkwürdige gesellschaftliche Ansichten, so dass es gar nicht erst dazu kommen muss, dass etwas gehatet wird, das „anders“ ist.

Gruppenfoto der Band Painkiller Party
PAINKILLER PARTY; © J. Grawonski

Die Lyrics zu eurem Album-Opener „Rising Higher“ oder dem Rausschmeißer „We’re Still Fucking True“ entbehren nicht einer gewissen „Wir-gegen-die“-Attitüde. Inwiefern inspirieren euch Bands mit einer solchen Einstellung? Abgesehen davon, welche Bands inspirieren euch in eurem musikalischen Schaffen am meisten?
Josefine: Echt cool, dass du das gemerkt hast! In „Still Fucking True“ haben wir übrigens echte Pressestimmen und Kommentare zitiert. Ich wüsste zu gern, ob der eine oder andere sich in den Aussagen wiederfindet.
Noel: Solange die die Kompetenz haben, die Lyrics zu lesen! (lacht) Wir haben nicht explizit Bands mit dieser Attitüde als Inspiration, es ist nur leider die Realität der Andersartigen, dass man gegen den Rest der Welt ankämpft, wenn es auch nur um die alleinige Existenzberechtigung geht … Wie man in „Still Fucking True“ sieht, muss man für seine Existenz schon mit Mordandrohungen oder Ähnlichem rechnen. Als musikalische Inspiration können wir immer auf We Butter The Bread With Butter verweisen, aber – und ich betone – in der wirklichen Frühphase. Die mussten auch leider mit viel Hate kämpfen, denn – natürlich – lustigen Electronicore mit krassen Vocals darf es nicht geben, der ist anders. Es darf nur geben, was es geben darf.
Josefine: Oh ja, We Butter The Bread With Butter sind meine All-Time-Lieblingsband. Die ebenso frühen – auch hier möchte ich betonen: frühen! – Eskimo Callboy sind für mich auch immer Inspiration gewesen, denn da ging es auch um Sex und Party – und wurde natürlich anfangs auch gehatet. (lacht)

Lasst uns zum Abschluss zu unserem traditionellen Brainstorming kommen. Was fällt euch zu folgenden Begriffen ein?
Corona: Josefine: Das würde jetzt echt den Rahmen sprengen, wenn ich hier alles sagen würde, was ich dazu zu sagen hätte, aber ich versuche, mich kurzuzufassen: Es ist schlimm, dass ein weltweiter Virus Menschen tötet, keine Frage. Jeder steht da auch in der Verpflichtung, das Bestmögliche dagegen zu tun. Aber die Handhabe der Bundesregierung ist absolut unfassbar! Seit März 2020 sitzen wir zu Hause und dürfen nicht arbeiten, weil Kunst und Kultur verboten ist. „Soforthilfe“ muss weitestgehend zurückgezahlt werden. Haha, wovon denn? Man zahlt sein Leben lang Steuern, und wenn der Ernstfall da ist, sollen tausende Selbstständige, Freiberufler, Freischaffende mal eben Grundhilfe, also Hartz, beantragen, obwohl wir nicht mal arbeitslos sind, sondern einfach nur Arbeitsverbot haben, oder wir können uns von unserer Tapete ernähren, wenn wir nicht verhungern wollen. Menschen verlieren ihre Existenzen, und wir kennen einige, die mit Selbstmord geliebäugelt haben oder es bereits versucht haben, einfach weil die staatlichen Regulierungen uns unser Leben verbieten, während andere lustig in Urlaub fahren und Fußball-EM gucken dürfen. Corona ist tödlich, ja, aber die Corona-Maßnahmen sind ungefähr genauso tödlich, und das interessiert so gut wie niemanden.

„Als truer Musiker ist man kein Fähnlein im Winde,
sondern weiß, welche Musik man macht und macht dies konsequent“

Festivals: Noel: Falls es überhaupt jemals wieder coole Festivals gibt! Nur die großen Festivals konnten sich mit Ach und Krach über Wasser halten, die kleineren sind einfach weg, aber auch das interessiert niemanden. Ich würde gerne mal wieder auf einem Festival spielen, aber das ist mit der aktuellen Handhabung der Bundesregierung utopisch.

Enthaltsamkeit: Noel: Um da mal Chris (Gitarrist Christopher Schlüting – Anm. d. Red.) zu zitieren: „Alter, komm mal klar mit kein Sex!“

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Einsamkeit: Noel: Haha, davon durften wir beide viel erleben in den letzten Monaten und mitunter bald mehreren Jahren … Menschen sind jetzt distanzierter denn je und alle Möglichkeiten des öffentlichen Lebens unserer Szene sind weiterhin verboten oder mittlerweile pleite. Meinen Lieblingsclub gibt es nicht mehr, da werde ich also nie wieder hingehen können, um mich mit Leuten zu treffen.
Josefine: Noel und ich sitzen uns seit eineinhalb Jahren täglich gegenüber am Küchentisch, olé! Könnte zwar schlimmer sein als mit Noel, aber trotzdem dürfte es da jedem Zootier besser gehen als einem Musiker in Deutschland während Corona.

Einhörner: Noel: Sind süß! Und bunt. Und schön.

Trueness: Josefine: Das ist auch ein Riesen-Thema, aber die Quintessenz kann man nicht laut genug sagen: True heißt nicht ehrlich! True heißt nicht treu! True heißt ECHT! Ich bin nicht True Electronicore, weil ich treu zu mir bin, sondern weil ich das Genre in den Facetten bediene, die es ausmachen. Ich habe schon so unglaublich viele Leute kennengelernt, die das nicht verstehen. Mein nicht ganz so intellektuell auf der Höhe seiender Ex sagte bei der Trennung, er sei im Gegensatz zu mir true, weil er jetzt mache, was ihm gerade guttue. DAS IST NICHT DIE BEDEUTUNG VON TRUE, DU DEPP!!!
Noel: Natürlich kann true in manchen Kontexten treu bedeuten, wenn es z. B. darum geht, dass man hinter seiner Szene und der Musik steht und da nicht „fremdgeht“, also das nächste Album nicht plötzlich Pop oder Ähnliches ist. Als truer Musiker ist man kein Fähnlein im Winde, sondern weiß, welche Musik man macht und macht dies konsequent.

PAINKILLER PARTY in zehn Jahren: Josefine: Als ich Abitur gemacht habe, sagte ein Lehrer: „In zehn Jahren werdet ihr alle ein Haus haben und eine Familie gegründet haben, egal was ihr jetzt behauptet. Das WIRD passieren.“ Okay … Mein Abitur ist jetzt 16 Jahre her. Weder noch ist eingetreten. Also, wenn in zehn Jahren alles dabei geblieben ist, ist dahingehend schon mal alles gut gegangen im Leben.
Noel: Hoffentlich sitzen wir uns dann nicht immer noch tagein und tagaus am Küchentisch gegenüber! (lacht) Und ich hoffe, dass meine Haare so prächtig und wuuuusch bleiben, wie sie sind.
Josefine: Und wenn ich unter unserer nächsten Goldenen Schallplatte herfege, erinner‘ ich mich dran, dieses Interview nochmal nachzulesen! (lacht)

Danke für das Interview! Die letzten Worte gehören euch, möchtet ihr unseren Leser*innen noch etwas mitteilen?
Josefine: Frey und Popp sind zwei echt coole Nachnamen!
Noel: Und danke für das wirklich coole Interview!

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Dieses Interview wurde per E-Mail geführt.
Zur besseren Lesbarkeit wurden Smilies ersetzt.

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