Jazz war schon immer geprägt von Improvisation, Free Jazz besteht eigentlich ausschließlich aus Improvisationsspiel – auch wenn es kompositionsähnliche Absprachen über Strukturen innerhalb der Performance geben kann. Dass die Musiker hierfür ihr Instrument perfekt beherrschen können müssen, dürfte sich von selbst verstehen. Hier kann man den Musikern von SPECTRUM ORCHESTRUM definitiv keinen Vorwurf machen: Das 2007 in Lille, Frankreich, gegründete Progressive-Rock-/Artrock-/Jazz-Quintett weiß auf „It’s About Time“ handwerklich absolut zu überzeugen.
Nach einem rund einminütigen Intro namens „Three To One“, welches mehr Kakophonie als wirklicher Song ist, folgt das dreiteilige halbstündige Titelstück „About Time“: eine auf Repitition basierende, weitestgehend improvisierte Soundlandschaft, ohne Frage mehr Jazz als Rock. Mit den prominenteren Varianten dieser Musikrichtung wie zum Beispiel Cool Jazz hat das ausschweifende Arrangement aber nicht allzu viel gemeinsam, vielmehr klingt die Nummer wie ein überlanger King-Crimson-Zwischenpart ohne rockigen Ausbruch.
Was nicht heißen soll, dass „It’s About Time“ langweilig ist: es gibt schon so etwas wie einen Spannungsbogen, denn es gibt viele Feinheiten im Spiel der Musiker zu entdecken. Aber eben kein songorientiertes Arrangement im klassischen Sinne. SPECTRUM ORCHESTRUM nutzen ein musikalisches Grundthema (gerne eins, das angerissen wirkt und nach einer baldigen harmonischen Auflösung schreit), um sich darauf basierend immer weiter zu steigern, die Intensität und Spannung zu verstärken, mit der die Musik voranschreitet.
Dabei bekommt jedes Instrument, egal ob Gitarre, Bass, Keyboards, Saxophon oder Schlagzeug, die Möglichkeit, im Fokus zu stehen. Um Minute 20 herum groovt die ganze Geschichte dann auch wirklich schön und weckt auch die eine oder andere Film-Noir-Soundtrack-Assoziation. Das Album endet mit „Not The End“ und auch in diesen neun Minuten fällt es schwer, so etwas wie eine songdienliche Struktur zu erkennen.
„It’s About Time“ ist schwere Kost und nicht leicht zu bewerten. Durchaus anspruchsvoll und technisch sehr gut umgesetzt, wissen viele Parts ohne Frage zu gefallen – gerade wenn man ein Faible für progressive Rockmusik aus den Siebzigerjahren (welche aber nur partiell zu erahnen ist) und vor allem Jazz hat. Live könnte das durchaus interessant sein. Denn das Werk von SPECTRUM ORCHESTRUM ist kein durchkomponiertes Album, sondern, da so ziemlich vollständig improvisiert, eine äußerst avantgardistische und experimentelle akustische Momentaufnahme im Schaffen der beteiligten Musiker, die auch nicht mehr eins zu eins reproduzierbar sein dürfte. Vielleicht liegt darin der Reiz.
Keine Wertung