Festivalbericht: Wacken Open Air 2018 – Teil 2

03.08.2018 - 04.08.2018 Wacken

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… unter anderem mit DUST BOLT, STIFF LITTLE FINGERS, EVIL INVADERS und HEILUNG (Mittwoch), TREMONTI, VINCE NEIL, DIRKSCHNEIDER, DANZIG und JUDAS PRIEST (Donnerstag)!

Freitag 03.08.2018:

Am heutigen, dritten Festivaltag ist so langsam zu merken, dass das sonnige Wetter zwar besser ist als Schlamm und Regen, jedoch durch die teilweise extremen Temperaturen auch amtlich an den Kräften zehrt. Bands wie THUNDERMOTHER, CANNIBAL CORPSE und AMORPHIS, die fest eingeplant waren, müssen der verlängerten Ruhepause weichen und erst zu den letzten drei Songs von KORPIKLAANI ist wieder genug Kraft im Tank, um den Tag anzugehen. Die finnischen Folk Metaller – seit dem Rocktower Festival 2009 eigentlich ein rotes Tuch, aufgrund der extremen Trunkenheit der Musiker damals – legen soweit dies noch einzuschätzen ist, einen beachtlichen Auftritt mit sattem Sound und reichlich Spielfreude hin. Auf jeden Fall spricht die Stimmung im bereits anwesenden Publikum klar dafür.

Richtig los geht es an diesem Tag dann mit den Symphonic Metallern EPICA und ihrem Set, das sich vor allem auf die letzten zwei Studioalben konzentriert und die zuletzt gefeierten Coverversionen zur Anime-Serie „Attack On Titan“ vollkommen außen vor lässt. Natürlich ist dies kein Manko, denn immerhin gibt der Backkatalog der Band auch so genügend Material her. So finden sich mit „Sancta Terra“ und „Consign To Oblivion“ auch zwei ältere Songs in der Setlist wieder. Das die Band sichtlich Freude an ihrem Auftritt hat, zeigt sich nicht nur durch das verschlagene Lächeln, das den Musikern des Öfteren übers Gesicht huscht, sondern auch an der unheimlichen Dynamik von Keyboarder „Coen Janssen“. Janssen ist definitiv der agilste Musiker auf und vor der Bühne, da er immer in Bewegung ist und dabei entweder sein rollbares und um 360 Grad drehbares Keyboard beackert oder mit einem umgehängten Keyboard ins Publikum stürzt. Den Rest erledigt dann Simone mit ihrer sympathischen Ausstrahlung und der auch live wahnsinnig guten Stimme.

  1. Eidola
  2. Edge Of The Blade
  3. The Essence Of Silence
  4. Victims Of Contingency
  5. Storm The Sorrow
  6. Unchain Utopia
  7. Cry For The Moon
  8. Sancta Terra
  9. Beyond The Matrix
  10. Consign To Oblivion

Lediglich um den Weg kurz zu halten, geht es als nächstes zur Harder Stage, auf der SCHANDMAUL zum Tanze bitten und obwohl die Skepsis zunächst groß ist, ob die Show gefallen wird, scheint die Entscheidung richtig zu sein, da das Infield pünktlich zum Beginn des Auftritts riesigen Zulauf hat. Nach wenigen Augenblicken beweisen SCHANDMAUL dann auch, warum es diesen Zulauf gibt, denn die Band hat sichtlich Spaß vor diesem riesigen Publikum und Sänger Thomas Lindner versteht es spielend, das Volk zu Tanz und Schabernack zu inspirieren. Spätestens als zu „Leuchtfeuer“ wirklich alle Hände oben und in Bewegung sind, bietet sich ein Bild, dass noch sehr lange in Erinnerung bleiben wird. Aber auch die Gebärdendolmetscherin, die die Texte der Band von der Bühne aus übersetzt, macht den Auftritt zu etwas Besonderem. Mit Stücken wie „Der Hofnarr“, „Walpurgisnacht“, „Der Teufel…“ und „Vogelfrei“ ist das Set gespickt mit hervorragenden Livestücken und leider sind die 75 Minuten Bühnenzeit viel zu schnell vorbei.

