Review Ava Inferi – Onyx

Höre, beziehungsweise liest man den Namen Rune Eriksen, denkt man immernoch zu erst an Alben wie „Grand Declaration Of War“ oder „Ordo Ad Chao“, die er unter dem Pseudonym Blasphemer mit der Black-Metal-Legende Mayhem veröffentlicht hat. Von einer ganz anderen Seite zeigt sich der Norweger jedoch seit 2005 bei AVA INFERI, einem im weiten Feld des Gothic Rock/Metal anzusiedelnden Projekt, welches er mit seiner Frau Carmen Susana Simões betreibt.

Drei Alben sind unter diesem Banner bereits veröffentlicht worden, mit „Onyx“ steht das vierte unmittelbar vor der Veröffentlichung. Und erneut zeigt sich, was der Black Metal-Fan schon aus Blasphemers Mayhem-Tagen wusste – dem durchschnittlichen Gothic-Rock-Hörer jedoch zumindest anhand dieser Alben vielleicht noch nicht ganz begreiflich wurde: Die Genialität des Songwriters Rune Eriksen. Denn wo es seine Kompositionen waren, der die truen Mayhem (und mit ihnen den skandinavischen Black Metal) revolutionierte, zeigt sich auch hier eindrucksvoll, wenn auch aus komplett anderer Perspektive, was der Mann drauf hat.

Ausgewogen zwischen klassischen Arrangements, episch-getragenen Passagen und kraftvollen Riffs pendelnd, präsentiert sich „Onyx“ als eine in sich stimmige Melange aus kraftvollen wie berührenden Momenten, die zu bezaubern weiß.

Bezaubernd ist auch Carmen Susana Simões Gesang: In einer Perfektion, von der eine Vielzahl anderer Sängerinnen nur träumen kann, führt die Portugiesin den Hörer zielsicher und souverän durch die acht Songs beziehungsweise 50 Minuten Spielzeit: Und fühlt man sich auch bisweilen gesanglich an die typischen Frauengeführten Gothic-Bands a la Within Temptation erinnert, so hat Simões Gesang doch deutlich mehr Tiefe und eine individuellere Klangfarbe als die meisten Sängerinnen.

In Verbindung mit der elaborierten Instrumentalarbeit, die dem Ganzen ein so filigranes wie solides Fundament unterschiebt, ist „Onxy“ wohl eher mit kompositorisch herausragenden Projekten wie Septicflesh beziehungsweise dem Neoklassik-Ableger Chaostar vergleichbar, denn mit klischeehaft vor sich hinplätscherndem Unterhaltungs-Gothic Rock – und zwar im Guten wie im Schlechten. So verwundert es wenig, dass auf „Onyx“ Abwechslung größer geschrieben wird als Eingängigkeit – ein Aspekt, der, obwohl in den meisten Fällen ein Qualitätsmerkmal, der Platte dennoch bei dem ein oder anderen ungeduldigen Hörer eventuell zum Verhängnis werden könnte: Denn ist „Onyx“ auch vom ersten Durchlauf weg schön zu hören, geht es dennoch nicht gleich dergestalt ins Ohr, als dass man davon Ohrwürmer bekommen würde.

So hält man mit „Onyx“ ein vielschichtiges Album in Händen, das seine Geheimnisse erst mit der Zeit preisgibt – ein Werk, dessen Reize, wie das im Leben eben so ist, erst voll zur Geltung kommen, wenn die Hüllen gefallen sind. Kitschig? Die Formulierung vielleicht, das Album nur auf den ersten Blick – denn wer sich davon nicht abhalten lässt, kann in „Onyx“ nicht weniger als eines der schönsten und anspruchsvollsten Stücke Musik dieses noch jungen Jahres entdecken.

Wertung: 9 / 10

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