Konzertbericht: Togetherfest 2017

22.02.2017 München, Backstage Halle

Die letztjährige Ausgabe des TOGETHERFESTs versammelte mit Bands wie den Gorilla Biscuits, Modern Life Is War und Touché Amoré einige der spannendsten Bands unterschiedlicher Generationen. Ebenso waren durch diesen Mix verschiedenste Spielarten des Hardcore vertreten. Kuratiert von Legende Walter Schreifels findet 2017 nach dem großen Erfolg im letzten Frühjahr eine weitere Auflage des musikalischen Familientreffens statt. Das TOGETHERFEST wird seinem Namen auch dieses Mal gerecht: Mit dem Headliner YOUTH OF TODAY und den zurückgekehrten AMERICAN NIGHTMARE stehen zwei wegweisende Bands an der Spitze des Line-Ups. Während mit TRASH TALK brachialste Klänge vertreten sind, repräsentiert Walter Schreifels selbst mit seiner neuen Band VANISHING LIFE eine rockige, moderne Ausrichtung. Als Opener fungieren WOLF DOWN als deutsche Vertreter des Genres.

Dass das TOGETHERFEST bereits im Vorfeld vom deutlich größeren, daher aber auch unpersönlicheren Backstage Werk in die Backstage Halle verlegt wurde, überrascht zwar einerseits, verspricht allerdings einen intimeren Abend. Da der Beginn der Show mit 18:30 Uhr für ein Konzert unter der Woche sehr früh angesetzt ist, ist es zu Beginn sogar noch ein bisschen intimer, sprich: Das Publikum ist noch sehr überschaubar.

Eine halbe Stunde später als ursprünglich angekündigt, betreten WOLF DOWN um 19 Uhr die Bühne. Auch wenn es in der Backstage Halle noch viele freie Plätze gibt, können die Jungs aus NRW mit ihrem politischen Hardcore für reichlich Bewegung im Publikum sorgen. Primär präsentieren WOLF DOWN Material ihres aktuellen Albums „Incite & Conspire“, dessen brachialer Sound im Stil von Hatebreed heute Abend anständig abgemischt ist und die Zuschauer 25 Minuten lang auf Betriebstemperatur bringt.

Dass Kurator Walter Schreifels seine neue Band VANISHING LIFE ins Line-Up gebucht hat, liegt nahe. Die Superband, die mit Autry Fulbright und Jamie Miller von …And You Will Know Us By The Trail Of Dead sowie Zach Blair von Rise Against weitere bekannte Musiker beinhaltet, passt stilistisch allerdings nur schwer zum Rest des Togetherfests. Entsprechend könnte die Lücke vor der Bühne nach einer kurzen Umbaupause auch wie ein Fragezeichen geformt sein, das sich auch über den Köpfen der meisten Besucher abzeichnet. Alle offeneren Musikfreunde bekommen allerdings dreißig Minuten lang eine amtliche Show geliefert, die mit ihrer Mischung aus Rock’nRoll, Punk und Post-Hardcore anständig in die Beine geht.  Walter selbst thematisiert zwischen den Songs immer wieder das Familengefühl des Hardcore und bringt seine Liebe zur Musik sowie seine linkspolitische Meinung ausdrucksstark zur Geltung.

Während Walter Schreifels die Skepsis gegenüber seiner Band noch charmant überspielt hat, akzeptieren die wesentlich rabiateren TRASH TALK den leeren Bereich vor der Bühne schlichtweg nicht. Von Anfang an fordert die Band aus L.A. das Publikum auf, näher zu kommen und für anständig Bewegung zu sorgen – ein Wunsch, dem die Anwesenden nur allzu gern nachkommen. Entsprechend ist Sänger Lee Spielman immer wieder mitten im Publikum, auf Würfeln im Zuschauerraum sowie in der Mitte eines Moshpits liegend zu finden. Ähnlich wild gestaltet sich auch das, was in der halben Stunde des Sets von TRASH TALK musikalisch passiert. Zwischen sludgeigen, metallischen hardcoreparts, hyperaggressivem Geballer und punkigen Grooves und Melodien ist hier fast alles dabei. Besonders beeindruckt allerdings die Leidenschaft, die zu jeder Sekunde spürbar ist. Ein absolutes Highlight des noch jungen Konzertjahres.

Dass es nach diesem großartigen Konzert auch beim Erlöschen des Saallichts recht leer vor der Bühne bleibt, und sich nur ein kleiner Kreis eingefleischter Fans direkt vor der Bühne einfindet, schockiert regelrecht – die wiedervereinigten Wegbereiter melodischen Hardcores, AMERICAN NIGHTMARE, interessiert das allerdings reichlich wenig, denn ohne große Ansagen liefern die Musiker um Wesley Eisold ein halbstündiges Hitfestival ab. Die legendäre Kombo aus Boston, später unter dem Namen Give Up The Ghost aktiv, weiß es wie kaum eine zweite Band Melodie mit Härte und Dynamik zu verbinden und man sieht den Musikern an, wie viel Spaß sie daran haben, wieder gemeinsam auf einer Bühne zu stehen. Auch wenn die große Bewegung im Publikum ausbleibt, sind die Fans der Band doch textsicher genug, um AMERICAN NIGHTMARE das ein oder andere Lächeln zu entlocken und die Qualität dieser begeisternden Show zu würdigen.

Dass der Großteil des insgesamt sehr gemischten Publikums – sowohl Alter, als auch musikalische Vorliebe des Genres betreffend – wegen des heutigen Headliners anwesend ist, zeigt sich daran, dass das Backstage hier erstmals wirklich sehr anständig gefüllt ist. Dennoch ist auch beim Startschuss für YOUTH OF TODAY noch die ein oder andere Lücke im Publikum festzustellen. Die Band, die als wichtigster Vertreter der zweiten Welle des Straight-Edge-Hardcores gilt, legt mit einem von Sänger Ray Cappo gebellten „We’re back“ direkt mit „Flame Still Burns“ los und macht keine Gefangenen. Sei es die Handstände von Ray, ein herumhüpfender Walter Schreifels oder die schier ansteckende gute Laune: YOUTH OF TODAY machen auch so viele Jahre nach ihrer aktiven Karriere immer noch Spaß. 45 Minuten lang verwandelt sich das Backstage endlich in einen einzigen Moshpit, Fans stagediven was das Zeug hält und München zeigt, dass es doch mehr kann, als nur herumzustehen und mit dem Kopf zu nicken.

Kurz nach 23 Uhr ist schließlich alles vorbei. Warum das Münchner Publikum sich von diesem großartigen Line-Up nicht stärker angesprochen gefühlt hat und viele Auftritte nicht so recht zünden wollten, ist nicht ganz klar. Insgesamt konnte das TOGETHERFEST inhaltlich erneut beweisen, dass mit ein bisschen Gespür Bands aus unterschiedlichen Generationen und Stilen zusammen ein beeindruckendes Ganzes ergeben. Hoffentlich entwickelt sich diese Familienfeier zu einer regelmäßigen Tradition in Europa, das nächstes Jahr auch mit mehr Zuschauern und Aktivität vor der Bühne aufwarten kann.

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