Mit „Envenom“ erscheint das dritte Album der Göteborger Band AGE OF WOE. Wer die Band (noch) nicht kennt und dem Trugschluss „Metal aus Göteborg = Melodic Death Metal“ anheimfällt, wird den Schweden an dieser Stelle nicht gerecht. AGE OF WOE sind stilistisch schwer einzuordnen und driften auch fünf Jahre nach dem Erscheinen des Vorgängers „An Ill Wind Blowing“ auf einem schmalen Grat zwischen Doom, Sludge und Death, ja sogar Punk.
Der Einstieg in das Album sowie dessen erste Hälfte ist doomig-schwer tropft zäh fließend und tönt hässlich keifend aus der Anlage. Der Opener „Inferno“ startet langsam schwelend und katapultiert mit dem einsetzenden Gesang direkt hinein in ein Werk, das auf mehreren Ebenen reizt und stellenweise gewollt Widerwillen erzeugt. Dies passiert zum ersten Mal bei den bewusst eingesetzten dissonanten Gitarrenpassagen im Opener, die fast schon weh tun. Der zweite Track „Ghosts Who Hunt Alone“ bringt durch sein powerchordlastiges und rotziges Gitarrenspiel die eingangs erwähnte Hommage an den Punk in einer triefend-verzerrten Erscheinung, die stellenweise von der Leadgitarre jaulend zerschnitten wird. Der gesamte Song sowie das folgende Instrumental „Förpestningen“ (Die Pest) lösen durch ihre Komposition Unbehagen aus.
Mit „A Feral Swarm“ ändert sich der Klang des Albums und es nimmt Fahrt auf. Gleichzeitig stellt er das erste Highlight dar: Der Song ist wild und prangert an. Der facettenreiche Track liefert einen rasanten Einstieg, mündet aber ab dem letzten Drittel in schweres Ende, dessen letzte Worte „listen to my insanity“ genau diesen Ausdruck mit einer herrlich gequälten Passage von Sänger Sonny Stark einfängt. Die insgesamt drei Instrumentaltracks der Platte, „Förpestningen“, „Avgrunden“ und „Förbittringen“, sind willkommene Abwechslung und unterbrechen das Stakkato aus Negativität und Aggression an den richtigen Stellen.
Sind die Instrumentale verklungen, verschlingt die Musik den Zuhörer sofort wieder. Der Titeltrack „Envenom“ klingt dabei in seinen besten Momenten wie eine Verneigung vor Mantar und spuckt ähnlich Gift und Galle, bevor mit „Ljungfeld“ der eigentliche siebenminütige Glanzpunkt und krönender Abschluss der Scheibe folgt. Dieser unglaublich vielschichtige Track fasst alles zuvor Gehörte zusammen und hätte in der Tracklist nicht besser platziert werden können. Er kulminiert in einem Wirbel aus Wahn und Agonie im selbst erzeugten Feuersturm, bevor ein cleaner Gitarrenteil die Luft zum Atmen gibt und den Hörer in die zuvor erzeugte Leere entlässt.
Das Album selbst ist stark komponiert und folgt klanglich einem roten Faden. Der Sound legt großes Augenmerk auf die Leadgitarre. Deren markantes Auftauchen aus dem sumpfig-zähen Sound zieht sich als ein Stilmittel durch nahezu alle Tracks. Einziger Wermutstropfen der Produktion ist, dass der Gesang von Sonny Stark in den klanglich dichten Passagen in den Hintergrund rückt, was leider sehr häufig passiert. Das ist dem Abmischen geschuldet, da der Fokus auf die basslastigen Tonspuren gelegt wurde, die der Produktion zwar Wucht und Schwere verleihen, leider aber dazu führen, dass die Vocals stellenweise untergehen. Das wiederum ist sehr schade, denn Sonny beweist in Tracks wie „A Feral Swarm“ und vor allem „Ljungeld“, was seine richtig eingesetzte Präsenz bewirken kann.
Was bedeutet das für das gesamte Album? Nun, „Envenom“ ist ein Mahlstrom, der den Zuhörer vielerlei negativ konnotierte Emotionen durchleben lässt: Es ergießt Hass und Abneigung, Frust und tiefe Leere in einer beeindruckenden Dichte. Ist der Ritt durch dieses finstere Tal einmal durchstanden, verbleibt man merkwürdig aufgewühlt und das Gehörte verarbeitend. Wem der Sinn nach genau solchen Achterbahnfahrten steht, kann bei diesem Werk getrost zugreifen und dürfte nicht enttäuscht werden. Wer allerdings aktuell leichte Kost nötig hat, sollte besser die Finger davon lassen.
Wertung: 7.5 / 10