  1. Kaspar
  2. Der Hofnarr
  3. Leuchtfeuer
  4. Lichtblick
  5. Bunt und nicht braun
  6. Vogelfrei
  7. Der Pakt
  8. Der Teufel…
  9. Vor der Schlacht
  10. Krieger
  11. Walpurgisnacht
  12. Dein Anblick

Um bei diesen Temperaturen mal ein wenig Schatten zu erhaschen, geht es nun weiter in den Bullhead City Circus, wo DOOL grade beim letzten Song ihres Auftritts angekommen sind. auch hier wird einmal mehr deutlich, dass viel zu viele gute Bands zeitgleich am Werk sind. Auf jeden Fall stehen DOOL nunmehr ebenfalls auf der Liste an Bands, die noch live gesehen werden müssen.

Der eigentliche Grund für den Besuch im Zelt sind jedoch DESTRUCTION, die an einem guten Tag immer für einen Komplettabriss zu haben sind. So scheint es auch heute zu sein, denn Schmier und Kollegen starten ohne Umschweife in ihr Set, bestehend aus reichlich Klassikern, und machen dabei mächtig Druck. Klar wirkt der Auftritt stellenweise sehr routiniert, aber in diesem Fall ist das definitiv keine Kritik, da DESTRUCTION schon auf deutlich schlechterem Niveau unterwegs waren. Nummern wie „Mad Butcher“, „Live Without Sense“ und das abschließende „Bestial Invasion“ sorgen auf jeden Fall für einige kreisende Köpfe und hier und da auch für ein gepflegtes Tänzchen.

Da bis zum Auftritt von Nightwish noch ein wenig Zeit ist, geht es zunächst gemütlich zu einem der Stände auf dem Infield, während nebenher noch der Auftritt von DORO läuft, der überraschenderweise ein relativ großes Publikum vor die Bühne locken kann. Die Songs selbst funktionieren live ohnehin und sind so ziemlich alle nach dem gleichen Muster gestrickt. Zu den eigenen Nummern kommen dann noch diverse Coversongs und schon sind auch 1,5 Stunden gefüllt. Kurz vor Ende des Sets wird DORO dann, durchaus verdient, noch mit der Aufnahme in die „Hall Of Heavy Metal History“ ausgezeichnet. In gewisser Weise sollte diese Auszeichnung der „Queen Of Heavy Metal“ vielleicht zu denken geben, denn wirklich ernstzunehmen ist die abgedroschene Show nicht mehr und bei dem gemeinsamen Auftritt von ihr und den DOOMBIRDS, einem Heavy Metal Chor, zur Wackenhymne „We Are The Metalheads“ zeigt sich dies in aller Form. Dass DORO während ihrer Show Gäste wie Johan Hegg (Amon Amarth), Tommy Bolan (Ex-Warlock) und Jeff Waters (Annihilator) aus dem Hut zaubert, hilft da auch nicht mehr.

Zum Glück sollte jetzt die Entschädigung folgen, denn NIGHTWISH sind an der Reihe, um dem Publikum vor der Faster Stage eine großartige Show zu bieten. Leider ist davon anfänglich noch nichts zu merken, denn sowohl beim Gesamtsound als auch bei den einzelnen Musikern scheint es noch ein wenig Schwierigkeiten zu geben. So trifft Floor Jansen tatsächlich den ein oder anderen Ton nicht ganz sauber und der Gesang von Marco Hietala geht anfänglich sogar völlig unter. Trotzdem ist es erfreulich, dass die Band dem Motto „Decades“ treu bleibt und beispielsweise mit „End Of All Hopes“ das Set eröffnet. Aber auch Stücke wie „Come Cover Me“, „Gethsemane“ und „Slaying The Dreamer“ sind eine willkommene Abwechslung zu den zuletzt überpräsenten Songs der aktuellen Platte. Nachdem sowohl Sound und Band sich gefangen haben, liefern NIGHTWISH tatsächlich in gewohnt routinierter Manier ihre Show ab, obwohl vor allem Marco in diversen Momenten ein wenig ausgelaugt wirkt. Nichtsdestotrotz ist es ein gelungenes Konzert, denn immerhin ist Emppu gut aufgelegt wie eh und je und auch Frontfrau Floor Jansen schafft es, ihr Charisma voll auszuspielen. Sicherlich mag es schwungvollere Bands geben und auch die Bewegung im Publikum mag sich in Grenzen halten. Jedoch ist zu merken, dass die Band vollends ankommt. Mit „Ghost Love Score“ und der untergehenden Sonne wirkt dann auch das Ende des Sets einfach perfekt inszeniert. [CI]

