Review Leaves’ Eyes – Njord

Mit der Idee, der Erstauflage des neuen Albums “Njord” ein Wikingerschiff beizulegen, wollte man im Hause LEAVES` EYES wohl demonstrieren, dass das nordische Wesen durchaus auch von Mitteleuropäern erfolgreich interpretiert werden kann. Vor allem dann, wenn die Frontfrau Liv Kristine ja auch eine gebürtige Norwegerin ist. „Njord“ ist das mittlerweile dritte Album der Herrschaften um die ehemalige „Theatre Of Tragedy“-Frontfrau, ob es den Ansprüchen der bärtig-barbarischen Zunft genügt, muss sich aber noch zeigen.

LEAVES’ EYES waren mir bis auf die ungefähre Besetzung und den teilweise veganen Lebenstil einiger Bandmitglieder bis jetzt nicht bekannt. Auch die Mutterbands „Theatre Of Tragedy“ (Liv Kristine) und „Atrocity“ (Alex Krull) zählen nicht zu meinen Favoriten und ich bin schon sehr geneigt, dies auch für die Zukunft auszuschließen. Jeder Musiker hier ist zwar ohrenscheinig an seinem Instrument befähigt, aber das Ganze sagt mir irgendwie überhaupt nicht zu. Zum einen fehlt mir der Wiedererkennungswert der Songs, so dass auch bei zehnten Durchlauf jedes Lied wie ein ganz neues scheint. Sicher, für die Langzeitwirkung ist das eventuell förderlich, aber den einen oder anderen Ins-Ohr-Geher hätte es meiner Meinung nach schon gebraucht. Gerade dann, wenn man am Mikro eine Dame stehen hat, die sogar schon für Mainstream-Produktionen wie „Schimanski“ gesungen hat. Insgesamt kommt der weibliche Gesang aber sehr zurückhaltend, fast schüchtern rüber. Leider ergibt sich auch keine vernünftige Symbiose mit den Growls von Ehemann Alex Krull. Richtig gegrowlt wird ohnehin nicht, es hört sich eher wie ein Shouten a la Fußballstadion an, jedenfalls nicht wie harte Vocals und daher leider häufig ziemlich unpassend wie etwa in „Destiny“, immerhin die Singleauskopplung der Scheibe.

Das Bemühen um Abwechslungsreichtum ist zwar erkennbar, man bemüht sich, im Tempo, in Härte und Atmosphäre zu variieren. Ob es nun vielleicht sogar daran liegt, dass „Njord“ die Eingängigkeit fehlt, ist sogar möglich. So bleibt unter dem Strich die wirklich gelungene Coverversion von „Scarborough Fair“ als einzige Nummer wirklich hängen, bei vielem anderen werde ich das Gefühl nicht los, dass die Songs ein wenig in den Kinderschuhen steckengeblieben sind, sie wirken auf mich so unfertig. Vielleicht liegt es auch an einigen Line-Up-Veränderungen in den letzten Jahren, ich musste ja schon etwas schmunzeln, als ich sah, dass in den letzten Jahren sowohl Moritz Neuner als auch Nick Barker in der Band die Felle bearbeitet haben.

Hat die CD denn gar keine Vorzüge? Doch, denn die Voiceovers sind mal eine wirklich schöne Angelegenheit geworden, keine gelangweilte Stimme, die erklärt, dass es sich um dieses oder jenes Album handelt. Mit einem Hauch von Erotik wird die Information gerade „gehaucht“, zuckersüß wie ein Tropfen Honig nach Wochen des Fastens klingt es in mein Ohr. Nur schade, dass die Stimme offensichtlich noch nicht so gut trainiert ist, wie anders sollte man es erklären, dass sie am Ende ein wenig wegbricht. Hier noch ein wenig Übung und beim nächsten Mal können wir von einem wahren Meisterwerk des Genres sprechen, aber bis dahin möchte ich mich in Sachen Voiceovers nicht zu weit aus dem Fenster lehnen.

Ziehen wir ein schnelles Fazit: musikalisch ist hier alles im grünen Bereich, auf Einheitsbrei wird verzichtet, aber im Gesamtpaket fehlt was. Wiedererkennungswert und Eingängigkeit sind in den letzten vier Jahren, seit dem Vorgängeralbum, irgendwo verloren gegangen. Die Band täte gut daran, sich beim nächsten Mal etwas auf diesen Bereich zu konzentrieren, denn das entsprechende Potential ist absolut vorhanden – man sollte es bei so alten Hasen aber auch voraussetzen können, alleine ein Wikingerschiff macht schließlich noch keinen streitaxtschwingenden Nordmann.

Publiziert am von Jan Müller

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