Das Cover von "Turborider" von Reckless Love

Review Reckless Love – Turborider

  • Label: AFM
  • Veröffentlicht: 2022
  • Spielart: Hard Rock

Ein glückliches Händchen für Cover-Artworks hatten die finnischen Sleaze-Rocker RECKLESS LOVE noch nie. Das fing beim Abklatsch von Poisons „Look What The Cat Dragged In“ ihres Debüts an und wurde mit folgenden Platten nur wenig bis gar nicht besser. Mit dem Cyber-Balg nebst „Tron“-Radl ihres neuesten Albums „Turborider“ haben die Burschen aber den vorläufigen Tiefpunkt erreicht: Das rangiert vermutlich unter den unansehnlichsten drei des gesamten Genres. Man soll Musik nicht nach ihrer optischen Aufmachung beurteilen, aber RECKLESS LOVE machen einem das unvoreingenommene Hören reichlich schwer.

Unerfreulicherweise passt das misslungene Artwork hervorragend zum Rest der Platte, denn RECKLESS LOVE haben ihren Sound auf die denkbar schlimmste Art und Weise verändert: Waren die Finnen in der Vergangenheit eine fähige, wenn auch weithin gesichtslose Sleaze-Rock-Band, so regieren auf „Turborider“ plötzlich Synthie-Klänge und elektronische Beats. Schon im eröffnenden Titeltrack ist die Band dank Industrial-Feeling in den künstlich anmutenden Riffs, elektronisch modulierter Stimme und „Drums“ aus der Konservendose schlicht nicht mehr wiederzuerkennen. Klar, mit diesem radikal umgekrempelten Sound heben sich RECKLESS LOVE garantiert von jeglicher Konkurrenz ab – allerdings ist fraglich, warum irgendeine auch nur im Entferntesten mit Rock oder Metal assoziierte Band mit einem derartigen auditiven Verkehrsunfall in Verbindung gebracht werden möchte.

Nun könnte der Opener natürlich ein Ausrutscher sein, ist er aber nicht: „Turborider“ triefen dank Songs wie „For The Love Of Good Times“, dem unerträglichen „’89 Sparkle“ (von wegen …) und „Future Lover Boy“ die erwähnten Synth-Klänge und Retorten-Beats aus jeder Note. Gitarrensoli oder Riffs sind eher Pflicht als Kür, weil diese Band eben früher Hard Rock gespielt hat und sich von dieser Fanbase (noch) nicht ganz verabschieden will. Somit bieten RECKLESS LOVE mit ihrem neuesten Album keinen Sleaze Rock im Geiste der 80er, sondern Club-Sounds, die sich bestenfalls noch für die After-Party eines richtigen Konzertes eignen.

Wenn man es wirklich wohlwollend betrachtet und unbedingt etwas finden möchte, was man an „Turborider“ mögen kann, bieten sich die beiden Nummern „Outrun“ sowie „Like A Cobra“ an. Hier sind elektronische Klänge und Riffs einigermaßen gut ausbalanciert, weshalb beide Songs wie die aufgepumpten Versionen von 80er-Pop-Hits klingen und wenigstens einen Anflug von Authentizität versprühen. Auch das kann RECKLESS LOVE allerdings nicht davor bewahren, mit diesem Album in jedes irgendwie denkbare musikalische Fettnäpfchen zu treten – wer es nicht glauben will, hört die in jeder Hinsicht kriminelle Cover-Version von Ozzy Osbournes „Bark At The Moon“, die dank erwähnter E-Drums und Synth-Bass nicht weniger als ein Gewaltverbrechen ist.