  1. Intro (1 Minute Countdown Timer)
  2. End Of All Hope
  3. Wish I Had An Angel
  4. Come Cover Me
  5. Gethsemane
  6. Élan
  7. Amaranth
  8. I Want My Tears Back
  9. Devil & The Deep Dark Ocean
  10. Nemo
  11. Slaying The Dreamer
  12. The Greatest Show On Earth
    (Chapter II: Life; Chapter III: The Toolmaker)
  13. Ghost Love Score
  14. The Greatest Show On Earth
    (Chapter IV: The Understanding; Chapter V: Sea-Worn Driftwood)

RUNNING WILD gaben 2009 eigentlich ihr Abschiedskonzert auf dem Holy Ground. Heute, neun Jahre später, soll es eine ganz besondere Show geben. Entsprechend dieser Ankündigung ist es rappelvoll im Infield. Mit einem Querschnitt durch die erfolgreichen Alben der Band spielen RUNNING WILD ein solides Set, aber auch nicht mehr. Ein Feuerwerk ist es nicht. Bisweilen wirken die Musiker gelangweilt, jedenfalls will der oft besagte Funken nicht so richtig überspringen. Die Erwartungen an die Show werden also nicht ganz erfüllt, was vielleicht auch an der etwas langweiligen Bühne liegt, die lediglich aus Lautsprecherwänden und ein paar Flammenwerfern am Bühnenrand besteht. Natürlich spielen sie ihre Klassiker und werden entsprechend mit Beifall belohnt aber als einer der Top-Acts des Abends muss man mehr liefern. Spielfreude war nur ansatzweise auszumachen und deshalb reicht es am Ende dann nur für die Note „Befriedigend“, immerhin war die Show vor neun Jahren ein ganz anderes Kaliber! Schade.

IN FLAMES gehören mittlerweile zum Wacken wie Regen und Sonne, auch wenn sich der Stil der Band oft gewandelt hat. Vielleicht ist genau dies auch einer der Gründe, warum sich so viele Besucher  vor der Bühne einfinden. Die Show wird jedenfalls bestimmt durch ein aus großen LED-Säulen bestehendes Bühnenbild, das es einem nicht leicht macht, die Musiker auszumachen. Nervöses Flackern und blendende Strobolights trüben leider die starke Performance der Band, die dem Publikum fette Riffes und Shouts um die Ohren ballert. IN FLAMES sind sichtlich gut drauf und feiern jeden Song zusammen mit ihren Fans ab. Sänger Anders Fridén muss sich richtig anstrengen, im Fokus zu bleiben, denn seine beiden Mitstreiter an den Gitarren posen abwechselnd auf ihren Podesten und ziehen die Blicke magisch auf sich. Das Set ist gewohnt fett und es bleiben wohl keine enttäuschten Zuschauer zurück. IN FLAMES liefern ab und zwar richtig gut. Beim nächsten Mal dann bitte mit einer weniger augenfeindlichen Lightshow. [RH]

  1. My Sweet Shadow
  2. Pinball Map
  3. Delight And Angers
  4. Everything’s Gone
  5. Cloud Connected
  6. Fear Is The Weakness
  7. Here Until Forever
  8. The Chosen Pessimist
  9. The Mirror’s Truth
  10. Only For The Weak
  11. Where The Dead Ships Dwell
  12. The Truth
  13. Alias
  14. Take This Life
  15. Deliver Us
  16. The End

