Infected Rain Time Coverartwork

Review Infected Rain – Time

Mit “Ecdysis” haben INFECTED RAIN 2022 die wortwörtliche Häutung vollzogen und sind zu einer komplett eigenständigen Band empor gestiegen. Mit Lena Scissorhands sind die Moldawier zudem noch mit einer der vielseitigsten Sängerinnen und spannendsten Persönlichkeiten der aktuellen Metalszene gesegnet. Nachdem das Line-up nun über zehn Jahre stabil war, brachen mit  Gitarrist Sergey Babich und Bassist Vladimir Babich zwei langjährige Mitglieder weg. Mit Neuzugang Alice Lane am Bass machen INFECTED RAIN nur noch als Quartett weiter – auf das sechste Album „Time“ hat das aber keinerlei negative Einflüsse.

Dass INFECTED RAIN den auf „Ecdysis“ eingeschlagenen Kurs weiterführen, zeigen sie gleich mit dem Opener „Because I Let You“: Die gewohnten, extrem tiefen Gitarren und die aggressiven Screams von Lena, der mächtige Groove, plötzliche Breaks und die vertrackten Strukturen lassen von Anfang an keinen Zweifel daran aufkommen, welche Band man gerade hört. Dass die Breaks manchmal dermaßen abrupt kommen wie bei „Because I Let You“, dass von einer Sekunde auf die andere unbarmherzige Brutalität in zarte Melancholie gewechselt wird, sorgt für eine einzigartige Intensität.

Gerade die ruhigen Momente, die auf „Time“ mehr als bisher eingewoben werden, sind mit ihrer schmerzhaften, leidenden Art beeindruckender denn je. Sowohl der vermehrte Einsatz von elektronischen Elementen wie auch Lenas Klargesang lassen die leisen Stellen emotionaler und die harten Parts umso wuchtiger wirken. Wo Lenas klarer Gesang früher oft noch etwas zu schräg klang, zeigt sie sich auf „Time“ in ihrer bisher besten Form – neben vielen, gelungenen Gastbeiträgen bei anderen Bands hat sicher auch das letztjährige Debütalbum „Initiation“ ihrer Zweitband Death Dealer Union beigetragen, bei dem sie vor allem auf cleane Vocals setzt. Nahezu perfekt zeigt sich diese Mischung beim Albumhighlight „Dying Light“, bei dem die Band nicht nur gesanglich, sondern auch mit der Mischung aus brutalen und zuckersüßen Klängen alle Register zieht.

Was „Time“ als sechstes INFECTED-RAIN-Album dann auch zum besten der bisherigen Bandhistorie macht, ist das starke Songwriting. Die Moldauer haben ihre aggressive Chaos-Natur nach wie vor in sich, kanalisieren diese aber in bekömmlichere Songs als jemals zuvor. „Bekömmlich“ heißt bei INFECTED RAIN zum Glück nicht, nur eben strukturierter und kompakter als oft in der Vergangenheit: Das schleppende „Paura“ etwa sticht mit seinem tonnenschweren, disharmonischen Walzenriff und der ungewöhnlichen Synthie-Untermalung aus „Time“ mehr hervor, als es das auf früheren Alben getan hätte.

INFECTED RAIN manifestieren nach „Ecdysis“ mit „Time“ ihren Status als eine der heißesten und eigenständigsten Bands im modernen Metal. Dass die Musik jetzt weniger sperrig und etwas zugänglicher ist, INFECTED RAIN sich zugleich aber im Kern und vor allem in der atmosphärischen Wucht treu bleiben, hebt das Ganze nochmal auf ein neues Level. „Time“ ist aggressiv, wunderschön, brutal, herzzerreißend – überwältigend.

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Wertung: 9 / 10

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