Pencey Sloe - Neglect Cover

Review Pencey Sloe – Neglect

Was macht einen Menschen zu der Person, die er ist? Diese Frage scheint die Gesellschaft heutzutage mehr denn je umzutreiben. Nicht grundlos hat sich neben der schon länger bekannten Midlife-Crisis inzwischen auch der Begriff „Quarterlife-Crisis“ eingebürgert. Ständig wollen wir uns selbst besser kennenlernen – und uns neu definieren, wenn uns nicht gefällt, was wir vorfinden. Doch wie soll man sich entscheiden, wenn Persönlichkeiten sich wie Kleidungsstücke ab- und anlegen lassen und dabei eine so gut wie jede andere erscheint? Mit den Unwägbarkeiten der Identitätssuche haben PENCEY SLOE für ihr zweites Album „Neglect“ demnach ein spannendes Grundthema gewählt.

Auf welche Weise die inzwischen zu einem Duo geschrumpfte Band aus Frankreich das Selbst begreift, bleibt indes (wenig überraschend) auch nach dem Hören des Albums offen. Wie im Shoegaze-Genre üblich ist Diane Pellotieris weiche Stimme mit Unmengen an Hall belegt, sodass man die nicht gerade akzentfrei eingesungenen Texte nur bruchstückhaft versteht – ein im Kontext des Albumkonzepts durchaus passender Umstand. Sei’s drum, manche Fragen sind ohnehin interessanter als deren Antworten.

Musikalisch wissen PENCEY SLOE jedenfalls genau, was sie tun. Die geheimnisvollen Keyboard-Klänge, mit denen der Opener „What They Need“ die Platte einläutet, suggerieren zwar eine stilistische Selbstneuerfindung. Alsbald stellt sich jedoch heraus, dass PENCEY SLOE im Kern noch so klingen wie auf ihrem weitgehend starken Debüt „Don’t Believe, Watch Out“ (2019). Heißt im Klartext: ein gemessen an den Standards der Stilrichtung ungewöhnlich griffiger Unterbau aus Bass und Drums („Mirror Rorrim“, „Brutal In Red“), gesäumt von sphärischen Gesangs- und (Clean-)Gitarrenspuren.

Bis auf wenige Ausnahmen wie das besonders kalte und schwermütige „Smile To Zero“ und das ätherische Ambient-Interlude „Sigh“ sticht auf „Neglect“ nicht sonderlich viel heraus. Sofort ins Ohr gehende Nummern wie „Buried Them All“ oder „Gold And Souls“ haben PENCEY SLOE diesmal nicht im Gepäck. Sogar die Gastauftritte von Neige (Alcest) und Justin K. Broadrick (Godflesh), die den beiden Teilen von „The Run“ ihre schwebenden Stimmen leihen, bleiben auffallend unauffällig. Mit etwas Geduld kann man letztlich jedoch nahezu jedem Track des Albums etwas abgewinnen und mit dem melancholisch-meditativen „Inner“, das wie eine abgesteckte Version von Empyriums „The Turn Of The Tides“ klingt, runden PENCEY SLOE die Platte zum Schluss gelungen ab.

„Neglect“ mag musikalisch nicht so faszinierend wie die den Songs zugrundeliegende Thematik sein, ihr Ziel haben PENCEY SLOE damit aber nicht zwangsläufig verfehlt. Indem die Band sich die Stärken ihres Debüts bewahrt, aber auch ein paar kleine Neuerungen in ihren Sound aufgenommen hat, ist sie nun einen Schritt weiter auf dem Weg zu ihrer eigenen künstlerischen Identität. Ob und wann PENCEY SLOE im Shoegaze unverwechselbar für sich stehen werden, ist zwar nicht absehbar, schon jetzt gibt es in ihren solide umgesetzten Stücken jedoch ein paar interessante Details zu entdecken. Wer gerne Stimmungsmusik hört, ohne allzu sehr herausgefordert zu werden, ist mit „Neglect“ wie zuvor bereits mit „Don’t Believe, Watch Out“ gut beraten.

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Wertung: 7.5 / 10

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