An anderer Stelle heißt es: In Flames oder ALFAHANNE? in diesem Fall fällt die Entscheidung gegen den vermeintlichen „Headliner“ und der Weg führt direkt ins Wasteland, wo ALFAHANNE die Bühne beackern. Da es mittlerweile recht kühl geworden ist, haben die riesiegen Pyro-Anlagen im Wasteland nicht nur den Vorteil, die Atmosphäre zu untermauern sondern auch den netten Nebeneffekt, dass man gut gewärmt wird. Die Herren aus Eskilstuna spielen von der ersten Minute an ein absolut sauberes Set und beschränken die Pausen auf ein Minimum, sodass tatsächlich nichts von der speziellen Atmosphäre der Musik verloren geht. Die Mischung aus harten, punkigen oder zuweilen gar schwarzmetallischen Gitarrenriffs, den weit ausladenden Keyboards und dem in Schwedisch gehaltenen Gesang, ist eben ein echtes Alleinstellungsmerkmal für diese Truppe. Aufgrund der Tatsache, dass In Flames und Otto und die Friesenjungs zeitgleich spielen, ist es auch angenehm leer vor der Wasteland Stage, sodass man bequem dem gesamten Auftritt folgen kann und vor allem keine Festivaltouristen sinnfrei durch die Gegend springen. Tatsächlich hätten ALFAHANNE auf keine andere Bühne des W.O.A. so gut gepasst, wie auf diese kleine Bühne im Steampunk-Look. Alles in Allem ein echtes Highlight, bei dem akustisch und optisch einfach alles zusammenpasst. [CI]

Geschmacklich spalten GHOST die Metalgemeinde mit einiger Sicherheit, jedoch gehören sie aktuell zu den größten Bands der Szene und das weltweit. Sänger Tobias Forge alias „Papa Emeritus“ beziehungsweise seit Neuestem „Cardinal Copia“ hat eine Show geschaffen, die ihm die Fans in Scharen zutreibt. Unverständlich in diesem Zusammenhang, die Band um 1:45 Uhr auf die Bühne zu schicken. Trotz dieser vorgerückten Uhrzeit sind immer noch einige Tausend Zuschauer vor der Bühne. Sicherlich hauptsächlich eingefleischte Fans, aber auch neugierige Seelen, die sich einfach mal live anschauen wollen, warum GHOST so erfolgreich sind. Sie werden nicht enttäuscht, denn Ghost bieten eine furiose Show, die einem optisch vermittelt, mitten in einer Kirche zu stehen. Musikalisch sehr ausgereift performen GHOST nahe an der Perfektion. Sie verstehen es, die Zuschauer in ihren Bann zu ziehen, nicht zuletzt aufgrund von Cardinal Copia, der eine ganz spezielle Atmosphäre erzeugt. Die Messe dauert knapp 1,5 Stunden und es werden neben dem aktuellen Hit „Rats“ viele gut ausgewählte Songs gespielt, die das Publikum mit viel Beifall honoriert. Bei gutem Sound und einer tollen Lightshow vergisst jeder die Uhrzeit und ist hellwach. Schade für jeden, der es nicht bis 1:45Uhr durchgehalten hat, denn Ghost sind wirklich sehenswert in dieser Nacht. [RH]

    1. Ashes
    2. Rats
    3. Absolution
    4. Ritual
    5. From the Pinnacle to the Pit
    6. Faith
    7. Cirice
    8. Miasma (Papa Nihil on saxophone)
    9. Year Zero
    10. Spöksonat (Band)
    11. He Is
    12. Mummy Dust
    13. Dance Macabre
    14. Square Hammer

Zugabe:

  1. Monstrance Clock

Samstag 04.08.2018:

Der letzte Tag des WACKEN OPEN AIR 2018 beginnt, aufgrund von nachgeholtem Schlaf, vor allem eines, nämlich verspätet um 14 Uhr und angenehm kühl und leicht bewölkt, so wie man es sich wettertechnisch für alle Tage gewünscht hätte. Musikalisch startete das Programm schon eher mit Bands wie LOVEBITES aus Japan oder den Altpunks von BETONTOD sowie etwas später mit den Finnen von WINTERSUN. Wie gesagt, sorgte der Schlafmangel dafür, dass die erste gesehene Band des Tages ERIC COHEN sind. Der ehemalige Sänger der Band Smoke Blow ist seit einigen Jahren Solo unterwegs und bietet bei seinem Auftritt auf dem W.O.A. 2018 eine Mischung aus Alternativ, Deutschrock und klassischem Hardrock an, welcher beim Publikum auf jeden Fall gut zündet. Ansonsten wirkt ERIC COHEN sehr agil und wird auch nicht müde, seine Kieler Herkunft zu betonen sowie das 3:0 von Holstein Kiel gegen den HSV zu feiern.