Auch für ein Album wie „Turborider“ gibt es bestimmt einen Markt – bereits Battle Beast haben vorgemacht, dass die Kombination aus Dance-Elementen und Metal-Riffs durchaus kommerziellen Erfolg erzielen kann. RECKLESS LOVE setzen dieses Prinzip hier in einer etwas extremeren Form fort und auch das ist prinzipiell eine reine Geschmacksfrage, über die sich nur schwer objektiv streiten lässt. Das Problem liegt darin, dass die Finnen ursprünglich eine vollkommen andere Band waren, die sich den Sound von Genre-Vorreitern wie Mötley Crüe auf die Fahne geschrieben hatte. Dass sie ihren Sound nun radikal ändert, ist nicht verboten, aber es wirkt nicht authentisch, sondern kalkuliert und wird viele ihrer bisherigen Fans vor den Kopf stoßen.

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Wertung: 3 / 10

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Ein Kommentar zu “Reckless Love – Turborider

  1. Leider, leider kann ich dieser Review zum grössten Teil nur zustimmen. Ich war ja mehr oder weniger ein Fan der ersten Stunde von Reckless Love und habe ihr selbstbetiteltes Debüt-Album geliebt, auch wenn ausgerechnet der Radio-Hit daraus, „Beautiful Bomb“, nie mein Fall war. Aber abgesehen davon: Die Platte hat Spass gemacht und live ist die Band auch grossartig und empfehlenswert. Dann kam „Animal Attraction“. Auch auf dieser Platte gab es grossartige Songs, aber eben auch Ausfälle wie die erste Single-Auskopplung „Hot“. Zum Album-Release von „Spirit“ gab es dann dieses uniformierte Image in Richtung Black Veil Brides… Ja, ich weiss nicht. Authentisch wirkte das halt nicht. Die erste Single „Night On Fire“ gefiel mir, aber so richtig begeistern konnte mich „Spirit“ trotzdem irgendwie nie. „So Happy I Could Die“ klingt zum Beispiel stellenweise so arg und uninspiriert von Mötley Crüe’s „Kickstart My Heart“ abgekupfert… Ab da verlief mein Interesse an Reckless Love dann im Sande. Und so konnte das vierte Werk „InVader“ mit dem Backstreet Boys-artigen „Monster“ mich dann schon gar nicht mehr schocken. Ich war ja eh raus.

    Nun hatten Reckless Love – Ich meine am selben Tag wie Crashdïet – ein Snippet der ersten Single aus „Turborider“, „Eyes Of A Maniac“, veröffentlicht, und ich dachte: „Synthesizers? Interessant!“ Bei dem Snippet der ersten Single von Crashdïet’s kommenden Album „Automaton“ dachte ich wiederum: „Ach, ich weiss schon, wie der Song im Ganzen klingen wird.“ Da habe ich dann gelernt, wie wenig aussagekräftig solche Snippets sein können. Während „Eyes Of A Maniac“ sich als völlig belanglose Fahrstuhlmusik entpuppte, lieferten Crashdïet mit „No Man’s Land“ ein richtiges Brett ab. Ab da habe ich von Reckless Love wirklich nichts mehr erwartet. Die zweite Single „Turborider“ genauso „weird“, das Plattencover – wie der Rezensent schon schrieb – unansehnlich, und beim Durchlauf der Platte habe ich dann irgendwann sogar vergessen, zuzuhören. Ja, so fesselnd ist der Inhalt. ;) Und dazu dann wieder dieses uniformierte Image, diesmal in weissen Klamotten. Das wirkt doch alles sehr kalkuliert und „Pop“ á la Britney Spears.

    Ich würde der Band wirklich gerne zugutehalten, dass sie wenigstens Neues ausprobiert und so keine Langeweile aufkommen lässt. Ich glaube auch, dass zumindest Frontmann Olli Herman ebenso auf Hair Metal wie auf die Backstreet Boys steht, insofern macht es auch Sinn, dass die Band recht gegensätzliche Stile mischt. Halt das, was sie selber mögen. Was dann ja auch wieder authentisch wäre. Aber wirklich zusammenpassen tut das alles, meiner bescheidenen Meinung nach, halt nicht.

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