Review Johnny Deathshadow – D.R.E.A.M.

Wenn man mal ehrlich ist, gab es im Industrial-Rock bzw. -Metal schon länger keine wirklich innovativen Strömungen mehr. Selbst Bands und Musiker wie Oomph!, Marilyn Manson, Eisbrecher oder Nine Inch Nails, die die Szene in den neunziger und frühen zweitausender Jahren maßgeblich definiert oder beeinflusst haben, konnten zuletzt höchstens in Ausnahmefällen vollends überzeugen – zu beliebig und austauschbar scheint das ewige Wechselspiel aus clubkompatiblen Schlagzeug- bzw. Drumcomputer-Rhythmen, Gitarrenbrettern und verzerrten Vocals in den Strophen sowie beinahe weichgespülten Herz-Schmerz-Chorus-Passagen. JOHNNY DEATHSHADOW aus Hamburg wollen mit ihrem zweiten Album „D.R.E.A.M.“ beweisen, dass das letzte Wort in Sachen industrialisierter Gitarrenmusik noch nicht gesprochen ist – geht das gut aus?

Es fängt eigentlich ganz vielversprechend an: der Opener „Red Rain“ weiß trotz schon tausendmal gehörtem technoidem Synthesizer-Sound mit seinen fett stampfenden Drums und den tief gestimmten Gitarren zu gefallen. Auch die Vocals werden ein gutes Stück härter als bei der Konkurrenz zum Besten gegeben, das geht eigentlich schon in Richtung schwermetallische Growls und gefällt auf Anhieb, zumal hinter der nächsten Ecke auch kein schmieriger Poprefrain wartet. Tragischweise bestätigt das darauffolgende „Trauma“ aber dann alle eingangs erwähnten Befürchtungen; handelt es sich hierbei um eine dieser 08/15-Szene-Singles mit härterer Strophe und melodischer Hookline ohne jeglichen Ohrwurmcharakter im Chorus. Richtig schlimm wird es dann aber in „Legion“: Hier zeigt sich, dass gerappte Vocals nicht unbedingt zu den Stärken von JOHNNY DEATHSHADOW gehören – und auch die Synthesizer-Sounds und andere elektronischen Klänge sind alles andere als innovativ und wirken in vielen Fällen wie Standard-Preset-Ware.

Im weiteren Verlauf von „D.R.E.A.M.“ bestätigt sich dieser Eindruck: Man bekommt die genretypische Mischung aus den anfangs genannten Zutaten präsentiert – und obwohl JOHNNY DEATHSHADOW dabei phasenweise ein Stück härter unterwegs sind als z.B. Eisbrecher zuletzt, bleibt dabei wenig im Ohr hängen. Das liegt nicht unbedingt an den Fertigkeiten der beteiligten Musiker, sondern eher am Songwriting, welches sich fortwährend des gleichen Musters bedient, ohne dabei auf irgendeiner Ebene außergewöhnlich zu glänzen.

Umso überraschender, dass JOHNNY DEATHSHADOW auf den letzten Metern bzw. Minuten einen durchaus respektablen Endspurt hinlegen: „From On High“ überzeugt mit frischen, unverbrauchten elektronischen Elementen und seiner bedrückenden Soundtrack-Atmosphäre. Ziemlich coole Nummer, wenn auch leider recht kurz. „Under His Eye“ bietet dann auch endlich mal einen äußerst eigenständigen Ohrwurmchorus und hat etwas von Oomph! zu „Defekt“- oder „Wunschkind“-Zeiten, ohne dabei altbacken zu klingen. Der letzte Track „Beyond The Pale“ mausert sich dann recht schnell zum heimlichen Highlight auf „D.R.E.A.M.“: Die mal zerbrechlichen, mal hasserfüllten Vocals, das schleppende, aber doch groovende Drumming sowie die tonnenschwere, fast doomige Gitarrenarbeit sind großartig arrangiert und umgesetzt – davon hätte man gerne mehr gehört.

„D.R.E.A.M.“ hinterlässt einen zwiespältigen Eindruck: Vom Opener einmal abgesehen ist die erste Albumhälfte recht vorhersehbar, unspektakulär, ziemlich poliert und dadurch schon irgendwie auch auf kommerziellen Erfolg getrimmt. Die durchaus fette, wenn auch hier und da recht überkomprimierte Produktion bietet kaum Ecken und Kanten, die die Komfortzone von Otto-Normal-Gothic-Industrial-Rock-Hörer tangieren dürften. Die letzten Nummern auf „D.R.E.A.M“ zeigen allerdings auch, dass JOHNNY DEATHSHADOW durchaus dazu in der Lage wären, einen hörenswerten und halbwegs eigenständigen Beitrag zur Industrial-Rock-Szene zu leisten – wenn sie den Mut aufbringen, auf chartskompatible Belanglosigkeiten zu verzichten und etwas mehr Kante zeigen. Man darf gespannt sein.

Wertung: 5.5 / 10

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