Den ersten Höhepunkt des Tages markieren jedoch die nun folgenden NIGHT DEMON. Das Trio aus Ventura (Kalifornien) lässt nach kurzem Intro absolut nichts mehr anbrennen und feiert eine Show gespickt mit feinstem Heavy Metal der alten Schule ab. Die Herren Jarvis Leatherby und Armand John Anthony beackern wirklich die ganze Headbanger Stage und sind ständig in Bewegung, sodass der Funke auch sehr schnell auf die anwesenden Leute überspringt. Die Riffs und Leads kommen sehr satt aus den Boxen und auch gesanglich macht Leatherby eine sehr gute Figur. Das aus dem Sicherheitsgraben vor der Bühne nach und nach immer wieder die gleichen Leute kommen, ist ein Indiz dafür, dass der Spaßfaktor ebenfalls nicht zu kurz kommt und zu den Klängen des abschließenden Iron-Maiden-Covers „Wasted Years“ geht es kurz raus an die frische Luft, bevor die W.E.T.-Stage das nächste Highlight bereit hält.

Frisch gestärkt geht es also zurück ins Zelt, in welchem sich SPOIL ENGINE anschicken, einen wahren Abriss zu zelebrieren. Die Truppe aus Belgien und den Niederlanden profitiert eindeutig von Sängerin Iris Goessens und dem damit einergehenden Stilwechsel, der sich vor einigen Jahren vollzogen hat. Ohne lange zu fackeln, zünden SPOIL ENGINE eine Bombe nach der anderen und mit ihrer Mischung aus modernem Thrash Metal, einer gehörigen Prise Metalcore und diversen Anleihen beim Melodic Death Metal sorgen sie schnell für reichlich Betrieb in den Pits. Einige Zuschauer genießen das Treiben sogar so sehr, dass Sie vor Freude Konfetti unter das tanzende Volk bringen. Auf der Bühne bündelt vor allem Goessens alle Blicke, da sie zum einen stets in Bewegung ist und zum anderen mit einem extrem starken gutturalen Gesang auftrumpfen kann. Das die cleanen Vocals nicht immer sitzen, ist zusammenfassend betrachtet wirklich reine Nebensache und auf jeden Fall darf man SPOIL ENGINE schon mal als gutes Warm Up für die später am Tag spielenden Arch Enemy betrachten.

Zunächst geht es aber weiter zur Wackinger Stage, auf welcher sich CEMICAN präsentieren dürfen. Die Band aus Mexico besticht durch eine Mischung aus aztekischen Folk-Elementen, Texten in der alten Sprache Nahuatl und ungeschliffenem Metal, der sich irgendwo zwischen Old-School-Heavy-Metal und Thrash Metal einordnen lassen könnte. Richtig authentisch wird der Auftritt aber vor allem durch die Bemalungen der einzelnen Musiker und dem immer wieder auf die Bühne zurückkehrenden Schamanen. Da die Band in Europa keinen allzu großen Namen besitzt, ist es leider sehr leer vor der Wackinger Stage, sodass wirklich nur wenige Besucher in den Genuss dieser Exoten kommen. In den Momenten in denen die Metalpassagen komplett zum erliegen kommen und die einzelnen Rasseln und Windinstrumente ertönen, während der Schamane spricht, bekommt man selbst am helligsten Tage das Gefühl, dass gleich ein großes Unheil über das Festival hereinbrechen wird. Da sich die Sets zeitlich ein wenig überschneiden, geht es bereits vorzeitig weiter zur nächsten Band, jedoch bleiben CEMICAN als echtes Kleinod in Erinnerung und es ist zu hoffen, dass wir diese Band bald wieder in Deutschland zu sehen bekommen.

