Hegemon – Sidereus Nuncius

Review Hegemon – Sidereus Nuncius

Die Fanfare erfreut sich im Black Metal immer schon großer Beliebtheit – sei es nun in Emperors epochalen Albumintro „Alsvartr (The Oath)“ oder in Nagelfars „Kapitel zwei, der Sommer: Die Existenz jenseits der Tore“, um nur zwei Beispiele herauszugreifen. Doch wohl nie klang eine Fanfare unheilsvoller als im Opener zum neuen Album von HEGEMON: Zu diesem Track könnten sich schwerfällig Mordors Tore öffnen oder Reiterarmeen vor blitzdurchzucktem Himmel sammeln.

Und tatsächlich braust „Heimarmene“ dann auch unvermittelt mit dem Tempo und der Wucht eines ganzen Kavallerieverbands los, ehe der Song in wildes Schlachtgetümmel übergeht. Assoziationen wecken kann der Song jedenfalls. Auch jenseits solch vielleicht etwas überzogener Metaphern ist, was die Franzosen für ihr fünftes Album „Sidereus Nuncius“ komponiert haben, absolut bemerkenswert: Schon der Vorgänger, „The Hierarch“ (2015), konnte ja mit viel kompositorischer Finesse und einem abwechslungsreichen, wenngleich nicht ganz unverwechselbaren Stil überzeugen. Auf „Sidereus Nuncius“ klingen HEGEMON – immerhin auch schon im 25. Jahr ihrer Bandgeschichte – nochmal deutlich reifer: Ohne an der Grundausrichtung oder den verarbeiteten Elementen allzuviel geändert zu haben, klingen die acht Songs nochmal deutlich schlüssiger und damit schwungvoller als alles, was man von HEGEMON bislang gehört hat.

Mellonta Tauta“, das von fieser Raserei im Stile von Enthroned über grooviges Midtempo bis hin zu einem bedächtigen Cleanpart reicht, ist hierfür ein gutes Beispiel: HEGEMON machen nichts Neuartiges – das aber verdammt gut: „Ascendency Of Astral Chaos“ betont wiederum auch in den härteren Parts, vor allem aber in den ausschweifenden Cleanparts (mit hörbaren Bassläufen!) die melodische Seite der Band, „Shape Shifting Void“ direkt im Anschluss lebt, wie etwa auch „Your Suffering, My Pillars“ vornehmlich von fiesem Black-Metal-Gesäge, das fast schon in eine Kategorie mit Seth, Naglfar oder Dark Funeral fällt. Doch auch ihre härtesten Passagen lockern HEGEMON immer wieder mit Symthesizern auf, die dem Sound einen modernen Touch verleihen („Black Hole Womb“), und brechen Strukturen immer dann durch Cleanparts auf, wenn man gar nicht mehr damit gerechnet hat. Das klingt frisch und spannend – vor allem aber: extrem souverän.

Gerade weil HEGEMON nicht sonderlich charakteristisch klingen, ist „Sidereus Nuncius“ spannend: Dieses Album will erarbeitet werden – hat aber auch die Substanz dafür. Die Songs sind nicht offensichtlich „besonders“, aber so wuchtig und düster, so catchy und sinister, dass man eigentlich gar nicht umhin kann, ihnen einen zweiten, dritten, vierten Durchlauf zu geben. Ob das für HEGEMON (ἡγεμών/ hēgemṓn – Anführer) zur Vorherrschaft im Black Metal reicht, ist angesichts der starren Hierarchien in der Szene mehr als fraglich – und doch ist „Sidereus Nuncius“ nichts weniger als ein Herrschaftsanspruch: Auf diesem Niveau musizieren viele der etablierten Bands des Genres schon lange nicht mehr.

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Wertung: 9 / 10

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