Das Hören eines Instrumentalalbums kann – wenn es sich um ein gutes Instrumentalalbum handelt – beinahe so intensiv sein wie das Lesen eines Romans (wenn es sich um einen guten Roman handelt). Obwohl die Textebene mit dem Gesang wegfällt, existiert auch weiterhin eine Art von Erzählstruktur, häufig subtiler, häufig tiefer. Wer es geschafft hat, sich in ein reines Instrumentalalbum hineinzuhören, dem offenbart sich oftmals ein schier grenzenloses Hörvergnügen. Und zu einer solchen emotionalen Reise laden jetzt auch A COSMIC TRAIL mit ihrem zweiten Album „II: Mistral “ ein. Nach den positiven Reaktionen zum Erstwerk „The Outer Planes“ (2010) hat sich die Band um die beiden Lanfear-Mitglieder Markus „Ulle“ Ullrich (Gitarre) und Richie Seibel (Bass) dazu entschlossen, auch weiterhin auf sprachloser Ebene zu wandeln und legt nun mit „II: Mistral“ den Nachfolger des inzwischen vergriffenen Erstlings vor.
Mit dem kurzen Intro „Calm“ steig das Quartett sehr proggig in die CD ein, bevor dann mit „Mistral I“ das erste Highlight der Scheibe folgt – was ist das für ein dichtes, ideenreiches und packendes Stück geworden. Es ist tatsächlich fast ein wenig so, als stünde man an einer felsigen Klippe und fühlte den Wind aufziehen, fühlte, wie er stärker wird, den Druck im Gesicht und dann ein plötzlich Abflauen, bevor er in dem Folgesong „Cromlech“ wieder erstarkt. Das alles wird in wunderbar leichten Keyboardpassagen und melancholisch-verträumten Gitarren-Leads erzählt. Mich erinnert das an das, was man „descriptive poetry“ nennt, an gewaltige Bildbeschreibungen, die minutiös Detail an Detail reihen, bis man selbst meint, mitten im Gemälde zu stehen.
Immer wieder hat man es aber auch mit kernigen, satt produzierten Prog-Metal-Riffs zu tun, die die Stimmung herumreißen, sie aufbrechen und neue atmosphärische Parts einleiten. Das hat häufig – auch wenn die Band dieses Label für sich ablehnt – Post-Rock-Anleihen, die dem ganzen Produkt bestens zu Gesicht stehen (beispielsweise in dem schon erwähnten Stück „Cromlech“), wobei der Metal-Anteil klar überwiegt. Man scheut aber auch nicht vor psychodelischen Synthesizern zurück und rutscht an so mancher Stelle in beinahe jazzige Momente ab. Aber trotzdem: Man hat es hier mit einer Metal-Band zu tun, die musikalische Ausflüge in benachbarte Gefilde unternimmt; und nicht andersherum. Verspielte Härte, sozusagen. Auf jeden Fall aber eine Mischung, die voll aufgeht.
Es zieht sich letztlich durch jeden Song ein emotionales Auf und Ab, man beweist eine hohe Dynamik und zielsicheres Gespür für Dramatik und eingängige Melodien, bis man sich schließlich in dem letzten Stück „Mistral II“ in einen wahren Rausch spielt, noch einmal der Wind sturmartig aufzieht und einem die Tränen in die Augen presst; dann ist Stille. Man tritt aus dem Gemälde wieder heraus. Man wundert sich kurz. Dann drückt man erneut Play, steht wieder an der Klippe und spürt den Wind.
Besondere Erwähnung verdient zuletzt noch neben der tollen Gitarrenarbeit (ich verweise nur auf das astreine Solo in „In Ertia“) das kräftige und abwechslungsreiche Schlagzeugspiel von Klaus Engl – der Mann bricht wunderschön die Rhythmen auf, verschleppt hier und da einen Takt, nur um im nächsten wie wild nach vorne zu ziehen. Genau so darf und soll innovatives Drumming heute klingen. Kurz und gut: A COSMIC TRAIL haben eigentlich alles richtig gemacht und liefern mit „II: Mistral“ ein Instrumentalalbum ab, das begeistert. Hier ist Reinhören Pflicht!
Wertung: 9 / 10
Hammeralbum. Wer da von belanglosem Geklimper spricht steht wirklich auf dem falschen Fuß. Fröhlich finde ich das auch nicht, teilweise aber zum weinen schön.
Habe Atmosphärisch aufgrund des Covers etwas völlig anderes erwartet als ich gestern via Spotify reingehört habe. Hat mich leider völlig auf dem falschen Fuß erwischt und mich nicht angesprochen. Ist mir irgendwie zu fröhlich, zuviel belangloses geklimper ohne Richtung. Schade.