Nicht mehr ganz pünktlich zum ersten Song, kommen wir nun zur Louder Stage, auf welcher sich DIE APOKALYPTISCHEN REITER die Ehre geben, während GOJIRA auf der Faster Stage spielen. Bei letztgenannter Band fällt im Vorbeigehen auf, dass der Sound nocht nicht passen will oder zumindest nicht für die große Bühne geeignet ist.
DIE APOKALYPTISCHEN REITER sind da schon eher ein Garant für Partystimmung und fetten Sound, so zumindest die Annahme. Tatsächlich schaffen es die Reiter aber nicht im Geringsten, mit ihrem Auftritt wirklich zu animieren, denn der Sound ist etwas leise und überraschend kraftlos. Zwar gibt es in der Setlist die klassischen Livekracher wie „Reitermania“, „Der Seemann“ oder „Friede sei mit dir“, aber trotzdem wirkt es als hätte die Band heute kein Glück mit dem Publikum. Die 75 Minuten des Auftritts vergehen ganz nebenbei, während viele Zuschauer einfach gemütlich auf der Erde sitzen und sich für den Rest des Tages ausruhen. Mit den neueren Stücken wie „Auf und nieder“ oder „Der rote Reiter“ hat die Truppe ebenfalls kein Glück und lediglich ganz vorn vor der Bühne ist etwas Action angesagt. Insgesamt ist die Show am heutigen Tage kein Vergleich zu den Zeiten als DIE APOKALYPTISCHEN REITER noch das halbe Infield auf dem W.O.A. gefüllt haben und alle mitgefeiert haben. Schade, da war die Hoffnung größer als die tatsächliche Darbietung.

Apropos Unterhaltung. Bitte diese Passage überspringen, wenn man allergisch auf übertriebene Schauspielerei und etwas derberen Humor reagiert. Die nächste Band im Programm sind nämlich niemand Geringeres als STEEL PANTHER. Die Truppe aus Los Angeles bietet von Beginn an eine Show, die beim ersten Sehen auf jeden Fall zündet und diverse Lacher bereithält, jedoch genau so auch schon auf früheren Touren abgezogen wurde. Nichtsdestotrotz treiben vor allem Gitarrist Satchel und Sänger Michael Starr ihre Dialoge immer wieder auf die Spitze und beweisen somit, dass STEEL PANTHER eine noch immer gelungene Persiflage auf den Glam Metal der 80er sind. Die Reaktionen im Publikum reichen jedenfalls von schallendem Gelächter bis hin zu vehementem Kopfschütteln, was ein weiteres Zeichen dafür ist, dass Satchel und seine Band alles richtig machen. Songs wie „Poontang Boomerang“, „Community Property“, „Gloryhole“ oder auch „17 Girls In A Row“ darf man einfach nicht ernst nehmen und muss das alles mit einem Augenzwinkern sehen. Das sich zu letztgenanntem Song tonnenweise Mädels auf der Bühne präsentieren, bestenfalls natürlich oben ohne, ist jedenfalls auch keine Überraschung mehr und letztendlich die persönliche Entscheidung der Damen. Partytauglich ist die Show auf jeden Fall auch ohne die nackte Haut, aber irgendwie gehört das bei STEEL PANTHER halt einfach dazu. Die Zuschauer feiern jedenfalls bei gutem Sound eine gelungene Party, nach der übrigens vor allem die Frauen seelig grinsend aus der Masse strömen. Crowdsurfer gibt es genauso wie eine gesteigerte Anzahl an Gummipuppen in der Menge und getanzt wird natürlich auch ein wenig. [CI]

  1. Goin‘ In The Backdoor
  2. Asian Hooker
  3. Fat Girl (Thar She Blows)
  4. Poontang Boomerang
  5. Turn Out The Lights
  6. Girl From Oklahoma
  7. 17 Girls In A Row
  8. Gloryhole
  9. Community Property
  10. You Really Got Me (The Kinks cover)
  11. Death To All But Metal
  12. Party All Day (Fuck All Night)

Mit der nächsten Band haben die Albernheiten schnell ein Ende, denn ARCH ENEMY sind einer der Höhepunkte des Festivals. Aktuell ist die Truppe weltweit sehr erfolgreich mit dem neuen Album „Will To Power“ unterwegs und hat sich perfekt für das Wacken Open Air 2018 eingespielt. Das Infield platzt natürlich aus allen Nähten, immerhin wollen sich doch alle von Alissa White-Gluz in ihren Bann ziehen lassen. Die Band selbst hat ebenfalls sichtlich Bock auf die Show und feuert ohne Umschweife eine Salve nach der anderen Richtung Publikum. Durchaus erwähnenswert ist die Perfektion, mit der Arch Enemy ihr Set dabei spielen und um wie viel sich Sängerin Alissa in den letzten Jahren noch verbessert hat. Egal ob tiefer gutturaler Gesang oder brutale Screams, die Kanadierin steckt an diesem Abend alle in die Tasche und ihre Energie und Ausstrahlung ist bis in die hintersten Winkel des Infields noch deutlich spürbar. Tatsächlich muss man sagen, was für eine Show! ARCH ENEMY legen mit einem Wahnsinnstempo und unbändiger Power alles in Schutt und Asche. Die Security muss während des Abends personell massiv aufstocken, um überhaupt alle Crowdsurfer sicher in den Graben zu ziehen. Die wohl mit Abstand größten Moshpits des Wochenendes unterstreichen die Energie der Arch Enemy-Show ebenfalls. Schlussendlich liegen sich tausende Fans in den Armen und fragen sich, was das für eine Urgewalt war, die gerade über sie hinweggefegt ist. Geil! [RH; CI]

