Das Cover von "Dis Morta" von Toxik

Review Toxik – Dis Morta

  • Label: Massacre
  • Veröffentlicht: 2022
  • Spielart: Thrash Metal

Ende der 80er erreichte der Metal sein erstes Plateau: Die großen Alben waren geschrieben und die großen Ideen verbraucht – mit den bekannten Mitteln ließ sich nichts Relevantes mehr sagen. Nicht umsonst war das letzte Aufbäumen der stagnierenden Szene reichlich schrill; es schien, als müsste alles ein letztes Mal auf die Spitze getrieben werden. Das manifestierte sich damals in Alben wie dem völlig überzogenen „O.F.R.“ von Nitro oder den ersten beiden Veröffentlichungen von TOXIK. Irgendwo zwischen Speed und Thrash Metal verortet lieferte die Band um Gitarrist Josh Christian mit „World Circus“ (1987) und „Think This“ (1989) zwei vollkommen überdrehte Platten ab, die mit irrwitzigen Leadgitarren, komplexesten Riffs und einem Sänger, der stimmlich in der Stratosphäre zu suchen war, alle Merkmale des Genres ad absurdum führten. Aus erwähnten Gründen trennte sich die Band 1992 wieder, jene Alben sind aber bis heute legendär.

Seit 2013 sind TOXIK mit Mr. Christian als einzigem Originalmitglied wieder aktiv und kehren nun mit „Dis Morta“ mit einem vollen Album zurück. „Überdreht“ beschreibt den Inhalt auch hier wieder sehr gut, denn bei den New Yorkern gibt es noch immer von allem etwas mehr: Die Truppe verknüpft in Nummern wie dem Titeltrack, „Power“ oder „Creating The Abyss“ nach wie vor vertracktes Riffing mit Gitarrenarbeit auf höchstem Niveau und gewohnt hysterischem Gesang – mit Ron Iglesias haben sich TOXIK dabei genau den richtigen Frontmann ausgesucht, denn der kommt stimmlich verteufelt nah an „World Circus“-Sänger Mike Sanders heran. Songs wie „Feeding Frenzy“ oder „Hyper Reality“ zeigen, dass die Musik auf „Dis Morta“ von einer intelligenten Mischung aus thrashiger Härte, filigranen Melodien und komplexen Arrangements lebt – Progressive Thrash, wenn man so will.

Ähnlich wie schon auf ihrer 2017 erschienen EP „Breaking Class“ setzen TOXIK auch auf ihrem neuen Album also grundsätzlich auf die gleiche Rezeptur wie in ihrer Frühphase, passen diese aber an heutige Hörgewohnheiten an. „Dis Morta“ fällt weitaus moderner, härter und düsterer als ihre beiden stilbildenden Alben aus. Das ist auch gut so, denn die wuchtigen Grooves und brutalen Riffs in entsprechend massiger Produktion passen hervorragend zur bitterbösen Religionskritik, welche die  Band hier bisweilen übt und sorgen für ein atmosphärisches Gesamtbild. Der eher als „old school“ einzustufende Gesang von Mr. Iglesias ist dabei das beste Gegengewicht zur teils extremen Riff-Attacke auf dieser Platte.

Der anfängliche Vergleich mit Nitro ist dabei dringend zu relativieren, denn anders als die Truppe von Michael Angelo Batio, die Glam Metal mit längeren Soli spielte, sind TOXIK in ihrer Herangehensweise doch weitaus perfider: Josh Christian und seine Mannschaft haben die Regeln des Speed und Thrash Metal derart verinnerlicht, dass sie sich nun herausnehmen, sie in der Luft zu zerreißen. Grob an den Gepflogenheiten des Genres orientiert werden die Songs von „Dis Morta“ immer wieder von unerwarteten Wendungen und ruhigeren Parts durchbrochen. Nicht zuletzt der poppig-balladeske Einstieg zum rasiermesserscharfen „Devil In The Mirror“ darf in diesem Kontext getrost als Parodie angesehen werden. Ähnlich wie Carcass erlauben sich TOXIK hier die Dekonstruktion eines ganzen Genres – und verfügen über die nötigen Fähigkeiten, um damit Erfolg zu haben.

„Dis Morta“ ist ein reichlich sperriges Album, das man besser nicht nebenbei hören sollte. Komplexes Riffing und teils minutenlange Leadgitarrenorgien machen gerade unvorbereiteten Hörern den Zugang zur Musik von TOXIK nicht leicht und wenn man da gerade keine Lust drauf hat, kann das auch schnell anstrengend werden. Lässt man sich aber auf diese Platte ein, muss man neidlos anerkennen, dass die Truppe nach wie vor zu den individuellsten in ihrer Sparte gehört. Nicht weniger als 33 Jahre nach ihrem letzten vollen Album kehren TOXIK mit einer absolut gelungenen Platte zurück, auf der sie den Sound ihrer Anfangszeit erfolgreich in die Gegenwart transponieren. Respekt!

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Wertung: 8.5 / 10

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