Review Egokills – Creation

Zeit für ein kleines Spiel: Es soll eine Band betrachtet werden – nehmen wir hierzu in diesem Fall einmal In Flames – und die Hälfte der Band durch eine stilistisch fremde Band ersetzt werden. Das könnten wir hier beispielsweise mit Bon Jovi machen. Nun sollte jeder versuchen sich vorzustellen, wie die Musik dieser Mischband klingt… Fertig? Dann kann die Vorstellung jetzt mit EGOKILLS verglichen werden. Die finnische Hard-Rock-/Alternative-Metal-Band, die ihre Musik selbst „Hippie Metal“ nennt, hat gerade mit „Creation“ ihr Debütalbum veröffentlicht und klingt dabei genau nach der oben beschriebenen, sonderbaren Mischung.

Das ist nicht nur beim ersten, sondern auch bei weiteren Hördurchläufen mehr als seltsam. Wo im Instrumentalen zweistimmige Gitarren und In-Flames-Signature-Riffs durch teils fetziges, teils grooviges Schlagzeugspiel tänzeln, da brechen die Songs im Refrain in radiotaugliche Bon-Jovi-Hooks auf. Dass Sänger Janne Selo und Jon Bon Jovi dabei nahezu identisch klingen, dürfte einen entscheidenden Teil dazu beitragen, an diesem Vergleich nicht vorbeikommen zu können.
Das wäre ja auch gar nicht schlimm, sondern in erster Linie sogar interessant. Gerade in Verse-Abschnitten und instrumentalen Zwischenspielen macht „Creation“ auch wirklich Spaß, trotz der Tatsache, dass die Musik weder neu noch sonderlich individuell klingt. Egal ob das groovige „Reckoning“, das rockige „Lifestruck“, das an Pantera erinnernde „Shift“ oder das „Come Clarity“-kompatible „Metamorphosis“ – sie alle funktionieren überwiegend problemlos und wirken professionell. Das Problem aber sind eben die Refrains. Denn diese sind – und das kann man leider nicht anders ausdrücken – ein Sammelsurium an Komplettkatastrophen. Kitschige, ausgelutschte Möchtegern-Mitsing-Teile, die in ihrer meist fehlenden Eingängigkeit und fast schon anbiedernden Art nicht nur maximal egal sind, sondern schon penetrant auf die Nerven gehen. Sie sind etwa das musikalische Äquivalent zu Leuten, die sich aufdringlich einschleimen, um gemocht zu werden. Das geht natürlich komplett nach hinten los.
Wer schon die größtenteils misslungenen Refrains der Post-„Reroute To Remain“-Ära von In Flames nur noch mit Augenverdrehen kommentieren kann und leidenschaftlich den Sport des Nickelback-Bashings betreibt, der sollte von „Creation“ einen Riesenabstand nehmen. Denn im Vergleich zu den peinlich schlechten Melodien von EGOKILLS sind die Vokalergüsse eines Anders Fridén geradezu kunstvoll. Wo bei In Flames pro Album wenigstens zwei oder drei Refrains noch halbwegs erträglich sind, da saufen EGOKILLS tatsächlich mit einer 0/11-Trefferquote ab.
Natürlich machen Refrains nur einen Bruchteil eines Songs aus, weshalb sie logischerweise nicht so sehr stören sollten. Tun sie aber leider, denn die Songs sind so komponiert, dass sie auf den Refrain als Höhepunkt zusteuern. Wenn also jeder Song einen schönen Aufbau hat, aber in einem unerträglichen Genöle endet, dann macht das tatsächlich so viel kaputt, dass man die Platte eigentlich nach drei Songs schon herausnehmen und aus dem Fenster werfen möchte.

Zu „Creation“ muss man also sagen, dass EGOKILLS hier ein Album voller musikalischem Potential und mitreißender Riffs unnötig in den Sand gesetzt haben. Abschreiben sollte man die Band nach nur einem Album allerdings noch nicht, viele Bands haben sich gerade in ihrer Anfangszeit noch deutlich verändert. Wenn aber EGOKILLS beim nächsten Mal ihre Horrorrefrains nicht verwerfen oder zumindest lernen, wie man sie gut schreibt, dann kann man die Truppe tatsächlich komplett vergessen. Denn so spektakulär grandios ist die restliche Musik dann doch nicht, dass es sich lohnt, sich durch die schlimmen Radiokitsch-Teile hindurchzuquälen.

Wertung: 4.5 / 10

Publiziert am von Simon Bodesheim

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