    1. Ace Of Spades (Intro)
    2. Set Flame To The Night (Intro)
    3. The World Is Yours
    4. Ravenous
    5. War Eternal
    6. My Apocalypse
    7. The Race
    8. You Will Know My Name
    9. Bloodstained Cross
    10. The Eagle Flies Alone
    11. First Day In Hell
    12. Saturnine (Band)
    13. As The Pages Burn
    14. Dead Bury Their Dead
    15. We Will Rise

Zugabe:

  1. Avalanche
  2. Guitar Solo (Jeff Loomis)
  3. Snowbound
  4. Nemesis
  5. Fields Of Desolation
  6. Enter The Machine (Outro)

Mit großer Skepsis und nur wenig echter Vorfreude blicken wir nun auf den Headliner des Tages, denn HELLOWEEN – PUMPKINS UNITED sind an der Reihe und das mit der monströsen Aufgabe, 2,5 Stunden zu spielen. Nachdem dann auch „Let Me Entertain You“ von Robbie Williams überstanden ist, kommen die Kürbisköpfe endlich auf die Bühne und legen zum großen Erstaunen vieler Zuschauer gleich sehr gut los. Vermutlich war die Skepsis vollkommen unbegründet und nach weniger als 20 Minuten ist klar, die Band funktioniert wirklich als große Einheit. Die Wechsel zwischen Kiske und Deris am Mikro scheinen, als hätte HELLOWEEN schon Jahre in dieser Formation zugebracht. Aber auch das Zusammenspiel der drei Gitarristen Gerstner, Hansen und Weikath harmoniert aufgrund der bereits absolvierten Tour hervorragend. Zur Freude aller Anwesenden wissen die Herren auch noch wie man sich auf der Bühne richtig in Pose begibt. Überhaupt steht Entertainment heute ganz groß auf die Fahne geschrieben, denn mit den beiden Kürbissen Seth und Doc, welche zwischendurch auf der großen Leinwand, auf der Bühne, erscheinen, werden gekonnt zwei Schnitte im Set überbrückt. Natürlich darf auch Kai Hansen an diesem Abend das Mikro mal übernehmen und so bekommt er unter anderem ein Medley aus „Starlight“, „Ride The Sky“ und „Judas“ für sich allein. Erstmals wirklich beeindruckend und emotional ist auch der Moment als Michael Kiske die Fans dazu animiert, während „A Tale That Wasn’t Right“ ein Lichtermehr aus Handy-Taschenlampen zu entfachen. In gewisser Weise ist dies einer dieser Augenblicke, die für immer im Gedächtnis bleiben und die man, obwohl noch 74.999 andere Menschen anwesend sind, ganz für sich allein genießt. Die bereits genannte Leinwand spielt auch beim obligatorischen Drum Solo, welches zwar vom aktuellen Drummer begonnen wird, aber dann in virtueller Form vom verstorbenen Ingo Schwichtenberg „gespielt“ wird, eine wichtige Rolle. Es ist einfach zu merken, dass HELLOWEEN – PUMPKINS UNITED wirklich alle Gründungsmitglieder wieder zusammenbringen sollte. Dass die Fans mittlerweile wie im Rausch sind, beweist allein schon die Tatsache, dass fast jeder Song lauthals mitgesungen wird. Dabei kommen erst mit den beiden Zugaben die größten Klassiker der Band zum Zuge. Die erste Zugabe besteht aus dem „Invitation“-Intro, „Eagle Fly Free“ und „Keeper Of The Seven Keys“, welches nochmals frenetischer gefeiert wird als viele andere Stücke und der zweite Nachschlag liefert dann eröffnet durch ein Solo von Kai Hansen mit „Future World“ und „I Want Out“ den absoluten Höhepunkt. Besonders „I Want Out“ sorgt für große Ekstase, da dem Publikum riesige Kürbisse zum Spielen überlassen werden und zum Ende das große Feuerwerk hinter der Bühne beginnt, welches sich bis über das aus Braveheart stammende Outro erstreckt.
Mit den Eindrücken die HELLOWEEN – PUMPKINS UNITED hinterlassen haben, ist das WACKEN OPEN AIR 2018 für uns auch beendet und DIMMU BORGIR und IN EXTREMO müssen ohne uns auskommen. Es heißt ja nicht umsonst, man soll aufhören wenn es am Schönsten ist. [CI]

