Review Ivar Bjørnson & Einar Selvik – Hugsjá

Manche Musiker finden im Studio zusammen, um die Aufnahmen an einem gemeinsamen Werk einzuspielen. Andere hingegen konzipieren eine Konzertreihe, aus deren Aufführung sich erst ein Album herausbildet; so geschehen (mal wieder) bei Ivar Bjørnson (Enslaved, BardSpec) und Einar Selvik (Wardruna). Gaben die beiden vor vier Jahren die Grundlage für ihr Debüt „Skuggsjá: A Piece For Mind & Mirror“ live auf dem Eidsivablot-Festival zum Besten, gestaltet sich auch die Entstehungsgeschichte ihrer zweiten Full-Length „Hugsjá“ als nicht grundlegend anders: Erstmalig bei dem Bergen International Festival im vergangenen Jahr aufgeführt, steht knapp ein Jahr später der dazugehörige elf Songs umfassende Tonträger in den Läden.

Das Projekt IVAR BJØRNSON & EINAR SELVIK präsentiert sich auf diesem in der Machart von „Skuggsjá“, nur, dass sich Bjørnson und Selvik dieses Mal thematisch der Lokalgeschichte norwegischer Ortschaften zuwenden. Musikalisch steht „Hugsjá“ auf dem ersten Blick in direkter Nachfolger zum Debüt, allerdings ist der Begriff der Nachfolge in diesem Kontext nicht als Weiterentwicklung oder Anschluss an den Vorgänger zu verstehen.

Stattdessen bedient sich die zweite Platte der Kollaboration eines Motivs, welches auf „Skuggsjá“ zwar auch zu finden war, allerdings nicht so dominant in den Vordergrund gestellt wurde, wie es auf „Hugsjá“ der Fall ist: die Entschleunigung. Lebte bereits das Debüt von wenig Tempo, ist das Zweitwerk erstaunlicherweise noch eine Spur ruhiger geworden. Mag sich zwar mitunter das Schlagzeug sanft mit einem Tom-Tom-Pattern erheben („Ni Mødre Av Sol“), scheint es grundsätzlich aber ebenso verzichtbar geworden zu sein wie Bjørnsons Gitarre.

Die Problematik ist allerdings nicht die Besinnung zum noch verträumteren, ruhigeren Spiel, sondern die nahezu gleichbleibend wabernde Schwermütigkeit der elf Tracks. Die Spannungskurve sinkt nicht, steigt allerdings auch nur geringfügig; stattdessen wartet „Hugsjá“ als ein (rein kreativ betrachtet) beinah enttäuschendes Album auf. Wo sind die Steigerungen, die sich mitten ins Mark arbeiten? „Nattseglar“ mag in die Nähe eines Überhits wie „Skuggsjá“ kommen, allerdings liegt dazwischen noch viel Spielraum.

Und wo sind die klaren Einflüsse beider Musiker, die diese Kollaboration so spannend werden ließen? Am ehesten lässt sich Bjørnsons Einfluss als Kopf hinter BardSpec ausmachen, da „Hugsjá“ stellenweise dort Tiefgang mittels Loops generiert („Nattseglar“), wo auf dem Debüt noch traditionellere Instrumente benutzt wurden. Auf „Nytt Land“ dominiert zwar ein Riff von Bjørnson, aber aufgrund der Länge von acht Minuten Spielzeit verliert dieses ebenso an seiner mitreißenden Wirkung wie der bezaubernde Refrain, der zum Ende hin den Track eher in die Länge zieht anstatt diesen aufzuwerten.

Mit „Utsyn“ kommen IVAR BJØRNSON & EINAR SELVIK ihrer alten Größe endlich näher, allerdings sind bis zu diesem Lichtblick bereits 40 Minuten vergangen, in der man sich nur allzu oft die Frage gestellt haben dürfte, weswegen „Snake Pit Poetry“ in sieben Minute die gesamte Gefühlswelt ergreifen konnte, hingegen dies „Hugsjá“ nur spärlich gelingt. Mitnichten kann die Antwort die sein, dass die Platte nicht gut ist; vielmehr ist sie nur so anders, dass sie nicht die Vorzüge der Kollaboration fördert, sondern eher zu wenig aus beiden kreativen Welten vereint. Stattdessen treffen sich IVAR BJØRNSON & EINAR SELVIK in der gediegenen Mitte und verzichten dabei auf Merkmale, die ihr Debüt so großartig haben werden lassen.

Wertung: 6 / 10

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