Review Hacride – Back To Where You’ve Never Been

Die Franzosen scheinen ein glückliches Händchen mit dem Produzieren von progressiven Klängen zu haben, denn ebenso wie ihre Landsleute Gojira wollen auch HACRIDE mit nicht einfach zugänglicher Musik begeistern und stellten ihr Können hierfür mit den letzten Studioalben „Amoeba“ und „Lazarus“ unter Beweis. Die neueste, über Indie Recordings veröffentlichte Platte „Back To Where You’ve Never Been“ soll ein weiterer Beweis für ihr Gespür von technisch anspruchsvollen, aber gleichzeitig sich in den Gehörgängen festsetzenden Melodien sein.

Der Opener „Introversion“ beginnt sanft mit einer elektronisch verspielten Melodie, die so eine starke Spannung aufbaut, dass es nicht verwunderlich ist, dass der Zuhörer nach knapp zwei Minuten des Lauschens durch einen Break in die Realität zurückgeholt wird: HACRIDE sind ein Garant für progressive Strukturen und sich spontan entladene Energie – zwei Merkmale, die in „Introversion“ deutlich unterstrichen werden. Der Sound der Gitarren macht süchtig: Fett, treibend, melodiös. Und das, obwohl Adrien Grousset der einzige Herr an der Gitarre ist und sich auf dem Album nicht, wie stellenweise dem Klang nach zu urteilen, drei Gitarristen die Finger wund spielen.

Das instrumentale „Synesthesia“ erweckt den Eindruck, dass sich HACRIDE nicht dem Zauber ihrer Grundmelodie des Openeres entziehen konnten, denn dieses Lied beginnt ähnlich wie „Introversion“, verläuft aber doch anders. Die Gitarren sind schwermütiger, der Kopf fängt sofort an sich im Takt mitzubewegen. Einer der melodisch am simpelsten produzierten, aber mit dem meißten Headbang-Potenzial ausgestatteten Songs von „Back To Where You’ve Never Been“. Mit „Overcome“ legen HACRIDE eine gelungene Komposition vor, in der die Band eine verspielte Melodie mit einem atmosphärischen Mitteilteil, berauschenden Tempowechseln und eingängigen Gesangsparts verbinden. Apropos Gesang, nicht nur das musikalische Geschick der Herren ist überzeugend, sondern ebenso lobend hervorzuheben sind die Vocals. Ob geschrien oder ins Mikrofon gehaucht, Sänger Luiss Roux ist in Spitzenform und überzeugt durch keinen einzigen schwachen Moment.

Wenn HACRIDE neben ihren bereits genannten Vorzügen etwas gut können, dann ist es ihre Lieder mit elektronischen Flair einzuleiten. Das nimmt zwar die ersten eins bis zwei Minuten jedes Songs in Anspruch, wirkt aber nicht fad, da es HACRIDE schaffen, jedem Lied damit dessen eigene Note zu verpassen. Man könnte der Band zwar vorwerfen, dass der Songaufbau durch dieses Vorgehen vorhersehbar ist, aber man könnte es auch als ein Wiedererkennungszeichen deuten, wofür HACRIDE stehen – das liegt im Ohr des Hörers.

Bei „Edification Of The Fall“ ist sie wieder, die eingängige Melodie, die sich langsam aufbaut, bis sie mit einem mitreißenden Zusammenspiel von Grousset und Roux in der letzten Hälfte des Songs endet. Bis zu jener Hälfte vermag der Song aber wenig zu begeistern, denn: Der Überraschungseffekt, welche Wendungen wohl in dem Track noch vorkommen könnten, ist verflogen. Das Fesselnde an „Back To Where You’ve Never Been“ lässt in „Edification Of The Fall“ nach und endet mit den beiden letzten Liedern „Ghosts Of The Modern World“ und „Requiem Of A Lullaby“. Sie geben dem Album einen unwürdigen Abschluss, weil beide Songs kompositorisch etwas liefern, was in den sechs Songs zuvor bereits innovativer und dynamischer geboten wurde.

HACRIDE schafften ein Album, welches vor Vitalität strotzt, denn anders als bei Veröffentlichungen von beispielsweise Meshuggah überzeugt „Back To Where You’ve Never Been“ nicht nur durch technisch abstrakte Momente und messerscharf abgestimmte Übergänge, sondern auch durch eine Seele. Besonders der schreiende, singende und schnauzende Roux verleiht dem Album etwas, was es mehr zu einem persönlichen Werk der Musiker anstatt zu einem musikalischen Kräftemessen mit anderen Größen der Szene werden lässt. Trotzdem ist „Back To Where You’ve Never Been“ zum Ende hin vorhersehbarer, denn das Grundgerüst jedes Songs wirkt vertraut. Schade, dass HACRIDE den Mut für ihre Mixtur aus sperrigen Passagen und melodischen Gesangsparts nicht auf den Aufbau ihrer Songs übertragen konnten/ wollten.

Wertung: 6.5 / 10

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