    1. Let Me Entertain You (Robbie Williams Intro)
    2. Halloween
    3. Dr. Stein
    4. Intermission 1 (Seth & Doc)
    5. I’m Alive
    6. Are You Metal?
    7. Perfect Gentleman
    8. Starlight / Ride The Sky / Judas (Kai Hansen medley)
    9. Heavy Metal (Is The Law)
    10. A Tale That Wasn’t Right
    11. If I Could Fly
    12. Pumpkins United
    13. Drum Solo (Ingo Tribute)
    14. Livin‘ Ain’t No Crime (teilweise)
    15. A Little Time
    16. Intermission 2 (Seth & Doc)
    17. Why?
    18. Rise And Fall
    19. Sole Survivor
    20. Power
    21. How Many Tears

Zugabe:

    1. Invitation
    2. Eagle Fly Free
    3. Keeper Of The Seven Keys

Zugabe 2:

  1. Intermission 3 (Seth & Doc)
  2. Guitar Solo (Kai Hansen)
  3. Future World
  4. I Want Out
  5. Braveheart Soundtrack (Outro)

Fazit: Was bleibt nach vier Tagen zu sagen? Vermutlich vor allem, dass das WACKEN OPEN AIR eine große, gelddruckende Maschine ist, die noch immer viel Rummel zu bieten hat, die aber auch in Ruhe genossen werden kann. Vermutlich trifft der Spruch „Jeder ist seines Glückes Schmied“ es hier am besten. Denn man muss ja nicht in die ESL-Arena stiefeln oder sich im Beer Garden die Rübe wegschießen, sondern kann auch ganz in Ruhe von einer Band zur nächsten gehen. Die Preise für den Food Bereich sind natürlich noch immer sehr hoch, aber auch das trifft auf alle großen Festivals zu. Der Ticketpreis? Wenn man sich ins Gedächtnis ruft, was man für die einzelnen Konzerte etwa von NIGHTWISH, JUDAS PRIEST, HELLOWEEN und ARCH ENEMY bezahlt hätte, nicht unangemessen. Das immer gleiche Line Up auf den Hauptbühnen? Ja, dieser bereits im letzten Jahr geäußerte Kritikpunkt bleibt auch 2018 bestehen: Dem WACKEN würde es verdammt guttun, auch mal andere Bands auf die großen Bühnen zu holen. Dieses Jahr wären da zum Beispiel BLUES PILLS, DUST BOLT, FEUERSCHWANZ, SOLSTAFIR oder auch WATAIN zu nennen. Alle der genannten sind besser als DANZIG, DOKKEN oder DORO und würden vor allem auch mehr Abwechslung ins Programm bringen. Was nicht heißt, dass es die alte Garde nicht mehr drauf hat – neben vergleichsweise jungen Bands wie GHOST, ALFAHANNE oder EPICA blieben vom WACKEN OPEN AIR 2018 vor allem die Auftritte von SCHANDMAUL, ARCH ENEMY, JUDAS PRIEST und HELLOWEEN als musikalische Highlights in Erinnerung.

Die ersten Bands für 2019 versprechen im Übrigen schon mal einiges für das 30. Jubiläum, denn mit POWERWOLF und SABATON sind die wohl angesagtesten Bands der letzten Jahre an Board, mit DEMONS & WIZARDS kommen gleich zwei große Musiker zurück auf den Holy Ground und AIRBOURNE versprechen ebenfalls schon jetzt gute Stimmung.

Publiziert am von Christoph Ilius und Rainer Hentschke

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